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( Artikel-Nr: 1747 )
Tagebuch einer Magisterkandidatin
Tagebuch einer Magisterkandidatin - Folge 1
Autor : Redaktion e-politik.de
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Nach dem Auslandssemester in Prag steht für Joyce Mariel nun die Arbeit an der Magisterarbeit an. Thema: Die Entwicklung eines tschechischen Mehrparteiensystems. Für e-politik.de beschreibt sie die Hochs und Tiefs auf dem Weg zum akademischen Titel
Magister! Die Rechtfertigung für alles! Die Sponsoren, sonst weitgehend unbehelligt geblieben, was meine studentischen Geldprobleme anging, zeigen sich ungebrochen spendabel. Mein Arbeitgeber hat Verständnis, wenn ich noch weniger Engagement als sonst zeige. Die Aushilfe an der Bibliothekstheke zuckt zusammen, als ich ihr freitags ein lang gezogenes "Das geht jetzt auf die Magisterausleihe!" entgegenschmettere. Meine beste Freundin kann mich mit ihrer hochgeschätzten Detailversessenheit über ihre Thematik informieren. Auch sie hat dafür jetzt eine Rechtfertigung.
Und dann der Umfang! Maximal 120 Seiten! Ich hab mich mal zwanzig Seiten lang über die volkswirtschaftlichen Fehler ausgelassen, die bei der deutschen Wiedervereinigung gemacht wurden. Inklusive Recherche hab ich das in 48 Stunden geschafft. Macht zwölf Tage für 120 Seiten - rein rechnerisch natürlich.
Deshalb hab ich ja auch noch so viel Zeit. Und kann getrost lange schlafen, fernsehen, ausgehen, Kater auskurieren, noch mehr fernsehen, lesen, rauchen, mal beschäftigt wirken und Beiträge für e-politik.de schreiben.
Stimuli
Der Sage nach regte Friedrich Schiller der Geruch von faulen Äpfeln zu seinen poetischen Meisterleistungen an. Wahrscheinlich hatte Schiller keine Nachbarn. Meine erwähnen lobend den angenehmen Geruch, der trotz Zigarettenqualm aus meiner Wohnung weicht: Der angehende Jung-Akademiker benutzt Duftlampenöle, um intellektuelle Höchstleistungen aus den Gehirnwindungen zu kitzeln! Kompetent beraten ging ich eines Nachmittags aus einem Fachgeschäft in meiner Wohngegend und bin seitdem stolze Besitzerin der Mischungen "Shambala" aus Rhododendron und Himalaya-Tanne und "Happy Mind" mit einer Kopfnote aus Rosengeranie. Geduldig erklärte der Ladeninhaber mir botanisch unbewandertem Stadtkind, dass Rosengeranie kein Produkt der Kreuzungslust eines Genlabors sei, und dass auch auf dem zugegeben eher unwirtlichen Himalaya durchaus Tannen wachsen können. Aber viel wichtiger war: die Düfte würden meinen flatternden Geist erden und ihn in geordnete Bahnen lenken, was bei jemandem wie mir mit dem Sternzeichen Zwilling im Aszendenten sehr wichtig sei.
Spöttern sei gesagt: diese Öle helfen! Und sie stören die Anwohner weniger als Schillers faulende Äpfel, die sonst bei falscher Dosierung und übervorsichtigen Nachbarn wegen des Modergestanks die Polizei auf den Plan rufen würden. Denn zu Gesicht bekommen meine Nachbarn mich zurzeit selten: ich arbeite nachts.
Kaffee? Schnee von gestern!
Das hat überaus viele Vorteile: es ist schön ruhig, alle "Wollt nur mal wissen, was Du so treibst"-Anrufer schlafen längst und gerade das regt die Shambala-durchfluteten Gehirnwindungen doppelt an. Doch mit der Nacht kommt auch das Schlafbedürfnis und so muss zu radikaleren Mitteln gegriffen werden, um aus dem Stimulus intellectualis keinen Stimulus interruptus zu machen.
Kaffee? Pah, Schnee von gestern! Ich schwöre auf Guarana, seitdem ich mir einmal in einem Anflug von postinfantiler Pubertätscoolness eine Familienpackung dieses Wunderextraktes auf einen Sitz einverleibt habe. Die Folgen waren 36 Stunden Schlaflosigkeit und der Ruf, eine "ganz krasse" zu sein.
Unterstützend wirken kann dabei Musik, wobei dabei in zwei Gemütslagen unterschieden werden muss. Soll der hohe Konzentrationslevel erreicht werden, hilft Chicago-Blues. Die Urgroßmutter der U-Musik macht so schön lässig und Live-Aufnahmen von Konzerten spornen zu Höchstleistungen an. Warum? Ganz einfach: ein "Yeah, do it again!", wenn man gerade einen weltbewegenden Gedanken in die Tastatur gehackt hat, will jeder gerne hören, oder?
Musik liegt in der Luft
Schwieriger wird es, wenn sich die Augenlider bedrohlich senken. Zunächst zündet Stufe 1: Latino - Sound, damit sich Finger und Geist im schnellen Samba-Rhythmus bewegen können. Danach Stufe 2: schneller Hip-Hop oder the one and only Elvis Presley! Und kurz vor wichtigen Abgabeterminen müssen nachts die harten Jugendsünden her. Und das wird dann wieder meine Nachbarn auf den Plan rufen. Denn obwohl die junge Familie nebenan ihre Single-Zeit noch nicht vergessen haben kann, machen ihre kleinen Töchter mich schon subtil auf akustische Mäßigung aufmerksam. Früh morgens fängt die jüngere an, eifrig wie nur anderthalbjährige Kinder sein können, mit ihrem Lieblingsspielzeug auf ihren Fußboden, also meine Schlafzimmerdecke zu klopfen. Es scheint fast so, als ob ich den Ayurveda-Typ mal fragen müsste, ob er nicht etwas gegen pöbelnde Kleinkinder im Angebot hätte. Keltische Heilsteine sollen helfen. Doch, ehrlich!
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