Ein Parteienverbot ist eine heikle Angelegenheit. Das weiß man auch in Spanien. Und dass gerade deshalb die gesetzliche Grundlage für ein solches Vorhaben einwandfrei sein muss, ist spanischen Politikern und Verfassungsrechtlern ebenfalls bewusst. Daher wurden zwei Monate lang Experten befragt. Abgeordnete diskutierten in Arbeitsgruppen, Ausschüssen und schließlich auch im Plenum, zuweilen tumultartig. Der Grund: Die Gesetzesänderung hat zum Ziel, die radikalnationalistische baskische Batasuna (Einheit) zu verbieten, die seit über zwanzig Jahren die spanische politische Szene ein ums andere Mal zu polarisieren versteht.
Zielobjekt Batasuna
Batasuna steht im Verdacht, in enger Verbindung zur baskischen Terrororganisation Euskadi Ta Askatasuna (Baskenland und Freiheit), auch bekannt als ETA, zu stehen. Über ein Verbot von Batasuna wird seit Jahren gestritten. Bisher überwogen stets die Bedenken. Entschlossenheit legt nun vor allem die konservative Regierung an den Tag.
In den Diskussionen in den Parlamentsgremien zeigten sich vor allem alte Differenzen zwischen den bis 1996 regierenden Sozialisten und den heute regierenden Konservativen. Beide streiten seit Jahren darüber, wer das effektivere Vorgehen in der Terrorismus-Bekämpfung im Programm habe. In ihrer prinzipiellen Ablehnung Batasunas sind sie sich jedoch einig.
Letztlich brauchten die "Populares" von Ministerpräsident José María Aznar die parlamentarische Opposition gar nicht, um das Gesetz durch die Cortes, das spanische Zweikammernparlament zu bringen. Seit den letzten Wahlen von 2000 verfügt die PP über die absolute Mehrheit der Sitze sowohl im Kongress als auch im Senat. Am 27. Juni 2002 hatten schließlich alle Streitereien ein Ende und das neue Parteiengesetz trat nach seiner Verabschiedung in beiden Parlamentskammern in Kraft.
Die neuen Inhalte
Nicht umsonst wird das Gesetz in der spanischen Öffentlichkeit gerne als "Lex Batasuna" tituliert. In Zukunft soll es geahndet werden können, wenn Parteien Kandidaten für Wahlen nominieren, die auf Grund ihrer Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation oder ihrer Kooperation mit einer solchen vorbestraft sind. Dies trifft die Partei hart, über 400 ihrer Mitglieder saßen seit den achtziger Jahren im Gefängnis. Auch Ehrungen für Terroristen, übliche Praxis in Kommunen, in denen Batasuna regiert, können von nun an zum Parteiverbot führen.
Initiiert werden kann ein Verbotsverfahren von der spanischen Regierung oder aber 50 Abgeordneten oder Senatoren. Das Verfahren selbst findet vor dem Obersten Gerichtshof statt.
Widerstand aus dem Baskenland
Die schärfste Kritik an der Reform des Parteiengesetzes kommt von Seiten der Partido Nacionalista Vasco (Baskisch-Nationalistische Partei, PNV), der einflussreichsten Kraft im autonomen Baskenland. Sie stellt den regionalen Ministerpräsidenten und darüber hinaus zurzeit sieben Kongress-Abgeordnete sowie sechs Senatoren.
Auf den ersten Blick ist der Widerstand der PNV durchaus überraschend: Zwischen der gemäßigt nationalistischen PNV und der radikalen Batasuna bestehen keine offiziellen Verbindungen. Auch hatte der baskische Ministerpräsident Juan José Ibarretxe gerade in letzter Zeit verstärkt gegen Gewalt als Mittel der Politik gewettert und nicht nur ETA, sondern auch Batasuna für den notorisch schlechten Zustand im Baskenland verantwortlich gemacht.
Dennoch scheinen sich beide Parteien nicht nur darin einig zu sein, den autonomen Status, den das Baskenland seit über zwanzig Jahren genießt, auszuweiten und mehr Selbstbestimmungsrechte zu erhalten. Es scheint auch, als würden alle baskischen Nationalisten, radikale wie gemäßigte, immer dann näher zusammenrücken, wenn eine Entscheidung des spanischen Zentralstaates in die Belange der Region und des regionalen politischen Systems eingreift.
Das nationalistische Trauma
In diesen Augenblicken kommt das alte baskisch-nationalistische Trauma zum Tragen: Die Vorstellung, das Baskenland befinde sich seit Jahrhunderten in einem ständigen Kampf mit dem ihm feindlich gesonnenen Spanien. Trotz Autonomiestatut, das erhebliche Kompetenzen in Gesetzgebung und Verwaltung sowie eine weitreichende finanzielle Selbstständigkeit garantiert, wird der spanische Staat von baskischen Nationalisten jeglicher Couleur für die anhaltende Krise verantwortlich gemacht.
Seit der Gesetzesreform gehen in den baskischen Städten die Menschen zu Tausenden auf die Straße. Führende PNV-Vertreter beschwören die Gefahr einer Spaltung der Gesellschaft. Nicht zuletzt daher ist noch nicht abzusehen, ob es zu einem Verbot kommen wird. Sicher ist hingegen: Zu einer Beruhigung der traditionell angespannten Beziehungen zwischen der baskischen Regionalregierung und Madrid einerseits, sowie zwischen den nationalistischen und den oppositionellen nicht-nationalistischen Kräften in der Region andererseits, hat die Reform des Parteiengesetzes nicht beigetragen.
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