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Italien wählt

Autor :  Roman Maruhn
E-mail: rmaruhn@e-politik.de
Artikel vom: 10.05.2001

Roman Maruhn analysiert das Wahlergebnis in Italien schon vor der Wahl.


Italien lässt sich nicht vergleichen mit der Bundesrepublik Deutschland. Auf der Apenninenhalbinsel versagen die mitteleuropäischen Maßstäbe für politische Stabilität oder manchmal auch für politische Kultur allgemein.

Nanni Moretti, Italiens berühmter zeitkritischer Filmemacher, beschreibt das Land wie es ist - und Italien lacht. Eine Szene - hier sinngemäß wiedergegeben - aus seinem Film "Aprile": 1994 - Berlusconi hat die Wahl gewonnen. Moretti trifft einen befreundeten französischen Journalisten in einem römischen Café. Dieser fragt: "Aber eine Sache verstehe ich nicht: Ein Mann, der drei Fernsehsender besitzt wird bei Euch Ministerpräsident. Habt Ihr kein Antitrust-Gesetz?"

Nanni Moretti, selbst ein überzeugter Linker, wird verlegen: "Doch schon. Wir haben ein Antitrust-Gesetz." Der französische Journalist hakt nach: "Unglaublich, an Eurer Regierung ist eine Partei beteiligt, die neofaschistisch ist. In Frankreich wäre das undenkbar." Nanni Moretti, jetzt noch wesentlich unruhiger: "Ja, aber sie haben sich geändert ..."

Das Schlimmste ist überstanden

Geht alles nach den alten Regeln, kann man ganz ruhig bleiben. Wenn Berlusconi seinen ersten Tag als Ministerpräsident verbracht hat, müsste er eigentlich auch schon die längste Zeit Italiens Geschicke, so weit das überhaupt möglich ist, bestimmt haben. Es sollte doch alles wie 1994 ablaufen.

Berlusconi strahlt als Politiker, ist wahnsinnig glücklich über sich selbst und weiß, das Italien den bestmöglichen Regierungschef hat. Ein bisschen später kommt es zu Spannungen zwischen seinen separatistischen und zentralistischen Koalitionspartnern.

Berlusconi muss gar nicht groß regieren, sondern ist bemüht, "bella figura" zu machen. Und dann, so im Schnitt spätestens nach einem halben Jahr, meldet sich irgendeine Staatsanwaltschaft, die ihn in der Folge lieber vor Gericht als an der Spitze der italienischen Staatsverwaltung sehen will. Berlusconi tritt zurück und eine erfolgreiche Regierungszeit ist geschafft.

Eine Rechnung ohne Europa

Dass Berlusconi sich diesmal inneritalienisch aus der Affäre ziehen kann, ist aber zu bezweifeln. Zu gut erinnern wir uns alle an die EU-Sanktionen gegen die Regierungsbeteiligung der FPÖ in Wien. In der Performance zwar nicht ganz durchschlagend, erzwangen aber Österreichs 14 EU-Partner schließlich doch noch die Anpassung der FPÖ an rechtstaatliche Werte. Couragierte deutsche Touristen sagten kurzerhand ihren Urlaub in Austria ab - Wien beugte sich dem öffentlichen Druck der Europäischen Union.

Gut auch, dass Bundeskanzler Schröder damals den Kampf für demokratische Werte nicht nur auf Österreich beschränkte. Mit Freude lesen wir wieder das Schröder-Interview der "Zeit" aus dem Februar 2000, das - Gott sei Dank - auch im "Corriere della Sera" vom 17. Februar 2000 veröffentlicht wurde. Gott sei Dank, weil die "Zeit" dieses Interview scheinbar nicht in ihr Web-Archiv stellte, die große Mailänder Zeitung aber schon.

Und da heißt es nach vielen Betrachtungen über die damalige Formkrise der CDU unter anderem auf die Frage, ob sich die EU nun auch in die italienische Innenpolitik einmischen würde: "Ja, sie müsste es, wenn die Neofaschisten erneut an der Regierung beteiligt würden." Aha, Herr Schröder! Jetzt wird es unangenehm. Der größte Berlusconi-Gegner sitzt zur Zeit im größten Bundeskanzleramt im größten Berlin.

Naiv-blauäugiger Journalismus oder einfach nur mal nachgefragt?

Die e-politik.de-Redaktion hat natürlich nachgefragt und am 5. April eine E-Mail an das Bundespresseamt geschickt. Umfangreiche Fragen wurden gestellt:

  • Wie würde die Bundesregierung bzw. im Zusammenspiel mit der EU im Falle eines Wahlsieges Berlusconis reagieren?
  • Ist eine Regierungsbeteiligung der "Alleanza Nazionale" (das ist die oben genannte neofaschistische Partei) für die Bundesregierung akzeptabel?
  • Ist die Regierungsbeteiligung der "Lega Nord" - das sind die Haider-freundlichen Separatisten Norditaliens - für die Bundesregierung akzeptabel?
  • Bestünden Parallelen zwischen einer Regierung Berlusconi und der österreichischen FPÖ-ÖVP-Koalition?

e-politik.de stellte auch noch andere Fragen, die aber nicht ganz so aufregend waren. Und dann die Antwort vom 9. April eine Sprecherin des Bundespresseamtes (an dieser Stelle ein Dank für die schnelle Bearbeitung!): "(...) Leider sehe ich mich außerstande, Ihre umfangreichen Fragen zu beantworten. Meine Bitte und mein Vorschlag ist deshalb, zunächst das Ergebnis der italienischen Wahlen abzuwarten. Danach können Sie den Medien entnehmen, ob und wie die Bundesregierung deren Ergebnisse und Auswirkungen kommentiert." Na toll!

War das einfach nur ein schlechter Montag im Bundespresseamt? Werden alle Anfragen von Medien mit dem Hinweis beantwortet, Regierungshandeln den Medien zu entnehmen? Wurde e-politik.de abserviert? Hat das Bundespresseamt vielleicht seine Abteilung für elektronische Medien in ein Billig-Call-Center nach Irland ausgesourct? Oder ist e-politik.de einem äußerst schlechten Ausweichmanöver der Bundesregierung auf der Spur?

Ein Wahlsieg Berlusconis mit seinen dubiosen Partnern scheint möglich und das Bundeskanzleramt scheint seine Äußerungen vom Februar vergangenen Jahres vergessen zu wollen.

Nachhilfe in italienischer Politik

Spaß, wo Spaß angebracht ist. Jetzt geht es aber an die Analyse. Was erwartet uns unter einer Regierung Berlusconi?

Die "Alleanza Nazionale" (AN) ist auf alle Fälle eine postfaschistische Partei. Das heißt, dass sie ihre historische Wurzeln im Movimento Sociale Italiano (MSI), dem Nachkriegssammelbecken von Mussolinis Partei PNF (Partito Nazionale Fascista) hat.

Allerdings hat diese Partei tatsächlich eine Wandlung durchgemacht und ist in ihrer Mehrheit nicht als neofaschistisch zu bezeichnen. Die AN ist auf alle Fälle eine rechtskonservative zentralistische Law-and-Order-Partei, aber zumindest weitgehend unbeteiligt an dem korrupten Regierungssystem der Nachkriegszeit gewesen.

Die Lega Nord (LN) unter Umberto Bossi ist ebenfalls eine recht neue politische Kraft: Höflich umschrieben könnte man sie als extrem-föderalistisch bezeichnen. Ansonsten ist sie eine separatistisch-populistische Sammlungsbewegung, die immer noch danach trachtet parallele staatliche Strukturen aufzubauen, um sich und einen Teil Norditaliens unabhängig zu machen. So weit also auch eine halbwegs berechenbare politische Kraft.

Am unklarsten und damit auch gefährlichsten bleibt Forza Italia (FI), Berlusconis persönlicher Wahlverein. Kernstück dieser Bewegung sind Werbeagenturen, Berlusconis MediaSet-Konzern, eine Parteihymne, immense Wahlkampfgelder, eine ehemals christdemokratische Wählerschaft und unklare Verbindungen zu den Protagonisten des alten und korrupten Italiens. Und gerade diese Partei hat die Europäische Volkspartei, zur der auch die CDU gehört, mit offenen Armen in ihren Reihen aufgenommen.

Wenn Gefahr für Italien unter einer Regierung Berlusconi droht, dann ist sie in ihm persönlich, seiner Vorgeschichte und seinem Konzern zu suchen. Warum will Berlusconi Ministerpräsident werden?

Wäre in seinem Betrieb alles tatsächlich so glänzend, wie er es darstellt, könnte er ein angenehmes Leben als reichster Mann und größter Medienunternehmer Italiens führen. Aber irgendetwas scheint nicht zu stimmen und Berlusconis einzige Rettung scheint in der Politik zu liegen. Wachsamkeit ist angesagt.

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