Der Präsident geht - nach 14 Jahren Krieg
Autor : e-politik.de Gastautor E-mail: redaktion@e-politik.de Artikel vom: 10.07.2003
Juli 2003 - auf Druck der USA erklärte der liberianische Präsident und ehemalige Rebellenchef Charles Taylor seine Bereitschaft zum Rücktritt. Über die Hintergründe des anhaltenden Bürgerkrieges in dem westafrikanischen Land berichtet Martin Schweiger.
Der Amtsvorgänger als abschreckendes Beispiel
Präsident Taylor wird gegenwärtig von zwei Seiten bedroht: erstens von Rebellen und zweitens von der internationalen Staatengemeinschaft.
Erstens: Seit Februar 2000 bekämpft ihn eine neue von Guinea unterstützte Rebellenbewegung, die LURD (Liberians United for Reconciliation and Democracy). Deren Anführer sind Sekou Conneh, ein Schwiegersohn von Guineas Präsident Lansana Conté und Chayee Doe, ein Bruders von Taylors Amtsvorgänger. Eine weitere, von der Elfenbeinküste protegierte Gruppierung, bildete sich Anfang 2003 (MODEL - Movement for Democracy in Liberia). Im Juni 2003 drangen erstmals Rebellen bis in das Zentrum der Hauptstadt Monrovia vor.
Zweitens: Die Vereinten Nationen verhängten seit 2001 mehrere Waffen- und Reisesanktionen gegen Taylor, der Aufständische in Sierra Leone unterstützte. Zudem wurde Taylor am 4. Juni 2003 von dem UN-Sondergerichtshof in Sierra Leone wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt.
Nach fast 14 Jahren Bürgerkrieg mit über 200.000 Toten und zahllosen Verletzten und Traumatisierten bleibt Taylor nur das Exil. Ein letzter Ausweg - nur zu gut kennt er das Schicksal seiner Amtsvorgänger, die blieben. Schließlich waren es Taylors Rebellen, die 1990 seinen Vorgänger Samuel Doe entführten und ermordeten.
Sommer 1990, Liberias Agonie
Die staatliche Ordnung war nach dem Präsidentenmord im Sommer 1990 zusammengebrochen, rivalisierende und völlig enthemmte Rebellenmilizen zogen damals mordend und raubend umher, die Zahl der zivilen Opfer und Flüchtlingsströme in die Nachbarländer stieg stetig, die humanitäre Katastrophe des Bürgerkrieges verschärfte sich. So entschloss sich im Juli 1990 die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS (Economic Community of West African States) zur Entsendung einer regionalen Friedenstruppe, der ECOMOG (ECOWAS Ceasefire Monitoring Group). Afrikanische Staaten unternahmen hier erstmals eigenständig eine multilaterale und humanitär begründete Militärintervention. Die ECOMOG setzte eine Interimsregierung unter dem Politikwissenschaftler Amos Sawyer ein und erzwang bis November 1990 einen Waffenstillstand.
Weitere Kämpfe zwischen Taylors NPFL (National Patriotic Front of Liberia) und einer neuen Rebellenorganisation ehemaliger Anhänger Does, der ULIMO (United Liberation Movement for Democracy in Liberia), sowie die Gefahr einer Ausweitung es Bürgerkrieges in andere westafrikanische Nachbarländer, veranlassten den UN-Sicherheitsrat schließlich zur Intervention. Er verhängte ein Waffenembargo gegen Liberia. International vermittelte Friedensgespräche führten am 25. Juli 1993 zum Friedensabkommen von Cotonou. Der UN-Sicherheitsrat setzte daraufhin im September 1993 eine UN-Friedenstruppe, die UNOMIL (UN Observer Mission in Liberia) ein, die den Friedensvertrag überwachen und für März 1994 vorgesehene Wahlen verifizieren sollte. Aufgrund erneuter Kämpfe zwischen den Bürgerkriegsparteien konnten die Wahlen erst am 19. Juli 1997 stattfinden.
In den als frei und fair bezeichneten Wahlen setzte sich Taylor gegen zwölf weitere Kandidaten durch und erhielt über 75 Prozent der Stimmen. Die Angst der Bevölkerung, dass der mächtige Warlord Taylor eine Wahlniederlage blutig anfechten würde, begünstigte indes seinen Wahlerfolg.
Langjährige Konflikte zwischen den Volksgruppen
Der derzeitige Konflikt geht aber nicht nur auf Machtkämpfe rivalisierender Rebellen zurück. Er hat seine tiefere Ursache in den Konflikten zwischen den unterschiedlichen Volksgruppen des Landes. Liberias Bevölkerung teilt sich in 18 ethnische Gruppen auf, relevant sind für den aktuellen Konflikt: die Americo-Liberianer, die 2,5 Prozent der Bevölkerung ausmachen und Nachfahren der ehemaligen amerikanischen Sklaven sind, welche die Republik 1847 gründeten; die Krahn, welche fünf Prozent der Bevölkerung stellen; die Gio und Mano, die neben anderen die Bevölkerungsmehrheit sind.
Präsident Charles Taylor ist ein Americo-Liberianer. Der von seinen Rebellen ermordete frühere Präsident Samual Doe gehört zu den Krahn. Doe hatte 1980 selbst in einem blutigen Putsch die damalige Regierung unter dem amerikanisch-stämmigen William Tolbert gestürzt. Seit Gründung der Republik Liberia übernahm damit erstmals ein Einheimischer die Macht. Die Regierungszeit Does war geprägt von einem korruptem politischen Klientelsystem, wirtschaftlicher Degression und ethnischen Pogromen gegenüber den Gio und Mano. Does Rückhalt in der Bevölkerung sank daher zunehmend. Trotzdem überstand der verhasste Despot Doe mehrere Putschversuche, bis er von einer Splittergruppe des Warlords Taylors, unter der Führung des heutigen Priesters Prince Johnson, am 9. September 1990 grausam hingerichtet wurde.
Bilder: entnommen aus dem World Factbook 2002 der CIA
Kommentar zum Thema:
Nach Jahren der Gewalt – Hoffnung auf Frieden in Liberia?
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Weiterführende Links:
UN-Mission in Liberia (UNOMIL)
Amnesty International zu Liberia
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