Ochsentour, die 11.: Der „Dreh“ einer Story (22. Mai 2002)
Autor : Alexander Wriedt E-mail: redaktion@e-politik.de Artikel vom: 22.05.2002
Kanzlerkandidat Edmund Stoiber geriet bisher nicht in den Strudel einer Parteispendenaffäre. Schade für die SPD. Von Alexander Wriedt.
Das Ganze ist eine Story. Und jede gute Story hat einen „Dreh“. Der „Dreh“ der folgenden Geschichte geht so:
Vergangene Woche: Karlheinz Schreiber tritt vor die Villa des deutschen Generalkonsulats in Toronto, in der er den weit gereisten Vertretern des Untersuchungsausschusses Geschichten aus seinem Leben und der angeblichen Spendenpraxis der Christlich Sozialen Union (CSU) erzählt hat.
Den Journalisten, die seit Stunden im Nieselregen warten, fällt ein goldenes Herrenhandtäschchen auf. Trägt er in diesem Täschchen vielleicht die Belege, die entscheidenden Beweise über die Verstrickung der Christenpartei in die Parteispendenaffäre der großen Schwester CDU? Schreiber nimmt seine übergroße Brille ab, bevor er vor die Kameras tritt. Dann sagt er: „Auf dem Konto Maxwell, da hat die CSU Parteispenden gebunkert“. Die Medienvertreter hoffen auf eine Nachrichtenbombe. „Wollen Sie damit sagen, die CSU habe ein geheimes und illegales Parteifinanzierungssystem gehabt?“ fragt einer nach. „Ja, natürlich, in der Schweiz, auf Nummernkonten“, sagt der einstige Waffenlobbyist und verschwindet in seinem Geländewagen.
Tags zuvor behauptete Schreiber, dass sich hinter dem Decknamen „Maxwell“ in seinem Notizbuch nicht Max, der Sohn von Franz Josef Strauß verberge, sondern die CSU. Denn „Maxwell“ sei Franz Dannecker, CSU-Präsidiumsmitglied, der jahrelang als enger Vertrauter von Franz Josef Strauß die Finanzen der CSU und der Familie Strauß regelte. Die Staatsanwälte vermuteten bisher, dass Max Strauß etwa fünf Millionen Mark Vermittlungsprovisionen für einen Airbus-Deal nicht versteuert hat. Nach der Aussage Schreibers gehörte dieses Geld zum Kapital der CSU. Und der Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber habe davon gewusst.
Falls das stimmt, wäre Stoiber erledigt. Doch bewiesen ist bisher nichts. Dannecker ist tot und statt Beweise übergab Schreiber den Abgeordneten ein Gedicht von Theodor Storm.
Vor ein paar Tagen noch hätte man die Frage stellen können, ob die CDU-Spendenaffäre sich auf die CSU ausweitet und damit den Kanzlerkandidaten zu Fall bringen könnte. Doch die Sache scheint abgehakt.
Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) kann kein Kapital aus der Affäre schlagen. Schreiber ist eine zwielichtige Gestalt, die schon seit Monaten verspricht, die Republik zu erschüttern. Er ist in Deutschland angeklagt. Er will mit seinen Aussagen Max Strauß entlasten, einen seiner letzten CSU-Freunde. Nur wenn Beweise auftauchen, die belegen, dass Stoiber mit schwarzen Geldern hantierte, könnte es den Genossen nützen. Dann bräuchten sie sich nur bequem zurück lehnen und zuschauen, wie eine Medienfront die Union und damit des Bundeskanzlers derzeit größtes Problem Edmund Stoiber niederwalzt.
Hier liegt zur Zeit der Unterschied zur CDU-Spendenaffäre: Durch die Weigerung Helmut Kohls, die Spender eines illegalen Geldgeschenks zu nennen, blieb der Medien-Zirkus ohne Hilfe des politischen Gegners in Gang. Diese Eigendynamik besteht hier nicht. Vielmehr kann Franz Müntefering froh sein, dass die Bestechungsaffäre der Kölner SPD vorerst ad acta gelegt wurde. Nur, so schnell sich Themen erledigen, so schnell sind sie auch wieder auf der Tagesordnung, wenn den Journalisten ein neuer „Dreh“ einfällt.
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