Der Publizist Cufaj ist gebürtiger Kosovare. Er verbrachte seine Kindheit in Prishtina und schreibt derzeit auch für das Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Die Sorgen des "kleinen Mannes"
Cufaj erzählt in seinem Buch Geschichten, die aus dem Leben dem Leben in seiner Heimat Kosovo gegriffen sind.
Geschichten, die betroffen machen, aber über die auch geschmunzelt werden darf. Der Leser merkt sehr schnell, dass Cufaj weiß, wovon er spricht. Die Essays beschreiben den Alltag im Kosova. Vor dem Krieg bis heute. Cufaj bringt einem durch kleine Anekdoten das Kosovo, mit allen seinen Eigenheiten und der Schlichtheit der Bewohner näher. Es sind nicht die Zahlen der Toten oder die Berichte über Greueltaten der Serben, welche den Leser in den Bann ziehen; es ist die teilweise Banalität des Geschriebenen. Cufaj bringt einem die Sorgen des "kleinen Mannes" näher, welche über die täglichen Diskussionen in der Politik um wichtige Verträge ganz schnell in Vergessenheit geraten sind.
Unabhängigkeit, längst vergessene Heldenepen und Probleme
In seinen Essays wirft er die Frage nach dem Sinn der politischen Verhandlungen auf, Verhandlungen um Verträge, welche für den typischen Albaner, der sich gerade um das neue Dach des zerstörten Hauses sorgt, nicht wichtig scheinen, und der mit den "ausländischen Verhandlungsmethoden" nichts anzufangen weiß.
Liebevoll kritisiert er auch seine Landsleute, die vor dem krampfhaftem Streben nach Unabhängigkeit vergessen haben, was Leben in der Realität bedeutet und dass Unabhängigkeit erst der Anfang vieler Probleme ist, die es zuvor nicht gab und die keiner der damaligen Befürworter in den Kampf um diese miteinbezog. Und nun?
Nun sitzen die, welche als gebildet und belesen gelten, in abgelegenen Cafés und diskutieren weiter über Unabhängigkeit, die Schuld der Serben und längst vergessene Heldenepen; ganz als wäre nichts gewesen, als hätte das einfache Volk sich nicht auf sie verlassen und ihnen geglaubt.
Es ist wieder wie zuvor, die Planung und Durchführung der Unabhängigkeit wird wieder anderen in diesem Fall der UNO, der Kfor und den Politikern überlassen. War das das Ziel?
Cufaj stellt dies in Frage und fordert indirekt die Unterstützer auf, doch bitte die Führung zu übernehmen, da seine Landsleute damit überfordert wären. Er bittet um Nachsicht für ein Volk, welches sich gerne der Opferrolle hingibt und sich in seinen eigenen Traditionen verfangen hat.
Es gab nicht immer Hass
Cufajs Schreibstil ist zum Teil sehr satirisch und lässt einen Schmunzeln, auch wenn die Thematik dazu eigentlich nicht geeignet ist. So erzählt er immer wieder von dem früheren Zusammenleben der Albaner und der Serben. Dieses war nicht immer von Hass überschattet, es gab auch hier sehr innige Bande, die nun in Rache untergehen.
Egal ob verantwortlich oder nicht, alle Serben müssen nun in ständiger Angst um ihr Leben fürchten. Auch der beste albanische Freund ächtet sie jetzt, nicht immer nur aus Hass sondern oft auch nur aus Angst vor anderen Albanern, die ihm das Leben zur Hölle machen würden, wenn sie von möglichen Kontakten erführen. So schweigt man eben und passt sich der Mehrheit an.
Cufaj bringt hier den Vergleich mit der Judenverfolgung. Hier wären weitaus mehr Greueltaten geschehen, aber hätten sich die Juden ebenso grausam gerächt?
Nein, es wurde getrauert und von vorne angefangen. Gäbe es überhaupt eine Rechtfertigung für Rache? Was würde der Umgebrachte wohl dazu sagen ? Hätte er es gewollt?
Sollte man die Toten nicht einfach in Frieden ruhen lassen? Diese Fragen regen den Leser dazu an, sein eigenes ´ICH` heimlich zu überprüfen und eventuell bei der eigenen Nase zu packen.
Ein Gewirr von Traditionen
Cufaj schafft es, eine melancholische Traurigkeit zu erzeugen, die den Leser noch lange gefangenhält, wenn er sich ganz auf das Geschriebene einlassen kann.
Wer Kosova und seine Bewohner kennt, findet sich ganz schnell in einem Gewirr von Traditionen und deren Verflechtungen wieder, von denen die Albaner nur schwer lassen können. Weil sie sich verbissen daran festhalten, die sie nun aber bei einem Neuanfang behindern.
Einen Neuanfang, für den sie doch so stark gekämpft haben ...
In seinen Essays kritisiert er beide Seiten: die Serben für ihr Streben nach Herrschaft, die eigenen Reihen für ihren mit Rache verbundenen Nationalstolz und die Unterstützermächte dafür, dass sie nicht begreifen, dass Albaner mit politischen Debatten überfordert sind. Einfach, weil sie es gewohnt seien, Anweisungen auszuführen. Das Buch spiegelt die chaotischen Zustände und die Sinnlosigkeit mancher großen Taten wider.
"Der geistige Nukleus für ein neues Kosovo"
Das Vorwort schrieb Matthias Rüb, Balkan-Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Auch er hat bereits im November 1999 ein Buch über Kosova und die Ursachen und Folgen für Europa veröffentlicht. Er bezeichnet Beqe Cufaj als "Lyriker", aber auch als einen der "kosovo-albanischen Intellektuellen, denen die serbische Sprache ebenso vertraut ist wie die albanische Muttersprache; die in der Gedankenwelt der Metropolen Italiens, Frankreichs, Deutschlands oder Großbritanniens ebenso zu Hause sind wie in der Lebenswelt ihrer Heimatdörfer. Sie sind der geistige Nukleus für ein neues Kosovo, in dem nicht mehr Gewalt und Trauer im Vordergrund stehen."
Ein Buch, das Spuren hinterlässt
Beqe Cufaj ist es gelungen, ein fesselndes Buch über ein Stück Zeitgeschichte zu verfassen. Gleichzeitig ist es eine selbstkritische Liebeserklärung an seine Heimat, an Land, Leute und deren Traditionen.
Der Leser sollte sich darauf einstellen, dass es mit der Lektüre allein nicht getan ist. Es ist kein Buch, das man nach dem Lesen weglegt und vergisst. Es hinterlässt Spuren.
Alle, die mehr über die ehemals serbische Provinz und ihre Menschen wissen wollen, mehr, als in den Medien berichtet werden kann, sollten es unbedingt lesen.
Beqe Cufaj: "Kosova Rückkehr in ein verwüstetes Land"
Paul Zsolnay Verlag, Wien, 2000, 127 Seiten
25 DM
ISBN 3-552-04971-1
Beatrix von Bothmer ist Sozialpädagogin und arbeitet in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in Germering bei München.