Waren die letzten Jahre von verstärkten Bemühungen um eine Annäherung zwischen der USA, Europa und den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion geprägt, so konnte man am Wochenende in München eine Verschlechterung der internationalen Grosswetterlage feststellen. Noch nie haben sich in den vergangenen zehn Jahren offizielle Bekennungen zu Zusammenarbeit und gegenseitiger Konsultation bei Streitthemen fadenscheiniger und vordergründiger angehört wie bei den Vorträgen im Rahmen der 37. Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik.
Der Bär im Osten hat sein Selbstvertrauen wieder entdeckt
Der Sekretär des russischen Sicherheitsrates, und somit zweiter Mann in Russland, Sergej Iwanow hat unmissverständlich die Ablehnung Moskaus gegen ein amerikanisches Raketenabwehrprogramm ausgedrückt. Ebenso deutlich hatten der neue Verteidigungsminister der USA Rumsfeld und der republikanische Senator McCain die Position der Vereinigten Staaten für eine drastische Einschränkung der russischen Waffenexporte geäussert. Moskau lässt sich nicht mehr länger in die inneren Angelegenheiten hineinreden. Mit Putin ist ein neues Gefühl von Stärke in der russischen Politik gegenüber dem Westen eingezogen. Dies hat u.a. auch seine Ursache in den offenkundigen Differenzen zwischen den USA und seine Alliierten in West-Europa.
Europa mausert sich zum Machtfaktor – Washington sieht seinen dominierenden Einfluss auf die Weltpolitik gefährdet
Kein Wunder, dass alle amerikanischen Vertreter auf der Konferenz die Bedeutung der transatlantischen Allianz betonten. Die USA verlieren v.a. auf dem Sektor der Rüstungsindustrie an Einfluss in Europa. Hatten sie noch vor Jahren das Monopol für Kampfjets und gepanzerte Fahrzeuge alle Art bei Rüstungsgeschäften auf dem europäischen Kontinent und in Asien, sehen sie sich einer immer stärker werdenden europäischen Kooperation gegenübergesellt. Der Eurofighter und das europäische Programm für ein neues Transportflugzeug stellen dabei nur die Spitze des Eisberges dar. Auch die NATO-Osterweiterung hatte nicht zu den gewünschten neuen Märkten in Polen oder Ungarn geführt. Auch hier griffen die nationalen Streitkräfte verstärkt auf europäische Rüstungsgüter zurück. Dass nun auch Süd-Korea Interesse am Eurofighter bekundet, lässt die Vereinigten Staaten auch ihren Einfluss in Asien dahinschwinden sehen.
Zeit der kritiklosen Zustimmung ist vorbei
Während man bei einer Zusammenarbeit zwischen Europa, Russland und den dazwischenliegenden GUS-Staaten mit optimistischer Haltung in die Zukunft blicken kann, da alle Seiten sich der Bedeutung der OSZE als Integrationsfaktor bewusst sind, muss Washington sich vor einer zunehmenden Isolation in Acht nehmen. Entscheidungen Washingtons werden nicht mehr kritiklos hingenommen, dies zeigt die heftige Resonanz Europas und Russlands auf das NMD-Projekt der Amerikaner. Rumsfeld sprach am Samstag von Konsultationen mit den Kritikern des Programms. Aber gleich im nächsten Satz erklärte er die politische Entscheidung zugunsten NMD´s für bereits gefallen. Die Alliierten müssen also akzeptieren und ihren Ärger hinunterschlucken. So sieht keine Zusammenarbeit zwischen gleichberechtigten Partnern aus. Dass man Moskau auch noch die Art und Weise seiner Auslandsgeschäfte vorschreiben möchte, grenzt an Imperialismus. Man akzeptiert in Washington zwar die Interessen Russlands auf eine Schuldenbereinigung dritter Staaten, die Umsetzung durch Waffenkäufe lehnen sie jedoch ab. Interessant dabei ist, dass man der russischen Föderation damit ein System verbietet, das die USA über Jahre schon selbst weltmeisterlich beherrschen.
Tiefe Gräben und schwere Verhandlungsthemen für die Zukunft trüben die internationalen Beziehungen
Europa kann und will nicht ohne die USA eine eigene Sicherheitspolitik betreiben. Mit einem Partner, der gleichberechtigte Alliierte vorführt und eigenmächtig Weichen für die Zukunft stellt, ist dies jedoch auch nicht möglich. Russland möchte in das internationale Sicherheitssystem mit integriert werden, jedoch nicht zu den Bedingungen der USA. Sie bauen auf eine Stärkung der OSZE und der eurasischen Zusammenarbeit. Entscheiden für die Zukunft werden zwei Faktoren sein. Erstens gilt es Konsultationen und Verhandlungen mit allen betroffenen Nationen auf der selben Ebene zu führen. Die hegemoniale Politik muss der multilateralen Verständigung weichen. Und zweitens darf der Faktor China nicht übersehen werden. Verständigung über die Köpfe in Asien hinweg würde nur zu einer erneuten Zweiteilung der Welt führen. Der Ton ist rauer geworden, Gespräche aber nicht unmöglich.