e-politik.de - Artikel  ( Artikel-Nr: 1074 )


Mancur Olson

Mancur Olson

Autor :  Studenten der Politikwissenschaft
E-mail: redaktion@e-politik.de

Jochen Gross fasst die wichtigsten Aspekte der politischen Theorie von Mancur Olson zusammen.


Mancur Olson: Aufstieg und Niedergang von Nationen

Das 1982 erstmals erschienene Werk Olsons basiert auf den bahnbrechenden Erkenntnissen aus seiner "Logik des kollektiven Handelns" von 1965. Darin beschreibt Olson erstmals das Trittbrettfahrer-Dilemma und zeigt, dass die Vorstellung der Pluralismus-Theorie und der traditionellen Politikwissenschaft, Organisationen oder Staaten könnten problemlos Kollektivgüter erstellen, auf falschen Annahmen beruht. In "Aufstieg und Niedergang von Nationen" greift Olson zudem einige gegen seine Logik vorgebrachten Kritikpunkte auf, versucht diese in sein Modell zu integrieren und wendet die Logik daraufhin auf das Verhalten von Interessengruppen an.

Anwendung der "Logik des kollektiven Handelns" auf das Verhalten von Interessengruppen

Olson behandelt, um dieses Verhalten aufzudecken, vier Themenbereiche, die Braun im oben genannten Einführungsband systematisch wie folgt darstellt:

  1. Verteilungskoalitionen und ihre Wirkung auf den Staat
  2. Age-of-Democracy-These
  3. umfassende Organisationen
  4. Rolle des Staates

1. Verteilungskoalitionen und ihre Wirkung auf den Staat

Olson formuliert im dritten Teil von "Aufstieg und Niedergang von Nationen" neun Folgerungen, die er direkt aus seiner Logik ableitet. Damit überträgt er das Verhalten von Individuen auf das Verhalten von Gruppen, er abstrahiert sozusagen von der Mikro- auf die Makroebene, ohne das Rational Choice-Paradigma zu verlassen. Er betrachtet im folgenden nur mehr kollektives Handeln. Im ersten und am ausführlichsten von ihm behandelten Themenkreis beschäftigt Olson die Frage: Warum und unter welchen Bedingungen Interessengruppen ("Verteilungskoalitionen") bereit sind, einen Beitrag zur Vermehrung des gesellschaftlichen Wohlstandes zu leisten? Die These der traditionellen Politikwissenschaft ging noch davon aus, dass alle Gruppen versuchen, den gesellschaftlichen Wohlstand zu mehren, da sie an ihm partizipieren, oder in der Sprache der Neuen Politischen Ökonomie formuliert, Gewinne dadurch erzielen. Olson widerlegt diese These mit derselben Argumentation, die er auch in der "Logik des kollektiven Handelns" anwendet. Das Trittbrettfahrer-Dilemma tritt nämlich bei kollektivem Handeln ebenso auf, wie bei individuellen Handlungen, d.h., dass es selektiver Anreize bedarf, um Gruppen dazu zu bewegen gemeinwohlförderndes Verhalten zu stimulieren. Von dieser einfachen und logischen Übertragung seiner früheren Erkenntnisse aus, kommt Olson zum Schluss, dass kleine Gruppen sich dezidiert gemeinwohlschädigend verhalten. Dies ist aus zwei unterschiedlichen Gründen der Fall:

Kleine Gruppen haben keinen Anreiz zum Gemeinwohl beizutragen, da

a) der Anteil vom "Kuchen", des Sozialprodukts, sehr gering ist und die Gruppengröße im Verhältnis zur Masse der anderen Gruppen verschwindend klein ist. Dadurch fällt das eigene Trittbrettfahren nicht auf. Zudem übersteigen die Kosten, die durch gemeinwohlförderndes Handeln entstehen, schnell die dadurch zu erzielenden Gewinne.

b) sie die negativen Folgekosten ihres Handelns nicht in ihre Überlegungen einbeziehen müssen. Dies ist der Fall, weil die Kosten die dabei anfallen, weitaus geringer sind, als diejenigen, die durch aktives, gemeinwohlförderndes Verhalten entstehen.

Ein gemeinwohlförderndes Handeln kleiner Gruppen ist demnach nicht zu erwarten. Dagegen werden diese Gruppen versuchen, das Sozialprodukt zu ihren Gunsten umzuverteilen. Dies geschieht durch rent-seeking. Als Rente bezeichnet man denjenigen Teil des Ertrages einer ökonomischen Aktivität, der über deren Opportunitätskosten liegt. In der politischen Praxis bedeutet dies, dass die Organisationen mittels Kartellierung, Verknappung von Produkten, künstlichem Hochhalten von Preisen und / oder aktivem Loobying beim Staat, Vorteile erzielen möchten. An dieser Stelle wird auch klar, warum Olson Interessengruppen als Verteilungsorganisationen bezeichnet.

Rent-seeking verursacht enorme Kosten, die zur gesellschaftlichen Verschwendung beitragen, da sie ja nicht produktivitätssteigernd eingesetzt werden. Da Olson wirtschaftliches Wachstum vorrangig durch wissenschaftlichen Fortschritt und technische Innovationen bedingt sieht, ist die Folge des Verhaltens von Verteilungskoalitionen außerdem eine Verringerung der Anpassungsfähigkeit einer Gesellschaft an neue Technologien. Sie werden nämlich versuchen, diese neuen Entwicklungen zu blockieren und den Status quo für ihre Mitglieder zu erhalten.

Aus diesen Überlegungen heraus folgt, dass die Wirtschaft stagniert, die Produktivität einer Gesellschaft zurückgeht und somit langfristig Rezession und Depression zu erwarten sind.

2. Age-of-Democracy-These

Die zweite zentrale These, die Olson aus seiner Logik ableitet, rief am meisten Widerspruch hervor und wird bis heute nicht nur im Rahmen der Rational Choice-Theorie heftig diskutiert. Er formuliert die These, dass mit zunehmendem Alter und Stabilität einer Demokratie, ihr Verfall ebenfalls zunimmt. Die Frage, die uns jetzt beschäftigt, ist nicht so sehr die empirische Validierung dieser These, sondern wie Olson zu diesem, zunächst kühn erscheinenden Schluss kommt. Zunächst einmal führt Olson die enormen Anfangskosten an, die bei der Gründung von Organisationen entstehen. Dadurch dauert es seine Zeit, bis wachstumshemmende Organisationen, wie wir sie oben kennen gelernt haben, entstehen. Diese Begründung leuchtet unmittelbar ein, hier reicht schon ein flüchtiger Blick auf zahlreiche Beispiele großer Organisationen in der BRD. Olson konstatiert weiter, dass bestehende Organisationen wegen der vorhandenen selektiven Anreize gewöhnlich sehr lange überleben, auch wenn das Kollektivgut, zu dessen Bereitstellung die Organisation gegründet wurde, nicht mehr benötigt wird. Das Kollektivgut stellt gemäß der Logik des kollektiven Handelns nur ein Nebenprodukt dar. Als eine der größten dieser wachstumshemmenden Organisationen charakterisierte Olson die Gewerkschaften der USA.

3. Umfassende Organisationen

Als umfassend bezeichnet Olson diejenigen Organisationen, die einen großen Bevölkerungsteil, oder zumindest einen wesentlichen Teil der Mitglieder eines industriellen Sektors umfassen. Die Besonderheit dieser Organisationen liegt darin, dass sie einen Anreiz besitzen zum gesellschaftlichen Wohlstand beizutragen, da sie die negativen Folgekosten, die durch gemeinwohlschädigendes Verhalten entstehen würden, berücksichtigen müssen, da ihre Mitglieder davon in hohem Maße betroffen wären. Folglich lassen sich solche umfassende Organisationen von der Politik besser einbinden, um eine konsensuale Wirtschaftspolitik zu verwirklichen. Die europäischen Staaten mit ihren großen Dachverbänden zieht Olson hier als empirischen Beleg dafür heran. Diese Organisationsform sieht er im krassen Gegensatz etwa zu den Betriebsgewerkschaften in Großbritannien, wo eine koordinierte Wirtschaftspolitik ausgeschlossen scheint.

4. Rolle des Staates

Als letzten Punkt kann man in Olsons Oeuvre die Rolle des Staates identifizieren. Nach dem bisher gesagten, verschlingt Lobbying einen immensen Teil des Volkseinkommens. Lobbying meint hier nichts weiter als die Kollektivgutbeschaffung für Gruppen mit Sonderinteressen. Mit der Zeit wächst die Zahl der Verteilungsorganisationen an und somit auch die staatliche Komplexität, da die Administration auf die Organisationen reagieren muss. Dadurch wächst die Staatstätigkeit enorm an und das politische System vermag immer weniger die effiziente Implementation politischer Programme anzugehen. Als Folge steigen die Staatsausgaben bei gleichzeitigem Rückgang der politischen Effizienz.

Empfohlene Sekundärliteratur:

Braun, Dietmar: Theorien rationalen Handelns in der Politikwissenschaft. Eine Einführung, Opladen 1999

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