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Putin und Schröder

Das deutsch-russische Gipfeltreffen in Weimar

Autor :  Thomas Mehlhausen
E-mail: redaktion@e-politik.de
Artikel vom: 16.04.2002

Das deutsch-russische Regierungstreffen in Weimar brachte Einigung über langjährige Streitpunkte und Kooperation auf internationaler Ebene. Thomas Mehlhausen analysiert.


Vom 8. - 10. April fand in Weimar das deutsch-russische Regierungstreffen zeitgleich mit dem Petersburger Dialog statt. Damit wurden nicht nur auf Regierungsebene wichtige Themen wie die Transferrubelschulden, Rückgabe der Beutekunst, internationale Sicherheitspolitik und Kooperation besprochen, sondern parallel dazu zwischen deutschen und russischen Vertretern aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Medien Dialoge geführt.

Die Zusammenarbeit beider Länder soll auf allen gesellschaftlichen Gebieten verstärkt werden. Besonders wirtschaftlich besteht von russischer Seite ein großes Interesse: Deutschland ist mit Abstand wichtigster Import- und Exportpartner Russlands.

Langjähriger Streit um Transferrubelschulden beigelegt

Als einer der wichtigsten Vereinbarungen des Gipfels kann die Übereinkunft über die lang umstrittenen Transferrubelschulden Russlands betrachtet werden, die aus den Schulden der ehemaligen Sowjetunion gegenüber der DDR resultieren. Die Finanzminister einigten sich auf eine ratenweise bis 2004 zu zahlende Summe von 500 Millionen Euro. Im Gegenzug erklärte sich die Bundesregierung bereit, die Hermes-Bürgschaft für Russland auf eine Milliarde Euro zu erhöhen. Diese Bürgschaft fungiert als staatliche Versicherung, indem sie die entstehenden Verluste deutscher Unternehmen bei ausbleibenden Zahlungen ihrer ausländischen Geschäftspartner übernimmt.

In Anbetracht der beachtlichen Diskrepanz zwischen den für die bestehenden Transferschulden ursprünglich geforderten 7,2 Milliarden Euro und den nun vereinbarten 500 Millionen Euro drängt sich die Frage auf, warum man sich nun mit weniger als einem Zehntel der Summe zufrieden gibt. Einerseits sind schon viele Milliarden nach Russland in Form von Schuldenerlass und Aufbauhilfe geflossen und die Befürchtung bleibt, dass diese nicht der Gesellschaft, sondern wenigen Eliten der russischen Wirtschaft zu gute kommen. Andererseits könnte man diskutieren, ob nicht die feste Zusage, 500 Millionen zu erhalten, besser ist als die vage Aussicht auf eine weitaus höhere Summe. In Anbetracht der deutschen Haushaltslage bleibt diese Summe jedoch nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Im langjährigen Streitpunkt über die "Beutekunst" wurde ebenfalls ein Kompromiss gefunden: Die 111 berühmten Kirchenfenster aus dem 14. Jahrhundert sollen im Juni an die Marienkirche in Frankfurt (Oder) zurückgegeben werden. Dafür wird Deutschland die Restauration der sogenannten "Walcker-Orgel" im Großen Saal der Sankt Petersburger Philharmonie mit 1,3 Millionen Euro fördern.

Weitgehend Konsens bei internationalen Themen

Positive Signale waren zu Themen internationaler Kooperation zu vernehmen. Russlands Bestrebung, sich künftig der EU stärker zu nähern, impliziert, dass es sich bei umstrittenen Themen wie Pressefreiheit, Menschenrechte und mitunter auch Rechtsstaatlichkeit künftig stärker an EU-Standards orientieren muss. Zudem forderte Putin, die Zusammenarbeit mit der NATO zu erweitern, indem man die Konsultationsrechte in wichtigen Fragen auf "Mitentscheidungsrechte" erweitere. Das könnte den Druck auf die USA verstärken, künftig von militärischen Alleingängen Abstand zu nehmen. Ebenso wie diese Bemühungen unterstützte Schröder das Vorhaben Russlands, der Welthandelsorganisation WTO beizutreten.

In weiteren Problemthemen wie Nahost, Afghanistan, den Kampf gegen den Terrorismus und Abrüstung gäbe es laut Schröder zwischen Russland und Deutschland "ein hohes Maß an Übereinstimmung". Einigkeit bestehe auch darin, dass alle Maßnahmen gegen den Irak die volle Legitimation der Vereinten Nationen erfordern. Zwar wurde das kritische Thema Tschetschenienkrieg nicht gemieden, doch über einen Appell an die Einhaltung der Menschenrechte gingen die Bemühungen nicht hinaus.

Petersburger Dialog

Das zeitgleiche Treffen unter dem Motto "Deutschland und Russland in einer sich neu ordnenden Welt" wurde vor einem Jahr von Schröder und Putin ins Leben gerufen. Zum Ziel setzt sich der unter anderem von dem ehemaligen sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow geleitete Petersburger Dialog, die Zusammenarbeit beider Länder auf wirtschaftlicher, kultureller und wissenschaftlicher Ebene und die gegenseitige politische Einflussnahme zu fördern. Jugendaustausch, Städtepartnerschaften und kulturelle Zusammenarbeit sollen gestärkt werden. Zwar sind die dort getroffenen Vereinbarungen nicht verbindlich, doch immerhin schlossen Firmen beider Länder am Rande des Weimarer Gipfels Geschäftsverträge im Wert von über 1,5 Milliarden Euro.

Die Duzfreunde Gerhard und Wladimir

Offiziell wird die Vereinbarung über die Transferrubelschulden als Erfolg gewertet, womit Schröder offenbar Pluspunkte für den kommenden Wahlkampf sammeln will. Das medienwirksame Treffen bei Boulevard-Moderator Alfred Biolek sollte dazu noch die allzu herzliche und freundschaftliche Beziehung der beiden Staatsmänner unterstreichen. Sollte Schröders Erwähnung des gemeinsam verbrachten Silvesterfests suggerieren, dass seine Fähigkeit, enge persönliche Kontakte mit seinen Amtskollegen zu knüpfen, der oft zitierten seines Vorgängers Kohl nicht nachstehe?

Foto: Copyright liegt bei www.ntvru.com


   

Weiterführende Links:
   Petersburger Dialog im Netz
   Webseiten der Bundesregierung



Leserkommentar von Oliver Adam
am 22.04.2002
Putin Schröder

Wer einem Bettler 100 Euro in die Hand drückt, dürfte kaum Hemmungen haben, ihm die Bedingung zu stellen, seine Hose zu schließen. Wenn eine Regierung 6,7 Milliarden aus Steuermitteln an an einen anderen Staat verschenkt, dürfte mindestens eine klare Forderung zur Durchsetzung von Menschenrechten als Vorbedingung angebracht sein. Eigentlich liegt hier ein Skandal vor, aber lediglich in der ausländischen Presse wurde darauf hingewiesen. In Deutschland scheinen sich die Medien inzwischen an den Politik-Kitsch im Schröder-Stil gewöhnt zu haben.

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