e-politik.de - Artikel  ( Artikel-Nr: 1101 )


Medien und Medienpolitik

König Fußball

Kirch, der Kanzler und die Kugel

Autor :  Timour Chafik
E-mail: redaktion@e-politik.de

Die Welle der Empörung reichte bis zum Regierungschef: Er möchte "nur ungern in die Diskussion eingreifen", verlautete es aus dem Kanzleramt zum WM-Rechtestreit zwischen ARD, ZDF und der Kirch-Gruppe. Timo Chafik über Medien, Macht und Mannschaftssport.


3,4 Milliarden Mark waren Leo Kirch die Weltrechte (Ausnahme: USA) an den kommenden beiden WM-Turnieren in Japan/Korea 2002 und in Deutschland 2006 wert. Der Münchner Medienmogul und Meinungsbildner in Finanznöten witterte damit die große Konsolidierungschance: Effizienteste Verwertung der Spiele über seine Sender SAT1, DSF und Premiere World, Verkauf von Übertragungsrechten an ARD und ZDF, sowie flankierende Vermarktung über die Publikationen aus dem Hause Axel Springer - schließlich hält allein die Kirch Beteiligungs GmbH mehr als 40 Prozent der Anteile am Hamburger Verlagshaus. "Refinanzierung", oder neudeutsch "Cross-Marketing", hallte es dann auch laut aus den Büroetagen der Kirch-Gruppe in München-Ismaning, während sich in Mainz, Hamburg und Berlin ein Bündnis fürs Abseits formierte.

Statt Quote und Spiele: Vielfalt und Ziele

Denn der privatwirtschaftliche Dorn saß tief im Auge der Öffentlich-Rechtlichen: Der Quotenbringer WM in den Fängen des Kommerzfernsehens ließ die Frage nach der Rechtfertigung für monatlich 31,58 Gebührenmark wieder in den Vordergrund rücken. Ummantelt von Werbeblöcken drohten die hehren Ziele des Rundfunkstaatsvertrages inklusive Grundversorgungsauftrag aufzuweichen. Dabei schoss sich Leo Kirch beinahe selbst ein Eigentor: Wegen der ungemütlichen Anstoßzeiten, zwischen 8.30 Uhr und 13 Uhr mitteleuropäischer Zeit, waren die Rundfunkfunktionäre vor allem bei den Senderechten zur WM 2002 in Japan und Südkorea nur schwer zum Kauf zu bewegen. Kirchs Pläne sahen zudem keine Exklusivrechte für ARD und ZDF vor, sondern eine parallele Ausstrahlung der Spiele über den Haussender Premiere World.

Das öffentlich-rechtliche Lager drängte auf Nachbesserungen, bevor die erste Rate der 250 Millionen Mark schweren WM 2002 gezahlt werden sollte. Indessen hätte eine Besinnung auf traditionelle Tugenden aus den Urzeiten des dualen Rundfunksystems der Diskussion einen weit glanzvolleren Anstrich verleihen können. Statt Rechtehandel Wertewandel, statt Werbung Meinung, statt Quote und Spiele dann doch lieber echte Vielfalt und Ziele. Vielleicht gibt es ja noch den ein oder anderen, der sich aus Fußball nichts macht?

"Wir können doch Werbung ausstrahlen"

Die Öffentlich-Rechtlichen aber schielten recht auffällig nach den fetten Zuschauerbrocken: "Kirch hat erklärt, dass wir der Wunschpartner seien für 2006. Darauf haben wir angeboten, gleich für 2006 abzuschließen", gibt der ARD-Vorsitzende Fritz Pleitgen zu. Treffender lassen sich die gegenwärtigen Kräfteverhältnisse im deutschen Fernsehmarkt kaum ausdrücken. Wer steuert hier wen? Dabei könnte es den Fans doch eigentlich egal sein, ob die Spiele mit Beteiligung der deutschen Nationalelf über ARD und ZDF oder über Kirchs SAT1 ins Fernsehzimmer flimmern. Flimmern werden sie auf jeden Fall im Free-TV, so schreibt es der Rundfunkstaatsvertrag in § 5a "Übertragung von Großereignissen" vor.

Der Imageverlust jedoch, der sich in der ersten Reihe breit gemacht hätte, wenn statt Faßbender, Delling, Netzer und Co. die privaten Rundfunkveranstalter das Spiel gemacht hätten, wäre enorm gewesen. Kirch wusste von der öffentlich-rechtlichen Eitelkeit und schoss den Ball gekonnt in die gegnerische Hälfte zurück: "Wir können zum Beispiel 2002 Werbung ausstrahlen, weil die Spiele am Vormittag laufen, und damit einen nennenswerten Refinanzierungsbeitrag erzielen", versucht ZDF-Intendant Dieter Stolte die hohe Kaufsumme von 250 Millionen Mark für die WM 2002 zu schmälern. Zum Vergleich: Die gesamten Titelkämpfe der WM 1998 hatten ARD wie ZDF nur jeweils 12 Millionen Mark gekostet. Eins zu Null für Kirch.

Schiedsrichter Schröder: Kanzler aller Medien

Dass sich der Kanzler selbst in das Kräftemessen einmischte, passte ins Bild - und in den Zeitplan: In Rheinland-Pfalz naht die Landtagswahl, 2002 die Bundestagswahl. Mit einer "Anordnung" polterte Gerhard Schröder dann auch auf den politischen Aschermittwoch in Mainz. Populismus tut Not: Diese "Anordnung", die der Bundeskanzler gar nicht erlassen kann, weil Medienpolitik in den Kompetenzbereich der Länder fällt, galt selbstverständlich Leo Kirch, falls der die TV-Rechte der nächsten beiden WM-Turniere nicht endlich an ARD und ZDF verkauft. Die Reihe der Bittsteller wurde immer länger und prominenter. Schließlich die Erleichterung: "Die Fans haben gewonnen" (der Bundeskanzler), "Ich bin froh, dass eine Einigung erzielt wurde", (der Innenminister), und: "Von daher ist es gut, dass es so bleibt wie es ist" (Rudi Völler). Kirch wurde bei einer viertel Milliarde Mark für die WM 2002 und geschätzten 500 Millionen für das Fußballfest in deutschen Landen 2006 dann doch noch schwach - weitere Gespräche sind für 2003/2004 angesetzt: Schließlich sind Fußball wie Fernsehen verhandelbar.

Foto: Copyright liegt bei ARD

Weiterführende Links:
   Die konsolidierte Fassung des Rundfunkstaatsvertrages
   Die KirchMedia AG
   ARD-Spezial: Fußballrechte
   Die Homepage des DFB zur WM 2006
   Die offizielle Web-Site der WM 2002
   ARD und ZDF





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