Über das Internet und seine gesellschaftlichen Auswirkung wurde schon allerhand geschrieben, jedoch wenig Stichhaltiges und Fundiertes. Die wenig reflektierten Publikationen zu "e-Themen" stammen zumeist aus rein ökonomischen Perspektiven und thematisieren fast nur unternehmerische Implikationen.
Ein soziologischer oder gar politikwissenschaftlicher Zugang fehlt fast gänzlich (eine Ausnamhme ist beispielsweise Klaus Kamps). Diese Lücke wollen die Mitarbeiter von politkerscreen.de endlich schließen und initiierten das Kursbuch Internet und Politik, das alle "Aspekte rund um die Wechselbeziehungen zwischen Politik, Verwaltung und Internet" in den Blick nehmen will.
Ein reflektierter Zugang zum Thema
Entgegen vielen feuilletonistischen Schnellschüssen und stark vereinfachenden Thesen versuchen die Herausgeber mit dem Kursbuch Internet und Politik einerseits eine breite und dennoch reflektierte Diskussion über die Wirkungen des Internets auf den Weg zu bringen, andererseits ein sozialwissenschaftlich völlig unterbelichtetes Feld für die Forschung zugänglich zu machen.
Um diesen beiden Ansprüchen gerecht werden zu können, baten die Herausgeber sowohl Wissenschaftler verschiedener Disziplinen als auch Praktiker um Beiträge.
Die Autorinnen und Autoren waren, um die breite Öffentlichkeit auch erreichen zu können, angehalten, sich nicht in verklausulierter Wissenschaftssprache zu verlieren, sondern ihre Beiträge zumindest sprachlich möglichst klar und einfach zuzuspitzen. Die konsequente Umsetzung dieses Anliegens unterstreicht den lobenswerten explorativen Charakter des Buches zusätzlich.
Exploration von Forschungsfeldern
Mit fortschreitender Lektüre der einzelnen Beiträge wird zunehmend deutlich, wie sträflich die Sozialwissenschaften, insbesondere die Politikwissenschaft, den gesamten Themenkomplex Internet ignoriert haben. So existiert kein wirklich wissenschaftlich fundierter, geschweige denn ein theoretischer Zugang zu diesem neuen Medien, weshalb viele der Beiträge recht allgemein und schwammig wirken. Das Kursbuch Internet und Politik bewegt sich jedoch auf einer rein themenaufzeigenden Analyseebene, die man als Vorstufe wissenschaftlichen Arbeitens bezeichnen könnte.
Die hier skizzierten und ausgeführten Thesen gründen weitgehend auf (modifizierten) Übertragungen von Erkenntnissen aus den USA, wo die Forschung in Bezug auf die Wirkungen des Internets schon viel weiter fortgeschritten ist. So wundert es nicht, dass die hier vorgetragenen Erkenntnisse wenig innovativ erscheinen:
Das Medium Internet bietet vielfältige Chancen für die Politik, birgt aber ebenso nicht zu unterschätzende Risiken. Die wichtigste Leistung - neben der schon erwähnten Exploration - ist jedoch die Untermauerung der Aussage, dass das Internet eben nicht zwangsläufig das Verhalten oder gar die Werte der Menschen verändert oder gar persönliche Beziehungen obsolet werden lässt.
Themenvielfalt und hoher Forschungsbedarf
Vor diesem "Erkenntnis-Grundkanon" stellen die Autorinnen und Autoren geschickt unterschiedliche Themenzugänge und -ausschnitte vor, die im Rahmen weiterer Forschungsarbeiten weiter verfolgt werden müssen. Dabei deckt das Kursbuch Internet und Politik ein weites Themenspektrum ab: Erste Erfahrungen und Perspektiven des virtuellen Regierens (Beitrag von Alexander Siedschlag / Alexander Bilgeri und Dorothea Lamatsch), Auswirkungen des Internets auf die Parteien (Arne Rogg), eine vergleichende E-Government-Analyse (Robert Kaiser), ein sehr Consulting-geprägter Beitrag über "Controlling in der E-Administration" (Utz Schäffer) sowie zwei Beiträge zu schon lange durch die Diskussion schwirrenden Themen: Fundamentalismus (Kilian Kindelberger) und basisdemokratische Chancen für die Politikvermittlung und -gestaltung (Maria H. Dettenhofer). Abgerundet wird diese wirklich vielschichtige und problemorientierte Behandlung des Themenkomplexes Politik - Verwaltung - Internet durch zwei Rezensionen aktueller Bücher.
Mit dem ersten Band des Kursbuches Internet und Politik legt politikerscreen.de einen wirklich überfälligen Sammelband vor, der zugleich mehrere wichtige Verdienste für sich in Anspruch nehmen kann. Er verbindet die wichtige Exploration von in Zukunft verstärkt zu bearbeitenden wissenschaftlichen Fragen mit der Ausrichtung auf einen möglichst breiten öffentlichen Diskurs.
Alexander Siedschlag, Alexander Bilgeri und Dorothea Lamatsch (Hrsg.): "Kursbuch Internet und Politik. Band 1/2001. Elektronische Demokratie und virtuelles Regieren"
Leske + Budrich, Opladen, 2001, 160 Seiten
24,80 DM
ISBN 3-8100-3309-X
Cover: Copyright liegt bei Opladen-Verlag