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Der Politische Neorealismus nach Kenneth Waltz

Autor :  Politisches Studium
E-mail: redaktion@e-politik.de
Artikel vom: 09.01.2000

Kein Ausweg aus dem System - ein Staat kämpft ums Überleben.


Ein Staat ist im internationalen System nicht sicher. Trotzdem muss er überleben. Aus diesem Dilemma kommt er nicht heraus. Wenn Sicherheit im Internationalen System aber ein knappes Gut ist, wie kann ein Staat dann handeln? Auf diese Frage versucht der Politische Neorealismus eine Antwort zu finden.

Im Mittelpunkt der neorealistischen Theorie des amerikanischen Politikwissenschaftlers Kenneth Waltz steht das Internationale System. Das System bestimmt die Struktur und das Handeln aller Staaten und Akteure in der Internationalen Politik. Das System ist die Gesamtheit aller Einheiten (englisch: units) - so nennt Waltz Staaten und Akteure. Das System ist anarchisch, daß heißt die handelnden Einheiten sind unabhängig und gleichartig. In diesem Sytem ohne Ordnung droht immer und von allen Seiten Gewalt, der in Kampf, Macht- und Gegenmachtbildungen mündet und zu Allianzen führen kann. Das Ziel einer handelnden Einheit ist daher die Selbsterhaltung.

Waltz entwickelte seine Theorie des Neorealismus als Antwort auf den Politischen Realismus. Er will in den 1970er Jahren die Mängel des klassischen Realismus beheben. Seine Theorie ist nicht einfach. Das Wichtigste ist schon gesagt: Das Internationale System steht im Mittelpunkt und ist anarchisch. Es gliedert sich in die Struktur und die Einheiten. Die Struktur zeigt die Ordnung einer Gesamtheit auf. Sie wird durch die Beziehungen der Einheiten untereinander bestimmt und bedingt diese Beziehungen gleichzeitig selbst. Da die Struktur die Beziehungen bedingt, können Handlungen unbeabsichtigte Folgen haben. Waltz nennt dies das Diktat der kleinen Entscheidungen (englisch: tyranny of small decisions). Die Einheiten als Akteure einer Gesamtheit sind gleichartig und unabhängig. Durch die Anarchie des Internationalen Systems steckt ein Staat in einem großen Sicherheits- und Machtdilemma. Er ist sich bei jeder Handlung unsicher über die Gewinnverteilung. Dieses Kennzeichen der Internationalen Politik nennt man "Nullsummenspiel". Dies bedeutet: Gewinnt ein Staat in diesem System an Macht, so verliert ein anderer Staat an Macht - und umgekehrt. Niemals können alle Staaten gleichzeitig von einer Veränderung profitieren.

Das Macht- und Sicherheitsdilemma sowie das "Nullsummenspiel" als Charakteristikum des Internationalen Systems führen dazu, daß Staaten kaum kooperieren. Sie sind - wie gesagt - unsicher über die Gewinnverteilung und haben Angst vor Abhängigkeiten.

Das Prozeßmuster, das die Internationale Politik nach Waltz bestimmt, ist die "Balance of Power", das Gleichgewicht der Mächte. "Balance of Power" ist ein zentraler und wichtiger Begriff im Neorealismus. Das Gleichgewicht der Mächte entsteht immer wieder. Es ist kein mechanistischer Gleichgewichtszustand, sondern ein dynamischer Prozess, der sich immer wieder verändert.

Für das Prinzip der "Balance of Power" als Handlungsmuster gibt es Voraussetzungen. Zum einen muß es im internationalen System zwei oder mehr Akteure geben. Das System muß anarchisch sein. Hiervon geht Waltz ja in seiner Theorie aus. Die Einheiten haben als minimales Ziel ihrer Handlungen das Überleben. Das Maximum ist die universelle Dominanz. Um diese Ziele zu erreichen, versuchen Staaten alle Möglichkeiten auszunutzen. Diese Voraussetzungen führen zum Gleichgewicht der Mächte. Dieses wiederum zeigt die Zwänge des Internationalen Systems und die Verteilung von Macht an.

Nun muß die Frage für den Neorealismus natürlich lauten: Wie kann ein Staat unter diesen Voraussetzungen überhaupt handeln? Er steckt im Sicherheits- und Machtdilemma, das Internationale System mit der "Balance of Power" als Prozeßmuster übt Zwänge aus. Keine einfachen Bedingungen. Waltz führt verschiedene Punkte an, wie ein Staat in diesem Zustand überleben kann, wie er handeln muß und wie er das Mächteverhältnis ausbalancieren kann (Balancing).

Es gibt zwei Möglichkeiten für das Balancing: externes und internes. Externes Balancing stellt das Bündnisprinzip dar. Dies geschieht, wenn es mehr als zwei Akteure im Internationalen System gibt. Gibt es hingegen nur zwei, so handelt ein Staat nach dem internen Balancing. Er rüstet auf, um seine Stärke zu maximieren. Balancing geschieht automatisch - ob die Staaten wollen oder nicht. Das höchste Ziel des Balancing eines Staates ist die Selbsterhaltung. Meist mündet Balancing in der Bildung von Macht- und Gegenmachtsystemen, schwächere Staaten schließen sich zusammen. Oft führt Balancing aufgrund des Wettbewerbs der Staaten zur Zusammenarbeit ähnlicher Staaten, weil sie auf gegenseitige Hilfe angewiesen sind. Sie passen sich an das Macht- und Gegenmachtsystem an. Denn verhält sich ein Staat entgegen des Systems, so birgt dies die Gefahr der eigenen Zerstörung in sich. Aus dem gleichen Grund streben Staaten eher dazu, Macht auszugleichen als sie auszuweiten.

Durch diese Prinzipien kann ein Staat nach der Theorie des Neorealismus die Unsicherheit und Ungewißheit, in der er lebt, verringern. Denn durch die Entstehung von Macht- und Gegenmachtsystemen beschränken sich die Staaten gegenseitig.

Dieses studentische Skript erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ist keine Garantie zum Bestehen irgendwelcher Prüfungen. e-politik.de ist bemüht, die Skripten ständig zu aktualisieren und inhaltlich zu bearbeiten.


   


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