Praktisch unbeachtet von der Öffentlichkeit, ist am 8. Oktober der erste deutsche Soldat seit dem zweiten Weltkrieg durch Kampfhandlungen ums Leben gekommen. Den Tod fand Oberstabsarzt Dieter Eißing allerdings nicht dort, wo man es vielleicht erwartet hätte. Weder auf dem Balkan oder gar in Afghanistan kam der 32-jährige Arzt ums Leben, sondern in Georgien. Der Mediziner im Range eines Majors wurde getötet, als der weiße UN-Hubschrauber, in dem er sich als ärztlicher Begleiter befand, abgeschossen wurde. An Bord waren neben dem Deutschen noch drei Besatzungsmitglieder und fünf Militärbeobachter. Bis dahin war der Einsatz von der Bundesregierung als "ungefährlich" eingestuft worden.
Einsatz in Abchasien
Der Hubschrauber war, Angaben der Bundesregierung zufolge, auf dem Flug zur Kodori-Schlucht, wo es zu Kämpfen zwischen abchasischen Rebellen und georgischen Milizen gekommen war. Eine Sprecherin des abchasischen Verteidigungsministeriums sagte, die UNO sei am Vortag vor der Gefahr eines Abschusses gewarnt worden. In der Gegend wurden Rebellen vermutet. Die Luftabwehrrakete wurde daher vermutlich von georgische Rebellen abgefeuert.
Alle Insassen des Hubschraubers befanden sich im Rahmen der UN-Mission UNOMIG im Kaukasus. Ziel der Mission ist, die Umsetzung eines Waffenstillstandsabkommens im Abchasien-Konflikt zu überwachen. 1991 waren UNO-Beobachter in Georgien stationiert worden, um die Demarkationslinie zwischen Abchasien und dem restlichen Gebiet Georgiens zu sichern. Abchasien hatte sich im selben Jahr für unabhängig erklärt und zwei Jahre später die Regierungstruppen aus der Region vertrieben.
Die Bundeswehr ist seit 1994 an der UN-Mission beteiligt. Insgesamt stellen 22 Staaten Personal für die Mission. Deutschland ist für den sanitätsdienstlichen Anteil zuständig. Zwar betreuen die deutschen Ärzte und Sanitäter in erster Linie die weiteren Angehörigen der Mission, oft aber auch Teile der Zivilbevölkerung und verletzte Kämpfer der Konfliktparteinen.
Nicht auf Seite eins der BILD
Auf Nachfrage bestätigte Oberstleutnant Buch, Sprecher des Verteidigungsministeriums, e-politik.de den Tod des deutschen Soldaten. Es sei aber, so der Oberstleutnant, "nicht die Informationspolitik der Bundesregierung, solche Meldungen auf die Seite eins der Bildzeitung zu bringen". Zwar sei man sich, so Buch weiter, "durchaus der Bedeutung dieser Meldung bewusst gewesen", aber es läge "schließlich im Ermessen der einzelnen Redaktionen, was sie aus dieser Meldung machen". Eine Pressemitteilung oder gar eine eigene Pressekonferenz zu diesem Thema gab es nicht. Andererseits wollte der Sprecher aber auch nicht den Eindruck bestätigen, die deutsche Regierung fürchte, dass eine solche Meldung, angesichts der augenblicklichen Diskussion, den Rückhalt in der Bevölkerung für den geplanten Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan schwächen könnte.
Staatstragender Journalismus?
Ob die deutschen Medien diese Einstellung teilen, ist nicht zu erfahren. Sicher ist nur, dass der Tod des Oberstabsarztes den großen deutschen Zeitungen lediglich eine kleine Meldung wert war. Hierfür gibt es nur zwei Erklärungen. Die Redaktionen hielten die Meldung aus "Verantwortung" klein - obwohl dies unwahrscheinlich ist: Zu groß ist die politische Spanne der deutschen Medienlandschaft, als dass sich nicht zumindest einige bereit gefunden hätten, die Nachricht größer aufzumachen. Oder: Die Redaktionen haben die Besonderheit am Tod von Dieter Eißing schlichtweg nicht erkannt. Eißing ist zwar nicht der erste deutsche Soldat, der bei einem Auslandseinsatz der Bundeswehr ums Leben gekommen ist - schon in Somalia und Bosnien kamen verschiedentlich Angehörige der Bundeswehr um - bis dato ist er jedoch der erste, der durch eine Kampfhandlung und nicht durch einen Unfall umkam.
Keine Absprache zwischen Medien und Bundesregierung
Nicht zuletzt aufgrund des zweiten Weltkriegs, gibt es in den deutschen Medien traditionell starke Berührungsängste mit militärischen Themen. Sogar in großen Redaktionen findet sich oft wenig sicherheitspolitischer Sachverstand. Angesichts der Bedeutung, die der militärpolitischen Berichterstattung in Zukunft zukommen dürfte, ist diese Erklärung der Ereignisse zwar nicht ermutigend, glaubwürdig erscheint sie aber doch. Denn, eine wie auch immer geartete, Absprache der Bundesregierung mit den großen Medien gab es laut Oberstleutnant Buch nicht.
Foto: Copyright liegt bei den Vereinten Nationen