Silvio B. - Eine italienische Geschichte
Autor : Timour Chafik E-mail: redaktion@e-politik.de Artikel vom: 09.05.2001
"Ich bin der Beste der Welt" lässt Silvio Berlusconi nicht nur in Wahlkampfzeiten gerne die Öffentlichkeit wissen. Aber manchmal fließen bei ihm Blut, Schweiß und Tränen. Einen Strategen mit Größenwahn porträtiert Timour Chafik.
Meineid, illegale Parteienfinanzierung, Steuerhinterziehung, Bestechung von Beamten, Zusammenarbeit mit der Mafia ? der Mann, der am 13. Mai die Parlamentswahlen in Italien gewinnen will, hat nicht nur ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein, sondern auch ein imposantes Vorstrafenregister: Silvio Berlusconi, 64, Sohn eines Mailänder Bankangestellten, ehemaliger Klosterschüler, Jurastudent, Staubsaugervertreter, dann Showmaster auf Musikdampfern. Heute ist der Vorbestrafte der drittreichste Mann Europas, auf Platz 14 der reichsten Menschen weltweit, Spitzenkandidat der Forza Italia (FI), Medienmogul und voraussichtlich nächster Ministerpräsident der sechstgrößten Industrienation. 51 Prozent der Stimmen sprechen die Umfragen dem rechten Lager zu ? zusammengewürfelt aus Forza Italia, der postfaschistischen Alleanza Nazionale und der Lega Nord unter Umberto Bossi. Und Berlusconi schreitet vorne weg: ?Es gibt niemanden auf der internationalen Szene, der sich mit mir vergleichen kann. Meine Größe steht außer Zweifel, meine humane Substanz, meine Geschichte ? die anderen können davon nur träumen."
Machiavelli der Medien
Solche und ähnliche Parolen führen dazu, dass selbst engste Vertraute Berlusconi einen Hang zur Schizophrenie unterstellen: ?Auf der einen Seite gibt es einen Dr. Jekyll, der als großer Politiker bewundert und geachtet in die Geschichte eingehen möchte. Aber der wird verfolgt von Mr. Hyde, dem ungeliebten Berlusconi, in ständigem Interessenkonflikt zwischen Politik und Fernsehen". Das sagt Fedele Confalonieri, Chef der TV-Gesellschaft Mediaset an der Berlusconi mit 47,26 Prozent über die Fininvest Holding beteiligt ist, und über die er landesweit eine Zuschauerquote von 42 Prozent einfährt. Silvio B. ? ein Machiavelli der Medien und der Unterhaltung. Der Vorbestrafte mit der ungezügelten Hybris kontrolliert allein drei nationale Fernsehsender, mit ?Mondadori" den größten Verlag Italiens, den Fußballclub AC Milan und mittlerweile auch die Straßen. Denn Berlusconi duldet nur Berlusconi neben sich: In einem internen Papier verfügte der selbsternannte Vorsitzende der Forza Italia, dass einzig sein Konterfei von den Plakaten der Partei grinsen darf. ?Wir müssen jegliches Durcheinander vermeiden und auf straffe Koordination setzen", erläutert der FI-Vorsitzende von Rom, Paolo Barelli. Ein kleiner Vorgeschmack auf den Tag danach.
Una storia italiana
Aber die Straße ist Silvio B. nicht genug, seine Botschaft muss das Herz der italienischen Nation erreichen: La Familia. ?Meine Biografie für jede Familie", lautet der Slogan, mit dem er seine Vita auf den Weg schickt. Reich bebildert, auf Hochglanzpapier gedruckt, und mit einer Erstauflage von 12 Millionen Exemplaren soll sein 128-Seiten Werk ?Una storia italiana" in einem unauffällig blauem Umschlag mindestens zwei Drittel aller italienischen Familien beglücken. Als Denkanstoß für die Unentschlossenen und zur Richtigstellung vermeintlich falscher Vorwürfe: ?Die Bürger sollen als Antwort auf die ständigen Angriffe gegen den Cavaliere (Berlusconi) wissen, wer Berlusconi wirklich ist", kommentieren die Wahlstrategen des ich-süchtigen Padrone das Wahlgeschenk. Die politischen Gegner versuchen ihrerseits, den eitlen Silvio B. mit der eigenen Biografie zu schlagen: Entweder an den Absender zurück oder an den eigens dafür eingerichteten Sammelstellen entsorgen, lautet der Wahlspruch.
Blut, Schweiß und Tränen
Wahlkampf mit der Brechstange also. Berlusconi, der 1994 überraschend schon einmal in das Amt des Ministerpräsidenten gewählt wurde, hat dazu gelernt. Sieben Monate nur währte seine erste Amtszeit, die ? nicht ganz uneigennützig ? mit dem Vorschlag der Amnestie für Korruptionsvergehen einen Sturm der öffentlichen Empörung auslöste und schließlich zerbrach. Die vergangenen sieben Jahre Opposition haben ihn das Handwerk der Politik gelehrt. Diplomatischer Tonfall, seriöses Auftreten, ein Gespür für Volkes Meinung ? Berlusconi schafft es, mit Temperament, Geld und Medien der italienischen Politik seine Bedingungen zu diktieren. Und anders als bei seinem ersten Wahlsieg 1994 stößt es den europäischen Konservativen heute nicht mehr sauer auf, wenn sie sich um ihn scharen: Spaniens Premier José Aznar und die konservative französische Parlamentspräsidentin Nicole Fontaine ? beide wie Berlusconi in der Europäischen Volkspartei vertreten ? stützen den Padrone gar, in dem sie den Fortgang eines Verfahrens gegen ihn mit Formalia blockieren. Europäischer Teamgeist à la Berlusconi: ?Alles was ich je getan habe, war immer und für jedermann einsichtig. Aber Politik ist eben wie Fußball: Auf dem Spielfeld fließen Blut, Schweiß und Tränen". Im diesem Satz aus einem Interview mit dem TIME-Magazin zeigt Silvio B. kurz sein wahres Gesicht.
Bild: Copyright liegt bei http://www.votaberlusconi.it
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