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e-politik.de - Home  Brennpunkt  Europa   Bulgarien


Simeon II

Quasi-Monarchie oder Reform-Demokratie?

Autor :  Florian Bergmann
E-mail: redaktion@e-politik.de
Artikel vom: 20.10.2001

Knapp vier Monate sind vergangen, seitdem das bulgarische Volk seinen ehemaligen König zum Regierungschef gewählt hat. Florian Bergmann über den Bürgerkönig von Sofia und balkanische Dynastien.


In Bulgarien kam im 19. Jahrhundert auf Wunsch der europäischen Großmächte eine Linie aus dem deutsch-englischen Haus Sachsen-Coburg-Gotha an die Macht und hielt sich bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs auf dem Thron. Geboren 1937, folgte Simeon II als erst Sechsjähriger seinem ermordeten Vater Boris III als Zar nach bis 1946 ein von den sowjetischen Besatzern manipuliertes Plebiszit die Monarchie abschaffte.

Im spanischen Exil studierte Simeon Betriebswirtschaft, wurde Unternehmer und heiratete eine adlige Spanierin. Heute hat er fünf Kinder und spricht sechs Sprachen. Simeon Sakskoburggotski, wie er bürgerlich genannt wird, blieb seinem Land in der Ferne treu und fühlte sich zu Höherem berufen. Seit 1996 kam er zu mehreren Besuchen nach Bulgarien, bei denen jedes Mal Massen-Sympathiebezeugungen seinen Weg säumten.

Erdrutschartiger Sieg

Dies machte er sich zunutze und bewarb sich zunächst um eine Präsidentschaftskandidatur. Hier wurde er nicht zugelassen, da er sich zu lange im Ausland aufgehalten hatte. Zur Gründung seiner Wahlvereinigung "Nationale Bewegung für Simeon II" gerade mal zwei Monate vor der Parlamentswahl im Juni 2001 musste sich Simeon aus rechtlichen Gründen der Unterstützung mehrerer zugelassener Parteien versichern. Entsprechend bunt besetzt ist nun seine weitgehend unerfahrene Parlamentariermannschaft: da findet sich die Feministin neben dem Fotomodell, der armenischstämmige Zauberer neben dem Geheimdienstmitarbeiter wieder. Wie weit sie alle ihre ganz persönlichen Interessen verfolgen werden, bleibt abzuwarten.

Die Nationale Bewegung erreichte aus dem Stand fast die absolute Mehrheit und krempelte die Parteienlandschaft gehörig um. Simeon ("Glaubt mir!"), der sich nicht um einen Sitz im Parlament beworben hatte, zögerte selbst einige Zeit, bis man ihn endlich zur Übernahme des Ministerpräsidentenpostens überreden konnte. Er holte - ein Novum - die Partei der türkischen Minderheit DPS (immerhin zehn Prozent der Bevölkerung) ins Kabinett und entgegen aller Erwartungen auch die Ex-Kommunisten von der BSP. Simeons Partei hält die Hälfte der 240 Parlamentssitze, die beiden Partner bringen noch 21 dazu. Die bürgerliche Ex-Regierungspartei ODS ist gegen die DPS-Beteiligung, der sie Geheimdienstaffären und Blockadepolitik nachsagt. Man will die Regierung aber im Parlament unterstützen.

Ambitionierter Balkan-Adel

Doch Simeon ist nicht der einzige Vertreter des Hochadels vom Balkan, der wieder ins öffentliche Licht rückt. Lek Zegu versuchte sein Glück zuletzt 1997 in Albanien und scheiterte. Kronprinz Aleksandar von Serbien darf seit Juli 2001 wieder in seinen Belgradern Gemächern wohnen und will künftig als "einigende Figur" verstanden werden. Michael Hohenzollern von Rumänien, der 1947 abdanken musste, durfte dieses Jahr als offiziell anerkanntes Ex-Staatsoberhaupt mit allen Ehren zurückkehren, hat allerdings nach eigenen Angaben keine politischen Ambitionen mehr. In Bulgarien ist eine Wiedereinführung der Monarchie in konstitutioneller Form nicht beschlossen, ob sie überhaupt auf der Tagesordnung steht, fällt als Beobachter schwer zu sagen. Simeon II, der sich gerne mit "Majestät" anreden lässt, sieht zumindest seine Priorität angeblich nicht in der Monarchie, sondern in der "Rettung des Landes".

Wirtschaftsanierung als Hauptziel

Über die Hälfte der Bulgaren lebt unterhalb der Armutsgrenze, das Land steht wirtschaftlich am schlechtesten unter allen EU-Beitrittskandidaten. Die Misswirtschaft der Sozialisten nach der Wende konnte auch die bürgerliche Regierung Iwan Kostow mit ihrem rigorosen Kurs nur geringfügig wiedergutmachen. Im Gegenteil: die Inflation florierte wie noch nie zuvor. Die enttäuschte Bevölkerung setzt deshalb beinahe blind auf eine Retterfigur wie Simeon. Der holte sich Bulgaren, die im Ausland bei Finanz- und Beratungsinstituten Karriere gemacht haben und die jetzt auf politische Ämter im Heimatland hoffen; sie sollen helfen, eine radikale Steuer- und Wirtschaftsrechtsreform auf den Weg zu bringen und innerhalb von 800 Tagen - so Simeons Wahlversprechen - die Lage des Landes deutlich verbessern.

Die Ziele der neuen bulgarischen Regierung bleiben schwammig und schwer realisierbar. Eine radikale Steuersenkung träfe auf die Gegenwehr des Internationalen Währungsfonds, der lieber die Inflation gesenkt sehen würde. Das angestrebte Null-Haushaltsdefizit lässt sich in Verbindung mit den dazu nötigen höheren Sozialabgaben und zwangsläufig steigenden Lebenshaltungskosten schwerlich mit dem Versprechen nach mehr Wohlstand vereinbaren. Doch momentan wirkt einfach der "Saxe-Appeal" (Anspielung der britischen BBC auf Simeons Abstammung) des neuen Ministerpräsidenten mehr, der sich berufen fühlt, das Land ins 21. Jahrhundert zu führen.

Das Vertrauen richtig nutzen

Der Wahlerfolg lässt sich als Protestvotum werten, der ins Ungewisse führt. Simeon muss nun eine feste Hand walten lassen, um der Verwirklichung seiner Versprechungen langsamen, aber sicheren Schrittes näher zu kommen. Er muss das Land, das bislang als Stabilitätsanker der Region und vor allem bei den USA als NATO-Beitritts-Musterknabe galt, weiter an den Westen heranführen, um dem Reformprozess mehr Stabilität zu verleihen. Dafür würde sprechen, dass er sich selbst als "bodenständig" und "sorgfältig" bezeichnet. Und wie meinte Bulgariens Präsident Petar Stojanow unlängst so treffend: "Der Vorteil des Königs liegt darin, dass er bislang noch nicht die Möglichkeit hatte, die Bulgaren zu enttäuschen." Doch was wäre, wenn dieser Vertrauensvorschuss einmal ungenutzt aufgebraucht ist?


   

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