e-politik.de - Artikel  ( Artikel-Nr: 1176 )


Italien - Archiv

Blick ins italienische Parlament

Kommentar: Stabilisierung der Zweiten Republik

Autor :  Roman Maruhn
E-mail: rmaruhn@e-politik.de

Wichtiger als der Wahlsieg von Silvio Berlusconi ist die Tatsache, dass sich das neue italienische Parteiensystem zu konsolidieren scheint. Roman Maruhn kommentiert.


Silvio Berlusconi hat die italienischen Parlamentswahlen gewonnen. Während Medien und Kommentatoren in erster Linie auf die - zugegebenermaßen - chaotischen Bedingungen der Stimmabgabe, auf den Medienmann aus Mailand und seine rechten Partner und etwaige Reaktionen der EU-Partner schauen, hat sich Italiens Parteiensystem weitgehend konsolidiert.

Kein Erdrutschsieg, dafür zwei Lager

Berlusconis Erfolg war nicht der Erdrutschsieg, den die ersten Prognosen ankündigten. So groß ist der Abstand zwischen den Lagern Mitte-Links und Mitte-Rechts dann doch nicht.

Seit dem Ende der großen klassischen Parteien im Italien der beginnenden 90er Jahre, entstanden und verschwanden immer wieder neue Parteien. Spätestens seit den Wahlen 1994 und schließlich 1996 bilden sich in Italien zwei ungefähr gleichgroße Lager heraus. Zwar ist dieser Zustand noch weit von deutschen Verhältnissen - dem Gegenüber zweier großer Volksparteien und drei als Mehrheitsbeschaffer dienenden Partikularparteien - entfernt, aber Italiens Parteiensystem bringt wieder Mehrheiten hervor. Die letzte Legislaturperiode konnte, trotz zweier Regierungsumbildungen, in ihrer vollen Länge ausgeschöpft werden. Der aktuelle Wahlsieger hat alle Chancen, eine volle Amtszeit zu absolvieren.

Kahlschlag der Mitte

In der Konfrontation zwischen Links und Rechts blieb bei den diesmaligen Wahlen kein Platz mehr für die zum Teil progressiven und modernen Kleinparteien übrig. Fehlende Listenbündnisse sind ein Grund, die seit nunmehr acht Jahren andauernde starke Polarisierung des italienischen Wahlvolks ein anderer. Die Grünen wollen sich auflösen. Die berühmte Partei der ehemaligen EU-Kommissarin Emma Bonino wird nur noch in ihrer Person, aber nicht mehr als parlamentarische Kraft fortbestehen. Der Partito Radicale wird sich auf seine basisdemokratische Arbeit beschränken müssen.

Wahlrevolution und Ende der Transformation Italiens

In Italien hat eine Revolution stattgefunden. Der starke Konzentrationsprozess in zwei Lager zeigt bereits erste Kannibalisierungseffekte: Die Lega Nord ist auf die Größe einer Kleinpartei gestutzt worden. Forza Italia ist mit großem Abstand die größte politische Kraft des Landes. Auf der Linken sind die Democratici di Sinistra als maßgebliche Partei übrig geblieben, unterstützt durch das eher bürgerliche Bündnis Margherita. Eine wichtige Rolle spielen immer noch die Altkommunisten Bertinottis. Ob das Dachbündnis Ulivo auch in der Opposition noch ausreichend Zusammenhalt bieten kann, ist höchst fraglich.

Der Süden wählt rechts

Unglaubliche Meldungen kommen aus Süditalien: Selbst Zugewinne von Mitte-Links in Norditalien konnten nicht den Einbruch im Mezzogiorno kompensieren. Von 20 in Sizilien zur Wahl stehenden Sitzen für den Senat gingen alle an Berlusconis Bündnis. Auch alle Direktmandate für das Abgeordnetenhaus konnte sich Mitte-Rechts sichern. Für die Linke ähnlich katastrophale Ergebnisse kommen aus Apulien: Das wirtschaftlich zurückgebliebene Süditalien hat seinem Protest Stimme verliehen. Ob eine Regierung Berlusconi jedoch ihre Versprechen erfüllen kann, ist zu bezweifeln.

Stabilisierung auf gefährlichem Niveau

Glück im Unglück hat Europa mit Berlusconis Koalition gehabt: Der EU-feindliche Populist und Haider-Freund Bossi wird sich der übermächtigen Forza Italia unterwerfen müssen. Mit knapp vier Prozent ist kein Staat zu machen, auch kein norditalienisches Padanien. Die Verluste von Finis postfaschistischer Alleanza Nazionale sind zwar geringer ausgefallen, dennoch wird er durch den Stimmenzugewinn der Forza Italia maximal die Rolle eines Juniorpartners spielen können.

Welches Fazit bleibt zu ziehen? Italien wird eine neue Regierung bekommen, die aus höchst unterschiedlichen und von ihren Motiven her dubiosen und suspekten Partnern besteht. Die großen Wahlversprechen Berlusconis sind unerfüllbar und Meinungsuniformismus im Fernsehen und Politik zur Sicherung der eigenen Interessen sind zu befürchten. Kein Grund also für Laurenz Meyer zu applaudieren. Die europäischen konservativen Parteien haben sich mit der Forza Italia eine Partei in die Europäische Volks Partei geholt, die da nichts zu suchen hat. Reines Machtkalkül, die Mehrheit im Europäischen Parlament an sich zu reißen, waren dafür ausschlaggebend. Taktik kann ein schlechter Ratgeber sein. Das sollte der CDU in Deutschland mittlerweile klar geworden sein.

Foto: Copyright liegt bei Camera dei Deputati http://de.camera.it

Mehr zum italienischen Wahlergebnis 2001 auf e-politik.de:
" Die Chaos Wahl Italien - ein Gastkommentar aus Neapel"



Weiterführender Link:
   Italien - Wahlergebnisse 1996





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