e-politik.de - Artikel  ( Artikel-Nr: 1720 )


Medien in Russland

Flagge von Moldawien

Entdeckungsreise nach Transnistrien - Teil 1

Autor :  Thomas Mehlhausen
E-mail: redaktion@e-politik.de

Thomas Mehlhausen berichtet im Rahmen einer Studienreise über die Wirtschafts- und Medienpolitik einer wenig beachteten Republik.


Abfahrt 19:36, Wannsee. Eine Studienreise nach Transnistrien. Um einer Nachfrage zuvorzukommen: Transnistrien ist das östlich vom Dnjestr gelegene Gebiet Moldawiens, das von Rumänien und der Ukraine eingeschlossen wird.

Transnistrien - eine autokratische Republik ohne Staatlichkeit

Nur wenig war mir über jene Region im Südosten Europas bekannt. Vor der Fahrt berichtete uns eine transnistrische Germanistikdozentin von dieser Republik: Nach dem Zerfall der Sowjetunion hatte sich 1991 der östliche Teil Moldawiens aus Protest gegenüber dem prorumänischen Kurs der moldawischen Regierung für unabhängig erklärt. Und nach einem Jahr Unabhängigkeitskrieg mit Hilfe der russischen 14. Armee etablierte sich eine "Republik" mit eigener Grenze, Währung und politischem Apparat. Außer Russland erkennt kein Land diesen Staat an. Vermutlich ist das Interesse Moskaus mit den dort gelagerten, umfangreichen Waffenbeständen aus Sowjetzeiten zu erklären, die Transnistrien aus strategischen Gründen nur tröpfchenweise zurück gibt.

Während der Bahn- und Busfahrt las ich über diese Region, dass dort Igor Smirnoff ein autokratisches System nach kommunistischem Strickmuster aufgezogen hat und auch wirtschaftlich mittels des mächtigen Konzerns "Sheriff" das Land im festen Griff hält. Der Chefredakteur einer unabhängigen transnistrischen Zeitung bezeichnete dieses Unternehmen als "Kommerzstruktur öffentlicher Personen", während andere sogar behaupteten, es befinde sich mehrheitlich im Besitz des Sohns des Präsidenten. Bald schon erfuhr ich von unseren transnistrischen Gastgebern, dass der erfolgreichste Fußballverein Moldawiens "Sheriff Tiraspol" heißt.
Beim Stadtrundgang durch Rybniza fiel ein schillernder Einkaufspalast namens "Sheriff" ins Auge, in dem zahlreiche adrett in modischen Uniformen gekleidete Verkäuferinnen auf die meist zahlenmäßig unterlegenen Kunden warten. Die Preise für westliche Produkte sind auch entsprechend hoch: Hier kosten beispielsweise 120 g Alete Babynahrung genauso viel wie fünf große Laibe Brot.

Willkommen in der Stadt Rybniza

In der zweitgrößten transnistrischen Stadt Rybniza angekommen, weckte der erste Eindruck meine blassen Erinnerungen an alte Sowjetzeiten: Die Mehrzahl der wenigen Autos waren Ladas. Unweit des monumentalen Lenindenkmals auf der Mitte des zentralen Platzes der Stadt verkauften alte Frauen Sonnenblumenkerne und aus einer beräderten Tonne das populäre Getränk "Kwas".

Während des anschließenden Spaziergangs zeigte mir meine transnistrische Gastgeberin ein zerfallenes Haus, das das Kino der 60.000-Einwohner-Stadt beherbergen sollte, doch wegen Bauarbeiten vorübergehend geschlossen sei. Ich fragte sie, wie lange es bereits geschlossen sei: "Etwa 10 Jahre."

Doch beeindruckend waren die Sauberkeit und die ordentlich geschnittenen Hecken der grünen Stadt. Die neuen Häuser am Stadtrand konnten sich mit westlichen Villen sicher messen lassen. Die überaus freundliche und zuvorkommende Gastfreundschaft meiner transnistrischen Studenten ließ uns bald die 33-stündige Hinfahrt vergessen. Die Räume der Gastgeber waren mit vielen Teppichen und Blumen geschmückt und als eine von wenigen Familien Transnistriens besaßen sie auch ein Auto, mit dem wir die hübschen Dörfer der hügeligen Umgebung besichtigten.

In einem Gespräch im Auto erfahre ich, dass der Vater meiner Gastgeberin, der im Unabhängigkeitskrieg kämpfte, damals seinen besten Freund verlor und nun das transnistrische Regime unterstütze. So wie viele hier zieht er eine Politik der "starken Hand" einer Demokratie westlicher Vorstellungen vor. Später bestätigte mir ein moldawischer Zeitungsredakteur, dass sogar in gesamt Moldawien diese politische Einstellung verbreitet ist: "Laut neuesten Umfragen wünschen sich 80 Prozent der Bevölkerung ein Einparteiensystem."
Ich erfahre, dass das Lebensniveau durch die Perestroika entgegen den Hoffnungen vieler gesunken ist und höre, dass sich viele Menschen - in dem überragenden Wahlsieg des moldauischen Kommunisten Woronin deutlich zum Ausdruck gebracht - nach alten Sowjetzeiten zurücksehnen. Offensichtlich hat hier der westliche Wohlstand kaum eine ihm oft unterstellte Magnetwirkung.


Lesen Sie im zweiten Teil über einen Ausflug in die transnistrische Hauptstadt Tiraspol, wo Gespräche mit Vertretern der journalistischen Fakultät, Zeitungen und Fernsehsendern einen Einblick in die Medienlandschaft des Landes gaben.
Im dritten Teil wird von einem Besuch in der Hauptstadt Chisinau des "Mutterlandes" Moldawiens berichtet. Der deutsche Botschafter, DAAD-Vertreter, oppositionelle und staatstreue Medienvertreter vermittelten einen Überblick über die aktuelle politische Lage im Land.

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