Beim Rentengipfel liegen die Positionen weit auseinander. Nicht mal
untereinander ist sich die Regierungskoalition einig, die Grünen beharren ähnlich wie die
Unionsparteien darauf, die Rentenbeiträge langfristig durch die Einführung eines
„Generationenfaktors" stabil zu halten. Der Arbeitsminister aber hat sich früh auf eine
Rückkehr zur Nettolohnformel ab 2002 festgelegt und weiß nicht, wie er sein Wort
zurücknehmen soll. Trotz Gesichtsverlust - er sollte. Denn der Rentengipfel war mit dem Ziel
einberufen worden, eine Reform für die nächsten Jahrzehnte zu zimmern. Ohne grundsätzliche
Lastenverteilung zwischen Jung und Alt aber kommt ab dem Jahr 2015 eine lawinenartige
Beitragssatzerhöhung auf die dann Jüngeren zu.
Die Rendite ist das wichtigste Maß
Aber führen hohe Beitragssätze allein zu einer Ungleichbehandlung der Generationen? Nein,
denn wir sind alle mal alt und mal jung. Hohe Beiträge in der Jugend zu zahlen, ist solange
nicht ungerecht, solange man später im Alter eine hohe Rente bekommt. Das wichtigste Maß
für die Generationengerechtigkeit ist daher auch die Rendite (das Beitrags-Leistungsverhältnis), die jede Generation aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhält.
Bei allen Unterschieden in Detailfragen sind sich alle vorliegenden Berechnungen in einem einig: Die verschiedenen heute lebenden Generationen haben unterschiedliche Renditen aus der
gesetzliche Rentenversicherung zu erwarten. Die Rendite eines Rentners, der im Jahr 2000 in
Rente geht, beträgt bei heutiger Gesetzeslage nach Berechnungen des Verbandes der
Deutschen Rentenversicherungsträger 6,51 Prozent. Ein heute geborenes Kind, das ungefähr
im Jahr 2060 in Rente geht, erhält nur eine Rendite zwischen 3,2 und 4,4 Prozent. Kurt
Biedenkopf, der Kritiker unseres Rentensystems, kommt zu noch ungünstigeren Zahlen: So
erhält der ledige Neurentner des Jahres 1995 nach 45 Versicherungsjahren mit einem durchschnittlichen Arbeitsentgelt real das Doppelte dessen, was er in das System einbezahlt hat. Wer
20 Jahre später, also 2015, das Rentenalter erreicht, kann real nur noch den Gegenwert seiner
Beiträge als Altersrente erwarten. Und für die Jahrgänge, die im Jahr 2040 in Rente gehen,
geht Biedenkopfs Rechnung sogar negativ aus. Der Neurentner des Jahres 2040 erhält nur
noch etwa vier Fünftel seiner Beiträge zurück.
Ein Beispiel für die Teilungslösung
Der beste Vorschlag, um Generationengerechtigkeit herzustellen, ist die Teilungslösung. Der
Grundgedanke der Teilungslösung ist, Defizite in der Rentenversicherung (wodurch auch
immer sie entstehen) zwischen Jung und Alt aufzuteilen. Ein Rechenbeispiel soll deutlich
machen, wie die Teilungslösung funktioniert:
Als sich im Herbst 1996 ein Loch von rund 16 Milliarden DM in der Rentenkasse abzeichnete,
hat die Bundesregierung zum 1.Januar 1997 die Rentenbeiträge von 19,2 Prozentpunkten auf
20,3 Prozentpunkte erhöht. Statt dieser Lösung, die allein die jüngere Generation belastet,
wäre bei Anwendung der Teilungslösung folgendes geschehen:
Die Beiträge wären nur um die Hälfte, also um 0,55 auf 19,75 Prozentpunkte erhöht worden,
die andere Hälfte des Finanzbedarfs wäre durch eine niedrigere Rentenanpassung hereingeholt
worden. Dazu wäre die jährliche Rentenanpassung zunächst wie bisher nach der
Nettolohnformel ausgerechnet und dann mit einem Abschlag versehen worden. Da alle
Prognosen bis zum Jahr 2050 eine Steigerung des (expliziten und impliziten) Beitragssatzes
voraussagen, werden bei Anwendung der Teilungslösung die Renten der Älteren langsamer
steigen.
Die Teilungslösung hat den großen Vorteil, dass sie einen Rentenkompromiss erlaubt, selbst
wenn die Verhandlungspartner an ganz unterschiedliche Beitragssatzprognosen glauben. Wer
die Auffassung vertritt, die Beiträge würden sich selbst nach 2020 kaum erhöhen, für den ist
die Teilungslösung akzeptabel, weil sie aus dieser Sicht keine substantielle Abweichung von
der Nettolohnanpassung bedeutet. Für diejenigen, die mit massiven Beitragssatzsteigerungen
rechnen, ist die Teilungslösung ein gutes Modell, weil der Anstieg der Beitragssätze erheblich
gedämpft werden könnte. Dies wissen auch die Verhandlungsführer in Berlin - ein
Rentenkonsens auf Grundlage der Teilungslösung ist also nicht unmöglich. Der jungen
Generation wäre es zu wünschen.
Jörg Tremmel, geboren 1970, ist Sprecher der Stiftung für die Rechte zukünftiger
Generationen (SRzG). Er studierte BWL und Politologie, derzeit arbeitet er an seiner
Promotion. Tremmel ist Autor mehrerer Bücher und leitet seit 1997 den Tremmel-Verlag, der
Aufsätze und Bücher junger Menschen über das Internet verlegt.
SRzG - Beispiel Rente: Generationengerechtigkeit in der Praxis
e-politik.de stellt vor: SRzG: Gerechtigkeit für junge Leute