Manfred Güllner ist Vorsitzender des Privatinstituts Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen (forsa). Er ist mit Gerhard Schröder befreundet, den er auch berät.
Anfang Mai sprach er auf Einladung des Münchner Freundeskreis der Seeheimer in der bayerischen Landeshauptstadt. Die Seeheimer repräsentieren seit der Kanzlerschaft Helmut Schmidts den konservativen Flügel innerhalb der SPD.
Um seine empirischen Studien abzusichern, bittet das Forsa-Institut täglich 1.000 Menschen um ihre Meinung. Ein aktuelles Ergebnis dieser empirischen Studien birgt nun auch Hoffnung für die SPD in der anstehenden Bundestagswahl: Nur Wenige der 40 bis 50 Prozent der SPD-Wähler von 1998 hätten sich schon anderen Parteien zugewandt, so Güllner. Das böte der SPD die Chance, zu weiteren Wähler-Reserven vorzustoßen. Die SPD habe keinen Grund, die Flinte ins Korn zu werfen. Die Union dagegen habe bereits alle ihre möglichen Wähler seit der Kandidatur Edmund Stoibers mobilisiert.
Enttäuschung bei den Wählern von 98
Der Wahlausgang am 22. September werde demnach davon abhängen, ob die Zögerer unter den SPD-Wählern von 1998 zur Wahl gehen. Gegenwärtig seien sie jedoch darüber enttäuscht, dass sich bei der Rente, bei den Arbeitslosenzahlen, im Gesundheitswesen und in der Bürokratie wenig geändert habe. Die Union stellt für diese Wähler jedoch keine Alternative dar. Bei vergangenen Reformschüben der Bundesregierung, wie etwa bei der Steuerreform 2000, standen diese Wähler mehrheitlich hinter der SPD.
Außerdem besitze Schröder laut Güllner den Kanzlerbonus. Kohl habe davon nie profitiert. Er habe lediglich die Klientel der Union mobilisieren können und nicht den Anteil jenseits davon, der den eigentlichen Kanzlerbonus ausmache. Derzeit habe Schröder bei Umfragen 15 Prozentpunkte mehr als die SPD. Eine Zahl, von der Kohl während seiner Amtszeit nur träumen konnte.
Modernisierung statt Bilanzen
Das restliche Personal der SPD käme dagegen schlechter an. Trotzdem müsse die SPD wieder das "kommunale Vertrauen" gewinnen, das sie in der Ära Kohl verloren habe. Wahlstrategisch empfiehlt Güllner der SPD, lieber Perspektiven für die Modernisierung aufzumachen, als nur Bilanzen der vergangenen Wahlperiode vorzulegen.
Güllners Vorwurf richtet sich gegen die Führungsriege der SPD. Stoibers sozialdemokratische Kollegen unter den Ministerpräsidenten würden sich zu ruhig verhalten. Er fragt deshalb: "Wo bleibt der Aufstand der SPD-Ministerpräsidenten gegen Stoiber?"
Abschließend weist er auf eine interessante Parallele zur Bundestagswahl 1972 hin. Damals fiel die SPD in den Umfragen im Juni 1972 weit zurück. Bei der Wahl im Herbst habe sie jedoch überraschend wieder 45 Prozent bekommen. Der Grund: Ihr sei es gelungen, die SPD-Wähler zu mobilisieren. Das Ergebnis war eines der besten, das die SPD je bei einer Bundestagswahl erzielt hat.
Grafik: e-politik.de