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( Artikel-Nr: 695 )
Big Brother in Wien: Ausländer live abschieben Autor : Andreas Bock Christoph Schlingensief und seine provokante Aktion in Wien: Flüchtlinge hausten in Stahlcontainern und der Bürger bestimmte live, wer abgeschoben wird. Andreas Bock hat sich Gedanken gemacht, was die Wiener Container mit Deutschland zu tun haben. Wir sind empört! Vor der Wiener Oper stehen Stahlcontainer mit ausreisepflichtigen Flüchtlingen. Über Internet kann der Bewohner des global village am Alltag dieser Menschen teilnehmen und mit einem Mausklick "selektieren" - wer darf noch ein bisserl bleiben, wer muss gehen (www.auslaenderraus.at). Ja, wir sind empört! Muss das sein? Muss man das öffentlich machen?
Wer hier so reagiert, ist verlogen. Was Theater- und Filmprovokateur Schlingensief als multimediales Ereignis gerade in Österreich inszenierte ist in Deutschland schon seit Jahren gängige Praxis. Nur dass man es so nie wahrgenommen hat - wohl weil man es auch gar nicht wollte. Hunderte von Gemeinschaftsunterkünften für Asylsuchende sind über das ganze Bundesgebiet verstreut: Baracken und Stahlcontainer. Anders als Schlingensiefs Container kann man sie aber nicht einfach per Mausklick besuchen. Am Ortsrand und damit am Rand der öffentlichen Aufmerksamkeit leben Hunderttausende von Menschen zum Teil unter erbärmlichen Umständen ("Der Alltag im Stahlcontainer" - eine Reportage bei e-politik.de).
Ausländer - die dunkle Bedrohung
Und wenn man Asylbewerbern doch mal Aufmerksamkeit schenkt, dann (fast) nur negative: Sie nehmen uns die Arbeitsplätze weg und bedrohen die innere Sicherheit unserer Gesellschaft. So oder ähnlich geht das klassische Vorurteil über die dunkle Bedrohung Ausländer.
Überhaupt werden Asylsuchende anders behandelt als andere Menschen, wofür das Asybewerberleistungsgesetz sorgt. So haben sie nur dann einen Anspruch auf ärztliche Versorgung, wenn tatsächliche und akute Gefahr besteht. Wer keine Zähne hat, um nur ein Beispiel zu geben, kann zwar nicht beißen, aber Brei und Suppe essen.
Unschuldige sitzen in deutschen Gefängnissen
In Austria "selektierte" man mehrere Tage live Ausländer. Tagtäglich werden aber auch in der BRD solche Menschen aus den gleichen Containern "selektiert". Solche Menschen? - Abgelehnte Asylbewerber! Ihre Ausweisung wird vollzogen, wie es das geänderte Grundgesetz und das Ausländerrecht wollen und erlauben. Still geschieht es und mit Polizeigewalt. Ohne großes Aufsehen werden Flüchtlinge hier täglich verhaftet und in so genannte Sicherheitsverwahrung gebracht. Ihr Verbrechen? Kein Asylgrund. Um die Gefahr zu bannen, dass sie untertauchen, können abgelehnte Asylbwerber präventiv verhaftet und für bis zu drei Monate eingesperrt werden - bis man sie abschiebt. In deutschen Gefängnissen sitzen Unschuldige - wenn auch Ausländer. Nur auf Grund der Möglichkeit, dass sie ein Verbrechen begehen könnten!
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Die Unterbringung in diesen Unterkünften sollte nur wenige Monate dauern, warum Bund und Länder dort einen deutlich niedrigeren Lebensstandard akzeptieren. Die meisten der Menschen aber leben über Jahre dort.
Wer aber weiß, dass sie einen Arbeitsplatz nur bekommen, wenn sie vor dem 1. Mai 1997 nach Deutschland gekommen sind und (!) sich über lange Wochen kein Deutscher oder EU-Ausländer um den gleichen Job bemüht hat? Dass die meisten der Flüchtlinge darum zum Nichtstun verurteilt sind ("Sinnloses Leben" - eine Reportage bei e-politik.de)? Oder dass so manche Tat, mit der ein Flüchtling in der Kriminalstatistik auftaucht, von keinem Deutschen begangen werden kann? Einem Asylbewerber ist es nämlich nach dem Asylverfahrensgesetz verboten, den Landkreis zu verlassen, in dem er gemeldet ist. Tut er es dennoch mehrmals wird daraus eine Straftat.
Lebensgefahr also besteht nicht und damit auch kein (einklagbarer) Anspruch auf Zahnersatz. Es liegt im Ermessen der zuständigen Ausländerbehörde. Kein Flüchtling erhält darum, quasi als Gastgeschenk, teure dritte Zähne - auch wenn das immer wieder gemunkelt wird.
Ein Skandal? Zumindest nichts, was unseren Medien größere Berichte wert wäre. Um so weniger, als jetzt alle (deutschen) Augen auf den Platz vor der Wiener Oper blickten, um mit reinem Gewissen das Theater im Nachbarland zu beobachten - die Ausfälle von Presse und Politik. So was würde hier doch nie passieren. Danke Austria!
Sinnloses Leben: Asylreportage (1) : http://www.e-politik.de/beitrag.cfm?Beitrag_ID=696
Der Alltag im Stahlcontainer: Asylreportage (2): http://www.e-politik.de/beitrag.cfm?Beitrag_ID=697