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Probleme und Grenzen des Realismus nach Hans Morgenthau

Autor :  Melanie Hilf
E-mail: redaktion@e-politik.de
Artikel vom: 19.06.2000

In diesem Essay beantwortet M. Hilf die Frage nach den Grenzen des Realismus (nach H.Morgenthau) bei der Betrachtung der IP heute.


Thema des Essays:

Nach Morgenthaus Theorie des Realismus gründet sich die Autonomie der internationalen Politik auf den Begriff des „Interesses als Macht". Welche Probleme ergeben sich daraus für die Analyse der internationalen Politik?

Kurze Einleitung

Der Ost-West-Konflikt bezeichnet eine jahrzehntelang andauernde Phase eines im Kern ideologischen Widerstreits, der größtenteils vor dem Hintergrund einer klassischen Politik der Stärke ablief. Seine endgültige Auflösung aktualisierte -vielleicht mehr denn je- notwendigerweise auch eine Diskussion über die Neukonzeption der Weltpolitik. In diesem Zusammenhang wird es sicherlich auch unausweichlich sein, grundsätzlich verschiedene Analyseansätze internationaler Politik zu untersuchen.

Dieses Essay soll sich nun im Folgenden mit der Frage beschäftigen, welche Probleme sich für die Analyse der internationalen Politik ergeben, geht man von Morgenthaus Theorie des Realismus aus, nach der sich die Autonomie der internationalen Politik auf den Begriff des „Interesses als Macht" gründet.

Dabei sollen in einem einleitenden Abschnitt zunächst grob die Grundzüge des Realismus nach Morgenthau im Hinblick auf den Begriff der Macht dargestellt werden. In einem weiteren Schritt wird sich diese Arbeit vor dem Hintergrund verschiedener Alternativen zum Realismus mit dessen theoretischen Grenzen auseinandersetzen. Ein zusammen-fassender Schlussteil soll einen kritischen Ausblick auf die Aktualität der Realismus-Theorie in der momentanen Lage der Weltpolitik geben.

Realismus nach Hans Morgenthau

In seinem Werk „Macht und Frieden" zählt Hans Morgenthau als zweiten Grundzug seines politischen Realismus den „im Sinne von Macht verstandene[n] Begriff des Interesses" auf. Letzterer erst ermöglicht laut Morgenthau die Einführung einer „vernunftgemäße[n] Ordnung" und liefert die zum Verstehen und Erklären von Außenpolitik nötige „erstaunliche Kontinuität".

Somit bewahrt der Begriff des Interesses, verstanden als Macht, zunächst vor Trugschlüssen, die sich ergeben, wenn man versucht, die Außenpolitik eines Akteurs aufgrund seiner Beweggründe (diese gehören zu den „täuschendsten psychologischen Daten" ) zu definieren. Nach Morgenthau ist gute Außenpolitik ausschließlich eine vernunftgemäße Außenpolitik; wohingegen moralisch oder ethisch motivierte politische Entscheidungen nicht unbedingt den gewünschten Erfolg erzielen.

Morgenthau geht allerdings sogar noch einen für unser Thema entscheidenden Schritt weiter: Politik im Allgemeinen zeichnet sich für ihn durch ein vorhandenes Interesse als Macht aus, womit sie bereits klar von anderen Wirkungs- und Handlungsfeldern abgetrennt werden kann (Wirtschaft beispielsweise ist „im Sinne von Reichtum verstandene(...)[s] Interesse" ). Nur so ist nach Morgenthau eine „Unterscheidungsmöglichkeit zwischen politischen und nichtpolitischen Tatsachen" gegeben.

Für die internationale Politik bedeutet dies, dass sie notwendigerweise auf einen Kampf um Macht reduziert wird. Zwischenstaatliche Beziehungen sind somit nur dann politischer Art, wenn sie sich in irgendeiner Weise der Macht bedienen. Damit wird allerdings der internationalen Politik nun eine Autonomie zugeschrieben, die im Zuge historischer Entwicklungen und alternativer theoretischer Analyseansätze problematisch wird.

Hauptteil: Theoretische Grenzen

So ist es zunächst durchaus anzuzweifeln, ob es noch tragbar ist, internationale Politik strikt von anderen Aspekten internationaler Beziehungen im Allgemeinen zu trennen.

Robert Keohane und Joseph Nye beispielsweise greifen diesen herausstechenden Kritikpunkt in ihrem Werk „Macht und Interdependenz" auf. Sie weisen daraufhin, dass sich, wenngleich auch „die traditionelle Sichtweise besagte, daß militärische Macht alle anderen Formen der Macht überragt", dennoch „die Potentiale, aus denen sich Macht herleitet, (...) vielfältiger geworden" sind. Im Verlauf einer offensichtlich stetig zunehmenden Verflechtung verschiedenster Bereiche der internationalen Beziehungen bildet sich somit notwendigerweise auch eine „asymmetrische Interdependenz" zwischen den Akteuren heraus, die letztlich ein hohes Potential an Macht für die Beteiligten in sich trägt. Diese Macht kann jedoch „sozialer, politischer und ökonomischer Natur" sein. Das unmittelbare Ziel internationaler Zusammenarbeit oder Vertragsschlüsse muss danach nicht notwendigerweise als unmittelbares Ziel ein Interesse als Macht vor Augen haben: die Entstehung und Entwicklung beispielsweise der Europäischen Union kann und muss durchaus als politischer Akt aufgefasst werden, auch wenn man den beteiligten Akteuren zunächst vielleicht nicht ein unmittelbares Interesse als Macht, sondern, per definitionem, als Reichtum, unterstellen wird müssen; wurde doch ihr „Grundstein" mit „der Errichtung dieser ersten Sechser-Gemeinschaft" , nämlich der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, gelegt.

Eine Analyse der internationalen Politik wird somit genau dann zum Problem, wenn man versucht, alle anderen Aspekte auszuschalten. Wann ist ein Akt internationaler Zusammenarbeit politisch? Ist nicht ein Zusammenschluss auf zunächst wirtschaftlicher Basis, der vielleicht erst in weiter Ferne darauf abzielt, eine innenpolitische Stabilisierung eines Systems zur Machterweiterung zu erreichen, dennoch politisch? Mit Sicherheit ließe sich auch hier anführen, dass damit das letzte Ziel ebenfalls das Interesse als Macht ist - jedoch nicht notwendigerweise unmittelbar.

Die eben in Grundzügen angedeutete Diskussion zeigt meiner Meinung nach bereits ganz deutlich, dass es -gerade bei der heute gegebenen Konstellation regionaler Konfliktherde ohne den alles umspannenden (bipolaren) militärisch-ideologischen Ost-West-Gegensatz- problematisch wird, die Autonomie der internationalen Politik allein auf das Interesse als Macht zu reduzieren. An welcher Stelle genau greift das reine Wirtschaftsinteresse in ein Interesse als Macht ein? Könnte man ein im Sinne von Macht verstandenes Interesse nicht letztlich überall hineininterpretieren; und damit möglicherweise moralisch-idealistisch motivierte Entscheidungen einfach aus einem pessimistischen Menschenbild heraus völlig außer Acht lassen?

Von dieser Überlegung ausgehend erklärt die Theorie des Realismus beispielsweise auch nur schwerlich die bestehenden Nord-Süd-Beziehungen mit oft einseitigen Wirtschaftshilfen. Um dies mit den Worten Manfred Knapps am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland einmal festzumachen: in deren Beziehungen zu den Entwicklungsländern spielten sicherlich die unterschiedlichsten Motive eine Rolle, unter anderem auch solche machtpolitischer Art (z.B. „Erschließung und Behauptung von Auslandsmärkten in Übersee", Verhinderung der „Ausbreitung des (...) sowjetischen Machtbereichs"). Dennoch dürfen aber auch „humanitäre Zielsetzungen" (z.B. „Abbau des Nord-Süd-Gegensatzes", „Besserung der oft desolaten Lebensverhältnisse" und damit „Verwirklichung der Menschenrechte") nicht völlig geleugnet werden.

Ein weiteres Problem ergibt sich, führen wir die These der Interdependenz nun noch etwas weiter aus. Reinhard Meyers bezeichnet dabei treffend das „Phänomen der Erosion nationalstaatlicher Souveränität - bedingt (...) durch die Durchdringung der klassischen Bereiche außenpolitischen Staatshandelns seitens gesellschaftlicher, ökonomischer, technologischer und ökologischer Wirkkräfte (...)." Dieses von Meyers erkannte „Phänomen" lässt sich keineswegs abstreiten. Und - noch entscheidender: es macht die internationale Zusammenarbeit teilweise unumgänglich und damit auch zum (neu) erklärten Ziel internationaler Politik. Gerade bei der Bekämpfung der zunehmend globalen Umweltzerstörung, einem Belang, der auf nationaler Ebene längst nicht mehr gelöst werden kann, erlangen trans- und supranationale Organisationen verschiedenster Art immer mehr Bedeutung. Eine strikt auf den Begriff des Interesses als Macht reduzierte Einordnung internationaler Politik trifft dabei nicht mehr ganz den heute erweiterten Kern der Sache: Integrationsversuche und von rein nationaler Ebene entrückte Zusammenarbeit, verbesserte Kommunikation und kultureller Austausch; zwangsläufig ergibt sich die Überlegung, inwiefern hier eine Analyse der internationalen Politik, gegründet auf einer Theorie von „Interesse als Macht" nicht nur problematisch, sondern vielleicht sogar nicht mehr sehr sinnvoll ist.

Realismus heute

Dennoch ist abschließend festzuhalten, dass der Theorie des Realismus mit ihrer Gründung der Autonomie internationaler Politik auf den Begriff des „Interesses als Macht" sicherlich auch heute in mancher Beziehung noch durchaus Gehör zu schenken ist. Wir können nicht von der Hand weisen, dass die heutige weltpolitische Konzeption teilweise immer noch notwendigerweise auf dieser Idee gegründet sein muss.

Dies wird beispielsweise offensichtlich, wenn wir regionale Konflikte wie den Golfkrieg beobachten, die im Kern von einzelnen, nach Macht als unmittelbarem und höchsten Ziel strebenden Personen getragen werden. Es tritt ebenfalls auch in nationalistisch geprägten Separationswünschen (beispielsweise im ehemaligen Vielvölkerstaat Jugoslawien) oder fundamentalistisch-extremistischen Religionsfehden zutage.

Internationale Politik allerdings allein auf diesen Gesichtspunkt zu beschränken, wird ihrer heutigen Ausprägung -wie bereits diskutiert- nicht mehr ganz gerecht. Möglicherweise deutet die erneut aufkommende Kritik an einer Theorie wie dem Realismus, der in anthropologischer Hinsicht von einem pessimistischen Menschenbild ausgeht, ja auch einen notwendigen Sinneswandel im gesellschaftlichen wie auch im politischen Bereich an. Betrachtet man jedenfalls einzelne Ergebnisse, die sich aus einer weniger realitisch verstandenen internationalen Politik heraus gebildet haben, wäre dies zumindest auf lange Sicht zu hoffen.

Literatur:

  1. Morgenthau, Hans J.: Macht und Frieden. Grundlegung einer Theorie der Internationalen Politik. Gütersloh 1963;
  2. Keohane, Robert O./Nye, Joseph S.: Macht und Interdependenz. In: Kaiser, Karl/Schwarz, Hans-Peter: Weltpolitik. Strukturen - Akteure - Perspektiven. Stuttgart 1986;
  3. Knapp, Manfred: Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland. In: Knapp, Manfred/Krell, Gert (Hrsg.): Einführung in die Internationale Politik. München/Wien1996;
  4. Meyers, Reinhard: Grundbegriffe und theoretische Perspektiven der Internationalen Beziehungen. In: Grundwissen Politik, 3. völlig überarb. Aufl. Bonn 1997 (Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Bd. 345);

Dieses studentische Skript erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ist keine Garantie zum Bestehen irgendwelcher Prüfungen. e-politik.de ist bemüht, die Skripten ständig zu aktualisieren und inhaltlich zu bearbeiten


   


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