e-politik.de - Artikel  ( Artikel-Nr: 769 )


Italien - Archiv

Ein italienischer Beamter nach der Bergung eines Kleinkindes

Tod vor Europa

Autor :  Roman Maruhn
E-mail: rmaruhn@e-politik.de

Meist sind es nur ein paar Zeilen in den Tageszeitungen, wenn die italienische Küstenwache die Überreste eines gekenterten Schiffes weit vor Sizilien findet. Roman Maruhn schreibt über Europa und seine Boatpeople.


Alessandro Bariccos Roman Oceano Mare war in Italien ein Bestseller. Kaum ein Buch beschreibt das Meer und seinen Einfluss auf den Menschen realistischer, drastischer und grausamer. Ein schöner Roman, eine märchenhafte Erzählung.

In den italienischen Zeitungen lesen wir anderes über das Meer. 31. Dezember 1999: Im Kanal von Otranto in der Adria kentert ein Schlauchboot. Erst zwei Wochen später wird der Vorfall bekannt - 59 Tote. 4. Mai 2000: Ein Boot mit illegalen Einwanderern an Bord rammt ein Polizeiboot. Zwei Menschen sterben, zehn bleiben vermisst. 24. Juli 2000: Vor der apulischen Küste wird ein Zollboot gerammt. Diesmal ertrinken zwei Beamte und zwei Kurden. Was geschieht an Europas Außengrenzen?

Schmuggelware Mensch

Die Ware Mensch hat sich nach dem Fall der Mauern der alten Welt und den darauffolgenden Verschärfungen der Zuwanderungs- und Asylbestimmungen in vielen EU-Staaten zu einem profitablen Schmuggelgut entwickelt. 10.000 Dollar kostet die Passage eine kurdische Familie. Auch immer mehr Chinesen versuchen über die Bundesrepublik Jugoslawien ihren Weg nach Europa zu finden. Ein großes Geschäft, das immer härter wird. Je strenger die Kontrollen an den italienischen und albanischen Küsten werden, je mehr Druck Rom auf die Balkanstaaten ausübt, umso gefährlicher wird Europas Kampf gegen die Einwanderung für alle Beteiligten.

Särge am Strand

Giovinazzo, 15 Kilometer von Bari entfernt, im August. Ein Schlauchboot aus Montenegro erreicht mit 52 Menschen an Bord italienische Gewässer. 20 Meter vor der Küste werfen die beiden Bootsführer ihre chinesischen Passagiere über Bord - viele können nicht schwimmen. Den Schleppern ist das Anlanden am Strand zu gefährlich. Die Polizei könnte sie entdecken. Mit viel Glück überleben 48 Menschen in bewegter See - gerettet von einer Gruppe von Arbeitern, die den Strand säubern. 5.000 bis 10.000 Mark zahlten diese Menschen auf der Suche nach Wohlstand. Für vier von ihnen endet diese Reise tötlich.

Opfer der Festung Europa?

Die Brutalität von Menschenhändlern der europäischen Einwanderungspolitik anzulasten, ist freilich absurd und ungerecht. Was die Behörden an Italiens Küsten leisten, kann nicht genug hervorgehoben werden. In riskanten Bergungsaktionen - oft auch in der Nacht und im stürmischen Mittelmeerwinter - setzen Beamte ihr Leben aufs Spiel, um Menschen von kenternden Booten zu retten. Rettungsaktionen also und keine Abwehrschlacht. Das betrifft aber nur die vorderste Linie.
In den Ministerien Europas werden aber scheinbar die Hürden für einwanderungswillige Menschen aus der ganzen Welt so hoch gelegt, dass diese sich verbrecherischen Organisationen ausliefern. Der Tod von Kurden, Asiaten und Afrikanern, deren Traum in Europa liegt, kann nicht hingenommen werden. Ein Kontinent, der sich dem Schutz der Menschenrechte verschreibt und Kriege unter ihrer Flagge führt, muss jedes Leben schützen. Er darf nicht unterscheiden zwischen nützlichen und ungewollten Einwanderern. Profitdenken darf nicht zum alleinigen Argument gegenüber dem Menschen an sich werden. Wenn Einwanderung kriminalisiert wird, werden von der Seite des Verbrechens kriminelle Methoden verwendet. Und dann läuft etwas schief in Europa.

Foto: Italienische Küstenwache




Weiterführende Links:
   Informationen des UNHCR über Italien: http://www.unhcr.ch/world/euro/italy.htm
   Italiens Wirtschaft braucht Einwanderer: http://www.e-politik.de/beitrag.cfm?Beitrag_ID=770


© 2003 - e-politik.de - Der Artikel ist ausschließlich zur persönlichen Information bestimmt. Weitergabe an Dritte nur nach schriftlicher Genehmigung.