Vorgeschichte:
Der heutige Mensch ist nach Rousseaus Meinung viel zu vergesellschaftlicht, um aus seinem Verhalten den Naturzustand ableiten zu können. Das ist auch der Denkfehler, den Rousseau Hobbes vorwirft: Er hätte den heutigen Menschen genommen und daraus einen Naturzustand gebildet. Rousseau versucht nun herauszufinden, wie der Mensch vor der Gesellschaft gewesen sein könnte, und nicht, wie er ohne die Institutionen der Gesellschaft handeln würde.
Der Mensch im Naturzustand
Rousseau orientiert sich anhand von Reiseliteratur aus fernen Ländern (Afrika), um aus diesen Völkern den Naturzustand abzuleiten. Der Mensch im Naturzustand ist körperlich schnell, gesund und zäh, also in einer naturbestimmten Umgebung überlebensfähig. Er ist selbstgenügsam (im Gegensatz zu Hobbes´ Mensch), der einzelne Mensch lebt autark.
Ihn interessiert Zukunft nicht, ihm reicht das Leben in der Gegenwart. Bei Thomas Hobbes ist die Zukunft immer ungewiß, aber die Zukunftsvorstellung ist nicht nur vorhanden, sie führt auch zu dem Misstrauen den anderen gegenüber.
In Rousseaus Naturzsutand hat der Mensch drei Haupteigenschaften:
- Selbstliebe (amour de soi) - der Mensch versucht zu überleben, bezieht sich nur auf sich selber;
- Mitleid (pitié) - er besitzt das natrliche Unvermögen, ein Wesen der gleichen Art leiden zu sehen;
- Perfektibilität (perfectibilité) - er besitzt die Fähigkeit, sich selber zu vervollkommnen;
Der Mensch im Naturzustand ist frei, und damit auch frei, sich beliebig zu ändern oder anzupassen (im Gegensatz zu Hobbes: mechanistische Anthropologie, Mensch bleibt immer gleich). Das ist typisch für das Denken der Renaissance, der Mensch lebt eine Gradwanderung, er kann sich dem Tier oder Gott nähern. Der Naturzustand ist ein Paradies, alle notwendigen Ressourcen sind vorhanden. Daher gibt es eigentlich keinen Grund diesen Naturzustand zu verlassen. Rousseau braucht eine Übergangslösung, um das Ende des Naturzustandes zu begründen:
Seine Lösung: Durch Naturkatastrophen schrumpft die bewohnbare Erde, die Menschen begegnen sich öfter, es entstehen Wohngemeinschaften und Familien. Die Selbstliebe entartet zur Eigenliebe (amour propre). Der Mensch stellt sich selber erstmalig in Vergleich zu anderen, findet eigene Talente besser/schlechter als die der anderen. Er definiert sein Wesen nicht mehr nur durch sich selber, sondern durch diejenigen anderen, in die er sich sozusagen hineinvergleicht. Damit entfremdet er sich quasi von sich selber.
Das Ende des "goldenen Zeitalters" ist endgültig festgelegt, als Eigentum definiert wird.
Die Einführung des Eigentums bedeutet die Notwendigkeit der Eigentumssicherung, die Entstehung der Ungleichheit und die Entstehung von arm und reich. Die Reicheren schlagen den Ärmerern eine Lösung vor (anders im "Contrat sociale"!!!):
Ernennung einer Obrigkeit, die das Eigentum sichert.
ABER: ungleiche Wohlstandsverteilung, die Reichen schützen ihre Positionen. Auf formaler Ebene ist das gerecht, auf inhaltlicher Ebene ungerecht, da der status quo fortgesetzt wird. Das führt zum Bürgerkrieg.
Der zweite Naturzustand bei Rousseau: Bürgerkrieg
Der Mensch muß alle Institutionen abschaffen, ohne zu wissen, was danach folgt. Zudem ist der Mensch ja mittlerweile geprägt durch Gier und Eigenliebe. Das ist das Ende des zweiten Diskurses, in dem Rousseau gezeigt hat, dass soziale und politische Ungleichheit ein Produkt der bürgerlichen Gesellschaft ist, aber dass das keine Rechtfertigung für die Existenz der Ungleichheiten ist
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