Mit dem World Trade Center und dem Pentagon wurden Symbole zerstört, die in den Augen mancher für Demokratie, globalen Kapitalismus und Freiheit stehen; für andere aber Symbole ihrer Unterdrückung sind. Auch der Angriff selber ist ein Symbol. Es ist unstrittig, dass er keinen Befreiungsakt unterdrückter Volksmassen darstellt. Er ist vielmehr Symptom des Verhältnisses zwischen Erster und Dritter Welt. Das Zurückexportieren des Krieges und Terrors aus der Peripherie in die Metropolen reflektiert die Zurückweisung einer Außenpolitik, die seit der Monroedoktrin 1823 ganze Regionen der Erde zu Interessengebieten einzelner Staaten erklärt hat.
Einteilung der Welt in nützlich und unnütz
Kurz nach Beginn des Zweiten Weltkrieges aktualisierten die USA ihre Planungen: Das "War-Peace-Studies-Project" teilte die Welt in für die ökonomische Versorgung der USA notwendige Geosphären auf. Das wurde nicht Lebensraum genannt, sondern "Grand-Area". Die peripheren Länder und ihre Einwohner wurden als Rohstoffproduzenten, Abnehmer von Fertigprodukten und als Reservoir von Reservearbeitern definiert.
Bei der Durchsetzung dieses Projektes sollte angesichts antikolonialer Bewegungen auf "konventionellen Imperialismus" verzichtet werden. Der neue Imperialismus bestand darin, missionarisch Demokratieexport zu betreiben. Demokratie aber immer dann zu bekämpfen, wenn Störenfriede wie Fidel Castro "die Sache selbst in die Hand nehmen wollen und sich diese Idee ausbreitet", so Kennedy-Berater Arthur Schlesinger 1961. Er empfahl Kennedy als Begründung für US-Maßnahmen gegen Kuba, "ein bißchen hochtrabenden Kitsch über die erhabenen Ziele von Kultur und Geist" zu sagen, das käme in diesen südlichen Ländern gut an.
Verbot der Eigenständigkeit
Auch im Nachkriegsdeutschland gab es Schwierigkeiten mit der Demokratie: Als in Hessen die neue Verfassung 1946 die Resozialisierung des Bergbaus vorsah, wurde von der amerikanischen Militärregierung ein Referendum darüber befohlen. Über 71 Prozent der Wähler votierten für die Klausel, woraufhin das Sozialisierungsbegehren verboten wurde. Die Vernichtung eigenständiger Demokratisierungsversuche in Guatemala 1954 rechtfertigte das US-Außenministerium mit dem Hinweis, die Agrarreformen seien "eine wirksame Propagandawaffe".
Ferner besitze das umfangreiche Sozialprogramm, das die Arbeiter und Bauern in ihrem Kampf gegen die oberen Klassen und ausländischen Unternehmen unterstütze, "eine starke Anziehungskraft auf die Bevölkerung der mittelamerikanischen Nachbarländer". Dementsprechend nannte Henry Kissinger die demokratisch gewählte Regierung Chiles 1973 einen "Virus". 1950 wies der amerikanische Regierungsberater George Kennan darauf hin, dass es besser sei, "starke Regime an der Macht zu haben, als liberale Regierungen, die gegenüber Kommunisten zurückhaltend sind und womöglich von ihnen durchdrungen werden".
Hass gegen Fremdherrschaft
Erinnert das an Afghanistan? Der Hass, der den USA seitens der Bevölkerung islamischer Länder des Nahen Ostens, Arabiens und nun auch im Hindukusch entgegenschlägt, ist der Hass, den auch Aggressor Russland im Kaukasus zu spüren bekommt. Nicht diffuse demokratische Werte sind es also, die abgelehnt werden, sondern Fremdherrschaft und Ausweitung "nationaler" Interessen auf die eigene Gesellschaft. Religion spielt hierbei nur insofern eine Rolle, als das sie für viele Menschen der verarmten Welt der letzte verbliebene Ort der Selbstbestimmung ist. Von ihm aus können, wenn politische Erniedrigung und Entmündigung unerträglich geworden sind, Akte von Selbstopferung ausgehen.
Hoffnungslosigkeit
"Die Welt bietet den unterdrückten Völkern zur Zeit nicht viel Hoffnung. Und es ist die Hoffnungslosigkeit, die Menschen zu solchen Handlungen wie in New York treibt", sagt Chalmers Johnson, Kenner der US-Außenpolitik. Die Ermordung einzelner Finanziers von Terrorangriffen wird an dieser vom Kaptialismus bedingten Hoffnungslosigkeit nichts ändern.
Nötig wäre das Ende dieser Ausbeutung der Dritten Welt, die den relativen Wohlstand der Massen und den Reichtum der Wenigen in der Ersten Welt ermöglicht. Allerdings wird weiter auf Gewalt und auf Wahrung des globalen und zunehmend auch lokalen Wohlstandsgefälles gesetzt. Joschka Fischer bemerkte dazu 1989: "Nach dem Sieg des Kapitalismus hat dieser die ganze und alleinige Verantwortung für die Erhaltung des Ökosystems Erde und der Gattung Mensch übernommen".
Foto: Copyright liegt beim U.S. Departement of Defense
Hier geht es zum Überblick über das e-politik.de Dossier "Der Krieg in Afghanistan".