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e-politik.de - Home  Brennpunkt  Europa   Nordirland-Konflikt


David Trimble

Im Norden nichts Neues oder Anfang vom Ende des Friedensprozesses in Nordirland?

Autor :  e-politik.de Gastautor
E-mail: redaktion@e-politik.de
Artikel vom: 25.11.2000

Ende Oktober traf sich der Parteirat der Ulster Unionist Party (UUP) in Belfast und entschied sich für eine härtere Gangart in Sachen Entmilitarisierung. e-politik.de-Gastautor Stefan Wolff berichtet über eine Verschärfung der Lage in Nordirland.


Im Karfreitagsabkommen von 1998 hiess es in Bezug auf die Entwaffnung paramilitärischer Organisationen, dass die unterzeichnenden Parteien all ihren Einfluss in diesem Prozess geltend machen würden. Nicht mehr und nicht weniger. Während die IRA-nahe Sinn Féin seither darauf besteht, dass es keinen Automatismus zwischen der Regierungsbeteiligung der Partei und der Abgabe der Waffen durch die IRA gibt, sind die Unionisten in der Partei David Trimbles, und mehr noch in der Democratic Unionist Party des Hardliners Ian Paisley, der Auffassung, dass es genau diese Verbindung gibt.

Ende Oktober hatten die UUP-Delgierten nun die Wahl zwischen einem Vorschlag der prinzipiellen Gegner des Karfreitagsabkommens, den Friedensprozess ‚auszusetzen', wenn die IRA bis zum 30. November nicht wenigstens mit einer Waffenabgabe beginnt, und dem Vorschlag der prinzipiellen Befürworter des Karfreitagsabkommens, sofort Druck auf Sinn Féin auszuüben, aber keinen festen Termin für ein Ende des Friedensprozesses zu setzen. Mit knapper Mehrheit entschied man sich für die zweite Variante.

Im Detail bedeutet das unter anderem, dass die beiden Sinn Féin-Minister ab sofort nicht mehr an Treffen des Nord-Süd-Ministerrates teilnehmen dürfen. Dieses Gremium hat aufgrund seiner Funktion der Etablierung formaler Beziehungen zwischen Nordirland und der Republik Irland für Nationalisten einen hohen symbolischen Wert, also genau für die Bevölkerungsgruppe, die Sinn Féin zum Teil repräsentiert.

Darüber hinaus bedeutet die neue härtere Gangart der UUP auch, dass es zunächst keine Fortschritte bei der, für Nationalisten ebenfalls wichtigen, Polizeireform geben wird, und dass man sich für die Zukunft eine umfassende, notfalls einseitige ‚Überarbeitung' des Karfreitagsabkommens vorbehält.

Eine ähnliche Krise hatte es bereits Anfang des Jahres gegeben. Damals wurde Schlimmeres dadurch verhindert, dass Nordirland-Minister Peter Mandelson Parlament und Exekutive in Nordirland kurzerhand suspendierte. Gleiches wäre zwar auch diesmal wieder denkbar, doch ist es zu einem gewissen Grad wahrscheinlicher, dass damit eine Entwicklung einhergehen würde, an deren Schlusspunkt das Ende des jetztigen Friedensprozesses und die direkte britisch-irische Kontrolle über Nordirland stehen würde. Damit wäre keiner der beiden Bevölkerungsgruppen sonderlich gedient. Aber auch kurzfristig sind die unmittelbaren Konsequenzen, die sich aufgrund der derzeitigen Entwicklung abzuzeichnen beginnen, schwerwiegend.

Erstens nämlich beginnt sich allmählich selbst unter gemäßigten Nationalisten, die von der Social Democrat and Labour Party (SDLP) repräsentiert werden, eine Desillusionierung bezüglich des gesamten Friedensprozesses auszubreiten. Das Auseinanderdriften der gemäßigten Lager beider Bevölkerungsgruppen, also von SDLP und UUP, stellt den gesamten Prozess der Umsetzung des Karfreitagsabkommens in Frage.

Zweitens wird damit die Anfälligkeit des Friedensprozesses für Störaktionen von sogenannten ‚abtrünnigen' Terroristen größer. Während die loyalistischen Paramilitärs momentan weitgehend mit internen Machtkämpfen beschäftigt sind, haben vermutliche republikanische Hardliner in der vergangenen Nacht einen Bombenanschlag auf eine Polizeistation verübt und zwei Beamte schwer verletzt. Solche Aktionen verleiten viele unionistische Politiker dazu, schnell zwei und zwei zusammenzuzählen und die Richtigkeit ihrer härteren Gangart zu reklamieren. Dabei realisieren sie jedoch nicht, dass das Ergebnis dieser Rechnung so einfach nicht ist, da es eben (noch!) nicht die IRA ist, die diese Anschläge begeht.

Und drittens müssen sich die unionistischen Verfechter dieser neuerlichen ‚Alles oder Nichts'-Strategie auch fragen lassen, was denn die Alternative zur gegenwärtigen Situation sei. Es ist unzweifelhaft, dass eine Demokratie nicht funktionieren kann, wenn sie unter der ständigen Drohung bewaffneter Gewalt steht, und zu einem gewissen Grad stellt das ungelöste Entmilitarisierungsproblem eine solche Drohung dar. Aber es ist eben nicht nur ein Problem der IRA. Sollte allerdings der auf Sinn Féin und die nationalistische Gemeinschaft jetzt ausgeübte Druck dazu führen, dass die IRA von ihrem Bekenntnis zum Friedensprozess abrückt, wäre die Folge eine Rückkehr zu einem neuerlichen Bürgerkrieg, der in 30 Jahren schon über 3000 Menschen das Leben kostete, von den Konsequenzen für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Provinz ganz zu schweigen.

Eine solche Entwicklung kann sich eigentlich niemand in Nordirland wünschen, und doch scheint es im Moment, als wäre ein Großteil der Weichen in diese Richtung schon gestellt.


Dr. Stefan Wolff, 31, ist Politologe am Fachbereich für Europastudien der University of Bath (Großbritannien).

Photo: Copyright liegt bei http://www.uup.org


   

Weiterführende Links:
   Northern Ireland Assembly
   Ulster Unionist Party



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