Das Ende zweier Antagonisten
Der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt hatte sich persönlich und mit viel Engagement für den Doppelbeschluß und seine Umsetzung eingesetzt. Die aufkeimende Debatte, Europa aus dem Schutzbereich der USA zu entlassen und letztlich nur noch als Planungsregion für strategische Kriegsszenarien zu betrachten, mag ihren Teil zu Schmidts Engagement beigetragen haben. Seine Politik schürte jedoch die Angst in der Bevölkerung vor einem atomaren Krieg und weckte Überlebensängste, die Millionen Menschen zu Massenkundgebungen der Friedensbewegung auf die Straße trieben.
Die Regierung Schmidt war 1982 angesichts von Problemen wie Massenarbeitslosigkeit und Staatsverschuldung am Ende, und verlor jetzt den Koalitionspartner FDP an die Union. Der Bundestag stürzte Kanzler Schmidt und wählte Helmut Kohl zum neuen Bundeskanzler, der sich die Gunst der Stunde, bzw. die Missgunst der Wähler zu eigen machte und mit Hilfe von Neuwahlen die Mehrheit der neuen schwarz-gelben Parlamentsmehrheit auf ein komfortables Maß vergrößerte.
Die Wähler waren enttäuscht von der SPD und ihrem Kanzler Schmidt: Erstere war zerrissen zwischen Friedensbewegung und Nachrüstung, letzterer wurde als verantwortlicher Drahtzieher der Nachrüstung gesehen.
Arroganz der Macht
An der Politik änderte das nichts. Der Bundestag machte kurz nach den Neuwahlen 1983 die Umsetzung des NATO-Doppelbeschlusses zum Gesetz und löste eine riesige Welle des Protestes aus. Die Zentralen der Macht in Bonn blieben unbeeindruckt von der größten Massenbewegung der in der Geschichte der Bundesrepublik. Der Referent des damaligen Bundesinnenministers ließ sich sogar zu folgendem Satz hinreißen: "Die demonstrieren, wir regieren."
Ob die Friedensbewegung an der ideologischen Radikalisierung zerbrach, an der Enttäuschung der Menschen, auch in Massen nichts gegen die hohe Politik erreichen zu können, von ihren Volksvertretern nicht vertreten zu werden, oder ob sie an der Arroganz der Mächtigen scheiterte, bleibt dahingestellt. Der Spiegel stellte 1983 zwei Wochen vor der Abstimmung über die Nachrüstung schon Resignation und an anderen Stellen zunehmende Gewaltbereitschaft fest, und die Friedensaktivisten wettern gegen "das ganze Schweinesystem". Der NATO Doppelbeschluß markierte den politischen Niedergang Helmut Schmidts und an seiner Umsetzung ging ironischerweise auch die durch ihn belebte Friedensbewegung zu Grunde. Das präsente Volk verschwand.
Realität und Hoffnungen
Als die Verhandlungen zwischen den USA und der Sowjetunion 1983 schließlich scheiterten, setzten die Bündnispartner pünktlich zum Termin die Stationierung der Mittelstreckenraketen in die Tat um. Daran konnten auch Demonstranten nichts rütteln, die sich quasi in letzter Verzweiflung vor die US-Stützpunkte ketteten, um die Anlieferung der Raketen zu verhindern. Angst und Resignation machte sich breit.
Das war auch in den Büchern Intellektueller spürbar, wie dem des eingangs erwähnten Berthold Meyer von der HSFK. Bücher wie das seine drücken weniger in ihren wohlformulierten analytischen Appellen, als vielmehr durch persönliche Randnotizen die Stimmung aus, die vor 20 Jahren alle Gesellschaftsschichten durchzog. Friedensforscher Meyer widmet "Atomwaffenfreie Zonen und Vertrauensbildung in Europa" Nina, Steffen und Jens, Hendrik und Felix, "stellvertretend für eine Generation, die noch in Frieden leben soll, wenn meine längst abgetreten ist."
Was bleibt nach 20 Jahren? Vielleicht bloß die Erkenntnis, dass der Zynismus der Macht nicht kleiner geworden. Vielleicht aber auch die schöne Erinnerung, dass zum ersten und einzigen Mal in der Geschichte der Bundesrepublik fast das ganze Volk gemeinsam demonstrierte.
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