Tagebuch einer Magisterkandidatin Folge 18
Autor : e-politik.de Gastautor E-mail: redaktion@e-politik.de Artikel vom: 06.01.2003
Der Jahresrückblick zu Sylvester lässt uns die Vergangenheit mystifizieren und die Zukunft in einem magischen Licht erscheinen. Verzaubert von Joyce Mariel.
Die Magie der Magie
Woran merkt man, dass Weihnachten wird, selbst wenn das Wetter wie im letzten Jahr geschehen, nicht so mitspielt? Richtig, Mariah Carey wird wieder gesellschaftsfähig und ich laufe mit grimmigem Gesicht an jedem Radio vorbei, aus dem gerade die wahrscheinlich subtilste Foltermethode ertönt, die sich die USA bisher ausgedacht haben. Und woran merkt man, dass sich das alte Jahr dem Ende zuneigt und ein neues beginnt? Genau, alle werden sentimental. Schauen zurück auf alte Verfehlungen und sagen sich, dass sie im neuen Jahr alles besser machen werden. Dabei ist alles relativ. Man muss sich nur den richtigen Bekanntenkreis suchen, um mehrmals im Jahr den Anfang eines neuen Jahres begehen zu können. Persönlich kann ich Inder empfehlen, die machen das beste Essen. Und der Brauch, am indischen Neujahr das Böse mit vielen kleinen Lichtern zu vertreiben, kann sich durchaus sehen lassen. Trotzdem begann auch jeder in unserem abendländischen Kulturkreis ab einem bestimmten Alter, irgendetwas ganz besonderes an Sylvester zu machen. Sei es nun eine besondere Party wohlmöglich noch an einem besonderen Ort oder ein besonderes Ritual. So wie es meine Freundin Christine vorhatte.
Kurz bevor ich an einen besonderen Ort, nämlich Prag aufbrach, bekam ich noch eine E-Mail von Christine, die noch nicht wusste, dass ich an den Ort meiner letztjährigen alkoholischen Verfehlungen zurückkehren würde. In dieser Mail lud sie mich zu ihrer Party ein und kündigte an, dass sie sich um Mitternacht in Hexenkünsten versuchen würde. Weil ihr Vater es nämlich laut Christine, die zurzeit Single ist, versäumt hatte, zu Weihnachten ihren Traummann zu schnitzen, wollte sie ihn sich mit den Worten "Abrakadabra, rubischnubi, entstehe Bubi!" zum Jahreswechsel herzaubern. Ich persönlich kann die Backvariante empfehlen. Das entstandene Exemplar lässt sich nämlich danach erstklassig vernaschen.
Besonders magisch stellte sich das letzte Jahr für einen tschechischen Bekannten namens Jan dar, den ich in Prag getroffen habe. Er hat letztes Jahr sein Studium der Politikwissenschaft abgeschlossen und arbeitet jetzt für das tschechische Innenministerium im Bereich EU-Integration. Eine spannende Aufgabe, wie ich ihm versicherte, aber Jan winkte nur ab. Er sehnt sich nach drei Monaten Mitgliedschaft in der arbeitenden Bevölkerung schon nach seiner Studienzeit zurück. Sogar das ERASMUS-Jahr in München wollte er noch einmal erleben, obwohl er während diesen Jahres nicht immer voll des Lobes war. Bei ihm hat also schon der Effekt eingesetzt, der vor allem die angenehmen Seiten des vergangenen Lebensabschnitts in der Erinnerung zurücklässt. Und dass das in gewisser Hinsicht eine verzaubernde, mystifizierende Verklärung ist, kann wohl keiner abstreiten.
Ich für meinen Teil muss jetzt ebenfalls noch ein wenig an meinem allzu bezaubernden Charme arbeiten, denn bald stehen die mündlichen Prüfungen an. Und da wollen Professoren psychologisch getreu nach dem Motto "Selbstsicherheit bei völliger Ahnungslosigkeit" beeinflusst werden. Ihr glaubt mir nicht? Beobachtet nur mal eure Kommilitonen, wenn sie während den Seminaren Referate halten. Diejenigen, denen es gelingt, ihre Referate selbstsicher zu halten, ernten danach ganz andere Reaktionen als die anderen, die ihre Referate schlecht vortragen. Und denselben Effekt, so behaupte ich, könnte man auch beobachten, wenn sie absolut identischen Stoff präsentieren.
Zum Abschluss allen Besuchern auf www.e-politik.de ein verspätetes frohes neues Jahr 2003. Pflegt weiter magische Rituale; es muss ja nicht immer zu bestimmten Festen sein. Denn, wenn man mal darüber nachdenkt, was für jeden Einzelnen Magie überhaupt ist, hat man schon einen weiten Handlungsspielraum vor sich. Wie wäre es denn zum Beispiel, wenn einer von euch Jungs Christine verhexen könnte?
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Tagebuch einer Magisterkandidatin Folge 17
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