Stärke und politische Alternativen als Erfolgsformel
Autor : Maria Pinzger E-mail: redaktion@e-politik.de Artikel vom: 08.02.2003
Deutschlands Standpunkt zu den amerikanischen Plänen im Irak und ein leidenschaftliches Plädoyer für das Zusammenspiel von UNO und den USA für eine politische Ordnung im 21. Jahrhundert - die Rede von Außenminister Joschka Fischer. Von Maria Pinzger
Unter alten Freunden kann man alles sagen und alles diskutieren. Mit dieser Feststellung begann Bundesaußenminister Joschka Fischer seine Rede und Antwort auf die vorhergegangenen Ausführungen des US-Außenministers Donald Rumsfeld. Die Dinge müssten im transatlantischen Verhältnis nun "auf den Punkt diskutiert werden".
Das entscheidende Datum sei der 11. September 2001, so Fischer, und Deutschland habe die Gefühle, die Wut und die Sorge Amerikas geteilt und teile sie immer noch. Doch müsse man im Verhalten nach den Terroranschläge ernste Fragen über die Strategie und das Vorgehen stellen.
Es gehe nicht um eine neue pazifistische Positionierung der Bundesrepublik Deutschland, wenn die sich gegen einen Krieg gegen den Irak stelle. "Unsere Regierung hat in den letzen Jahren 3 Mal gezeigt, im Kosovo, in Mazedonien und in Afghanistan, dass sie bereit ist, sich militärisch für Menschenrechrechte zu engagieren".
Der Unterschied dieser militärischen Einsätze zu einem eventuellen Engagement im Irakkonflikt liege aber darin, dass bei den vergangenen und noch bestehenden Engagements eine politische Perspektive sichtbar gewesen sei. Und eben darin liege die einoge Möglichkeit, Konflikte zu lösen: Im Zusammenspiel von Stärke und politischen Visionen.
An erster Stelle bei der Ordnung nach dem 11. September stehe die Bekämpfung der "asymmetrischen Bedrohung", die der Terrorismus darstelle, machte Fischer klar. Die Welt habe sich in einem dreidimensionalen politischen Raum, in dem globale Konflikte, regionale Auseinandersetzungen und das Problem der zusammenbrechenden Staaten eine Rolle spielten, wiedergefunden. Um Sicherheit und Stabilität zu garantieren, müsse man auf allen 3 Ebenen mit Stärke und politischen Lösungen agieren.
Irak die falsche Priorität
Außer Frage stehe, dass die Bekämpfung des Taliban-Regimes in Afghanistan und die Zerschlagung des Al-Quaida-Netzwerkes die einzige Möglichkeit sei, den Terrorismus wirksam zu bekämpfen.
Fischer machte aber auch seine Überzeugung deutlich, dass der Einsatz in Afghanistan noch lange nicht beendet sei. Um eine stabile Ordnung am Hindukusch errichten zu können, sei ein jahrzehntelanges Engagement von Nöten, ansonsten drohe ein Wiedererstarken des Terrorismus in der Region und unter Umständen auch die territoriale Verbreitung von Massenvernichtungswaffen "Wir dürfen uns keinen Illusionen hingeben, wir stehen erst ganz am Anfang." Die größte Prioritätensetzung müsse eindeutig auf der Bekämpfung des Terrorismus und der Al-Quaida liegen, da der islamische Terrorismus die größte Gefahr darstelle und nicht Saddam Hussein.
Lange sei es schon bekannt, dass Hussein ein "brutaler Diktator" sei und danach strebe, Massenvernichtungswaffen zu besitzen. "Warum er aber nun oberste Priorität genießt, leuchtet mir nicht ein," kritisierte Außenminister Fischer die Amerikaner deutlich. Er stellte an die Amerikaner die Frage, ob man schon an dem Punkt sei, dass Krieg die einzige Lösung sei, um den Konflikt mit dem Irak zu lösen. Joschka Fischer unterstrich leidenschaftlich, dass seiner Meinung nach noch nicht alle politischen Mittel ausgereizt seien, um ohne Gewaltanwendung das Regime Saddam Husseins zu stürzen. Er sei nicht überzeugt von den Begründungen der USA und er könne nicht in seiner Funktion in der Öffentlichkeit sagen und vorgeben, dass er an den amerikanischen Lösungsweg glaube. Nach der UN-Resolution 1441 sei der Irak so kontrolliert wie noch nie zuvor und Saddam Hussein müsse nun völlige Kooperation mit den UN zeigen. Fischer betonte zum Abschluss seiner Rede aber, dass man das Risiko eines Krieges gegen den Irak mit dem Risiko, das der Irak derzeit darstelle, abwägen müsse. Er persönlich sei noch nicht davon überzeugt, dass alle Mittel einer friedlichen Lösung ausgeschöpft seinen.
Die Strategiediskussion über das Vorgehen gegen den Irak hätte im NATO-Bündnis geführt werden müssen und Fischer betonte, dass er noch keine zufriedenstellende Antwort darauf bekommen habe, warum es nicht geschehen sei.
Die Lösung, die Joschka Fischer gewünscht hätte
Er stimme mit der Meinung der amerikanischen Regierung überein, dass in der islamisch arabischen Welt ein Krisengürtel entstanden sei, der zu Ordnungsverlusten geführt habe. Über das "Wie" der Neuordnung bestehe aber eine Differenz und Diskussionsbedarf.
Joschka Fischer stellte seine Wunschlösung des Konfliktes im arabischen Raum dar: Nach der Bekämpfung des afghanischen Taliban-Regimes und der Al-Quaida hätte die saudische Friedensinitiative für den israelisch-palästinensischen Konflikt durchgesetzt werden müssen. Durch in Schwung bringen des Friedensprozesses hätte sich ein ganz anderes Umfeld in der Region entwickelt und mit der Unterstützung der irakischen Nachbarstaaten wäre eine andere Lösung als Krieg möglich gewesen. Aber ein solches Vorgehen sei nun "verschüttete Milch", so Fischer.
Kein Antiamerikanismus aber Diskussionsbedarf für den Frieden
Fischer machte klar, dass die Haltung Deutschlands kein Antiamerikanismus sei oder Deutschland gar aus den Bündnissen austreten wolle. Der einzige Dissens zwischen den USA und der Bundesrepublik bestehe derzeit im Einsatz von Waffen gegen das irakische Regime.
Weitergehend müsse man den Dialog und die Diskussion zwischen Europa, der NATO und den USA verstärken. Als Beispiel nannte Joschka Fischer die Strategie der Präventivschlage. Sollte es sich dabei um eine längerfristige Strategie handeln, müsse mit den NATO-Partnern darüber geredet werden, damit diese sich darauf einstellen könnten. Und um zu klären, ob es allgemein verbindliche Regeln gebe oder ob nur die USA die Strategie für sich benutzten.
Direkt an Donald Rumsfeld gewandt betonte Fischern noch, dass Frankreich und Deutschland auf kleinster Weise die USA herausfordern wollten. Ein solches Verhalten wäre falsch. Fischer stellte aber auch seine Überzeugung dar, dass nur durch ein Zusammenspiel der Vereinten Nationen und der USA Friede möglich sei. Die Erfolgsformel für die Ordnung im 21. Jahrhundert laut Fischer ist: Rolle der UNO und die Macht der USA ("Der Mutter der Demokratie").
|
|
|
|