e-politik.de - Artikel  ( Artikel-Nr: 530 )


Konflikt am Hannah-Arendt-Institut in Dresden

Wissenschaft vor dem Offenbarungseid? - ein Kommentar

Autor :  Florian Wachter
E-mail: fwachter@e-politik.de

Man könnte den Streit am Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung als bitterböse Provinzposse abtun. Aber so einfach ist es nicht.


Schließlich greift undemokratische Rechthaberei an einem Ort um sich, an dem es die Beteiligten besser wissen müssten. Die Absurdität und das Groteske am ausufernden und totalitär anmutenden Mobbing- und Intrigenspiel der Protagonisten - auch auf dem politischem Nebenkriegsschauplatz - darf nicht davon ablenken, dass es in der Sache um die ernste Frage nach der Freiheit von Wissenschaft geht. Da wäre zunächst die Forschung selbst gefragt. Wie weit darf deutsche Zeitgeschichtsforschung mit der Verbreitung vermeintlicher oder tatsächlich abwegiger Ansichten gehen? Wann muss dagegen die rote Karte gezeigt werden?

Institutsdirektor Dr. Klaus-Dietmar Henke ist zunächst nicht einmal übertrieben weit gegangen. Er hat nicht im Vorfeld zensiert, aber nach Sichtung des Artikels vor einer Veröffentlichung in dieser Form gewarnt. Wären die Aussagen des Autors Lothar Fritze entschärft worden, vermutlich wäre kaum Aufsehen gemacht worden. Henke hat ein Prinzip zum Leitfaden seiner Bewertung erhoben, gegen das wohl niemand einen haltbaren Einwand richten kann. Forschung ist eben nicht "grenzenlos". Auch und gerade wenn es "nur" um die Infragestellung moralischer Legitimität eines Attentats gegen Hitler geht. Wäre Wissenschaft "grenzenlos", hätten die Moral und der gesellschaftliche Grundkonsens der Demokratie kläglich versagt. Natürlich entstehen dadurch Hierarchien von Fragestellungen. Diese aber sind im Interesse von Forschung und Lehre absolut notwendig - unabhängig um welche Wissenschaft es geht.

Was für Naturwissenschaftler gilt, sollte auch für Geisteswissenschaftler gelten

Die Ethik verbietet der medizinischen Forschung ebenso wie der Gentechnik eine uneingeschränkte Freiheit des Ausprobierens - zurecht. Was hier gilt, läßt sich im Prinzip auch auf die Sozialwissenschaften oder die Geschichtsforschung übertragen. Das Argument, wonach Begrenzung der Freiheit immer auch der Beginn von Unfreiheit ist, läuft im konkreten Fall ins Leere. Im Grunde hat Henke den Autor nur davor gewarnt, mit seiner absurden Aussage über die moralische Verfehlung des Hitler-Attentäter Georg Elser die Diskussion in eine völlig unsachliche Richtung zu lenken.

Unverständlich bleibt deshalb das Agieren des stellvertretenden Institutsleiters Dr. Uwe Backes, der Fritze Rückendeckung gab. Überflüssig auch seine Äußerungen, in denen er der Öffentlichkeit in der Bundesrepublik einen "neurotischen Umgang mit NS-Geschichte" attestierte und zu mehr "Unverkrampftheit" aufrief. Es ist verständlich, dass über die Thesen Fritzes` inhaltlich und offensiv eine Auseinandersetzung geführt werden muss. Das Hannah-Arendt-Institut mit seinem wissenschaftlichen Renomee hätte es als Chance begreifen können, sich in einem hausinternen sachlichem Diskurs zu streiten. Henke und Backes haben dies von Anfang an versäumt. Gekränkte Eitelkeiten verhinderten die rationale Kritik. Aus dem Streit ist längst ein Personalkonflikt geworden, der hauptsächlich auf den Feuilletonseiten der Zeitungen ausgetragen wird. Das Spiel mit dem Feuer hat sich zum wissenschaftlichen und politischen Eklat ausgebreitet, der wohl nur noch juristisch gelöst werden kann. Ob sich die Dresdner Bank als Geldgeber von dem Institut abwendet und Hannah Arendts Nachlassverwalterin ihm das Namensrecht entzieht, gehört zu den offenen Fragen. Dass es überhaupt soweit kommen musste, ist ein peinlicher Offenbarungseid gestandener Wissenschaftler.





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