Madrid, 08.12.2000: Nach wochenlangen, zähen Verhandlungen entschlossen sich die Chefs der beiden großen Parteien Spaniens, der konservativen PP (Partida Popular, Volkspartei) und der sozialdemokratischen PSOE (Partida Socialista Obrero de España) zu einem gemeinsamen Pakt gegen die Terrorgruppe ETA (Euskadi ta Askatasuna, Freiheit für das Baskenland), deren jüngste Anschläge das Land erneut in Schrecken versetzten. Regierungschef José Maria Aznar, der 1995 beinahe selbst einem Anschlag der Terroristen zum Opfer gefallen wäre, gab bekannt, dass seine Partei, die PP, sich auf einen gemeinsamen Konsens bei den Verhandlungen mit der PSOE einigen konnte. Auch Oppositionsführer Jose Luis Rodriguez Zapatero bestätigte ein von nun an gemeinsames Vorgehen gegen die ETA. Der Pakt besteht im Wesentlichen aus drei Punkten: 1) keine Autonomie für das Baskenland, 2) das Thema Separatismus wird aus dem Wahlkampf gestrichen und 3) Durchführung einer gemeinsamen Anti-Terror-Politik.
Nationale Einheit im Kampf gegen die ETA
Zum Abschluss des Paktes führten der Mordanschlag auf den ehemaligen Gesundheitsminister Ernest Lluch in Barcelona am 21. November, der mit dem 25jährigen Jubiläum der Inthronisation König Juan Carlos zusammenfiel, und die Entschärfung einer drei Kilogramm schweren Bombe im Gerichtssaal von Eibar (Bezirk Bilbao) am 6. Dezember, dem 22. Jahrestag der demokratischen Verfassung Spaniens.
Der Pakt stieß auf erbitterten Widerstand der Regierung des teilautonomen Baskenlandes. Lehendakari (etwa: Chef einer Organisation) Juan José Ibarretxe verurteilte das Bündnis als einen Angriff auf die nationalistischen Bemühungen des Baskenlandes für dessen Unabhängigkeit von Madrid. Auch der Vorsitzende der PNV (Partida Nacional Vasco, baskische Nationalpartei), Xabier Arzalluz, deutete den Pakt als Eskalation zwischen Madrid und der baskischen Regionalregierung.
Bilanz nach einem Jahr Terror: Verhärtete Fronten und 21 Tote
Seit der Aufkündigung des Waffenstillstands durch die ETA im Dezember 1999 fielen 21 Menschen den terroristischen Anschlägen zum Opfer. So viele wie noch nie zuvor in einem Jahr. Offiziell besteht die ETA seit 1959. Die Anschläge begannen im Jahre 1968 als Reaktion auf die immer härteren Repressionen des Franco-Regimes. Franco verbat damals die baskische Sprache und verfolgte das Ziel, die Kultur der Basken zu vernichten, um deren Eingliederung in die spanische Gesellschaft zu erzwingen.
Drogenschmuggel und Entführung für die Unabhängigkeit
Die ETA finanziert sich im Wesentlichen durch Entführungen und Raubüberfälle. Laut neuesten Untersuchungen der Regierung ist sie aber auch in den internationalen Drogenschmuggel involviert - es werden ihr gute Kontakte zu kolumbianischen Drogenkartellen nachgesagt. Darüber hinaus erpresst die ETA seit einigen Monaten auch baskische Geschäftsleute, die eine sogenannte Revolutionssteuer bezahlen müssen. Die Forderungen belaufen sich auf bis zu 20 Millionen Peseten (etwa 230.000 Mark). Populär wurden diese Erpressungen seit der Ermordung des Chefs einer einflussreichen Arbeitgeberorganisation, José Maria Korta, im August dieses Jahres.
Terrorismus: Nationaler Kampf, internationale Kontakte
Strukturell ist die ETA in eine politische Organisation, der Euskal Herritarrok (etwa: baskische Unabhängigkeitspartei) und in eine militärische Sektion aufgeteilt, die über geheime Basen in ganz Spanien verfügt. Sie rekrutiert Terroristen, bildet sie aus, plant Anschläge und führt diese durch. Auffallend ist dabei, dass die ETA immer mehr junge, weibliche Mitglieder hat, die sich durch Brutalität und Kaltblütigkeit auszeichnen. Der gefürchtetste Mann Spaniens ist José Ternera, Kopf der Gruppe. Er soll der Drahtzieher fast aller Anschläge in den 90er Jahren und verantwortlich für den Tod unzähliger Menschen sein. Ternera soll auch Kontakte zur IRA (Irish Republican Army) unterhalten. Ein weit gespanntes Netz von Verbindungen sichert die Versorgung mit Waffen und Sprengstoff. Unklar ist bis heute, wie viele Sympathisanten die ETA weltweit wirklich hat.
Das politische Ziel der ETA ist die Autonomie des Baskenlandes. Ihre Gebietsansprüche umfassen nicht nur das Baskenland selbst, sondern auch die spanische Provinz Navarra sowie Teile der südwestlichen Gascogne (Frankreich). Hauptstadt des unabhängigen Baskenlandes soll Pamplona werden.
Nach der GAL-Affäre ein sauberer Kampf gegen den Terror
Trotz verstärkter Anstrengungen schaffte es die spanische Regierung bis heute nicht, die ETA zu zerschlagen. Für Wirbel im Kampf gegen die ETA sorgte in den 90er Jahren die GAL (Grupo Anti-Terrorista por la Libertad, Antiterror-Gruppe für die Freiheit), deren Mitglieder einen schmutzigen und blutigen Kampf gegen die ETA-Terroristen führten. Im Zuge der Untersuchungen wurde auch ein Mitglied des Parlamentes verhaftet, das für die finanzielle Unterstützung der GAL mit staatlichen Mitteln gesorgt haben soll. Offiziell wurden diese Zahlungen nie bestätigt, dennoch hält sich der Verdacht hartnäckig. Mit dem jüngsten Bündnis gegen die ETA soll eine neue Ära in der Verbrechensbekämpfung eingeläutet werden. Ob dieses Konzept Erfolg haben wird, wird die Zukunft zeigen, Beobachter aus Regierungskreisen bezweifeln jedoch, dass der Pakt zwischen PP und PSOE dauerhaft für Frieden sorgen kann. Dennoch begrüßt die Mehrheit der Bevölkerung Spaniens das Bündnis.