Im tiefen Schwarzwald Freunde zu haben, ist angesichts des dortigen mürrisch-phlegmatischen Volksstammes nicht leicht. "Anderssein" mahnt zur Vorsicht und "anders" sind schon die Nachbarn am Ende der Dorfstraße.
Als der alteingesessene Viehhändler Levi im Frühjahr 1933 auf seiner üblichen Geschäftstour sein Schwarzwaldtal betritt, um Vieh zu handeln und um Lisbeth, die Tochter des Horgerbauern, zu gewinnen, schlägt ihm mehr entgegen als die üblichen Grobheiten der Bauern. Fast naiv übersieht er die sich gerade abspielenden Umwälzungen. Der Berliner Eisenbahningenieur Kohler und seine Sekretärin/Geliebte, Fräulein Neuner, haben nämlich mittlerweile selbst den stoischen Schwarzwald mit den neuen Ideen aus der Hauptstadt verseucht.
Kohlers mitgereister Bautrupp haben einen Volksempfänger im Wirtshaus "Zum Bären" aufgebaut, der dort seltsame Parolen plärrt. Kohler spielt mit Geld und Hilfe die Bauern gegeneinander aus, um herauszufinden, wer bei der "braunen Scheiße", wie Nichtsnutz Paul es formuliert, mitmacht und wer nicht. Schließlich merkt keiner außer Paul, welche brutalen Veränderungen gerade in der losen Dorfgemeinschaft geschehen. Aus dem geschätzten Viehhändler Levi wird alsbald der Jude, der Viehjude, und das, obwohl kaum einer wirklich versteht, warum.
Stilleben und Berglandschaft werden zu atemberaubenden Bildern verwoben
Thomas Strittmatter, der zu früh verstorbene Autor aus dem Schwarzwald, schaut in seinem Erfolgsstück "Viehjud Levi" dem Volk ganz genau aufs Maul. Da konnte wohl Didi Danquart, selbst Badenser, nicht widerstehen und den Stoff für ein echtes Bauerndrama bearbeiten.
Ganz genau spürt man Danquarts Feingefühl für das Lokalkolorit und seinen Sinn für die eindrucksvolle Landschaft. Leise Töne und theatrale Stilleben verwebt er in der Berglandschaft zu atemberaubenden Bildern. Das erinnert ein wenig an die "Siebtelbauern", vor allem weil sich auch der ein oder andere Darsteller ein wenig hinter einer Kunstsprache versteckt, weil ihm der Dialekt nicht nahesteht.
Doch das stört nur zu Beginn ein wenig, dann setzt sich die schauspielerische Klasse gegen die seltsame Künstlichkeit durch: Bruno Cathomas, Caroline Ebner, Bernd Michael Lade, Martina Gedeck, Ulrich Noethen, Eva Mattes und Gerhard Olschewski bilden ein exzellentes Ensemble, das sich seiner schwierigen Aufgabe gewachsen zeigt. Danquart haucht dem "Viehjud Levi" eben vor allem deshalb ein beeindruckendes Leben ein, weil er Strittmatters brillante Dialoge bis in die winzigen Nebenrollen mit starken Charakteren verbindet (allein Stefan Merki und Peter Luppa sorgen mit ihren Auftritten als Hinke-Karl und Buckel-Philipp für ätzende Lacher).
Leise Töne statt Action
Dabei verzichtet der Regisseur auf allzu Plakatives. Es geht ihm um die Veränderung in den Köpfen, die sich in Kleinigkeit zeigt. Pathos oder gar Action finden die Zuschauer kaum, auch wenn es an derbem Witz und dem ein oder anderen Handgemenge nicht mangelt. Trotzdem gelingt es Danquart, auch die kleinste atmosphärische Störung in klaren Bildern auf die Leinwand zu zaubern.
Nicht umsonst wurde "Viehjud Levi" in Berlin, Potsdam und Jerusalem mit Preisen ausgezeichnet und war ein harter Konkurrent für "Aimee und Jaguar" und "Lola rennt" im Kampf um den Deutschen Filmpreis.
"Viehjud Levi" (Deutschland/Österreich/Schweiz 1998)
seit 11.04.2000 als Kaufvideo bei Kinowelt Home Entertainment
Regie: Didi Danquart
Produktion: Martin Hagemann
Drehbuch: Didi Danquart, Martina Döcker
Kamera: Johann Feindt
Mit:
Bruno Cathomas (Levi)
Caroline Ebner (Lisbeth)
Bernd Michael Lade (Paul)
Martina Gedeck (Fräulein Neuner)
Ulrich Noethen (Ingenieur Kohler)
Eva Mattes (Kresenz)
Länge: 95 min.
Kinostart: 30.11.1999
Foto: Copyright liegt bei Arsenal-Film