e-politik.de - Artikel  ( Artikel-Nr: 1137 )


Niederlande

Friedhofseingang

Der Himmel wartet schon - Mord oder Erlösung?

Autor :  Nina Bludau
E-mail: redaktion@e-politik.de

Die Niederlande sind das erste Land mit Euthanasiegesetz. Seitdem streiten in Deutschland Politik, Kirche und Volk um selbstgewolltes Sterben. Ein Kommentar von Nina Bludau.


Rechtliche Klarheit

Die niederländischen Ärzte atmen auf. Am 10. April 2001 beschloss die erste Kammer des Parlaments mit 46 von 75 Stimmen das europaweit erste Euthanasiegesetz.
Bislang wurde dort aktive Sterbehilfe zwar geduldet, aber es war dennoch eine Gratwanderung. Denn bis jetzt unterlag aktive Sterbehilfe immer noch dem gesetzlichen Tötungsverbot.
Die Verabschiedung des Gesetzes klärt die Fronten: Wenn die Patienten mehrmals den Wunsch zu sterben äussern, wird ein dafür geschulter Kollege zu Rate gezogen. Jeder Fall muss einem Ausschuss gemeldet werden, in dem mindestens ein Arzt, ein Jurist und ein Experte sitzen. Die Justiz wird nur noch dann eingeschaltet, wenn dieser Ausschuss Zweifel hat.

Die deutsche Moral schreit empört auf

Im deutschen Nachbarländern stößt diese Entscheidung auf Protest. Nicht nur die Kirche, die auch in den Niederlanden vor Missbrauch warnt, auch deutsche Politiker können es kaum fassen. Der Bundesvorsitzende des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU, Jochen Borchert, nannte das Gesetz eine "vehemente Verletzung des Rechts auf die Unantastbarkeit der Menschenwürde" und warf den Niederländern sogar vor, Entsorgung der Patienten vor Versorgung zu stellen. Auch SPD-Bundesjustizminsterin Herta Däubler-Gmelin schliesst eine derartige Entscheidung für Deutschland aus: "Wir müssen unsere Anstrengungen darauf verwenden, Menschen in Würde und ohne Leiden sterben zu lassen, und nicht die Gedanken darauf verschwenden, ob wir Euthanasie zulassen."
In Würde sterben lassen? Welche Würde steht denn über dem eigenen Wunsch?

Die Vergangenheit Vergangenheit sein lassen

Die Gegenstimmen kommen zumindest in Deutschland nicht von ungefähr. Unter dem Vorwand der Euthanasie wurden im Dritten Reich unzählige Morde begangen. Es stellt sich die Frage, ob dieses Argument im Jahre 2001immer noch bei der Debatte ausschlaggebend sein darf. Ob wegen Alter oder Krankheit, in Krankenhäusern und Altenheimen leiden viele Patienten gegen ihren Wunsch. Denn wenn sie sich den Tod ersehnen, bringen sie Angehörige und Ärzte in eine unangenehme Situation.
Schließlich endet das Selbstbestimmungsrecht der Bürger bei der Entscheidung über Leben und Tod der eigenen Person. Die Kirche verurteilt Selbstmord, das heisst, auch unter grossen Schmerzen und bei nur noch geringer Lebenserwartung muss man durchhalten. Denn Sterben darf man nicht.

Realitätsferne Politik

Euthanasie birgt sicherlich die Gefahr des Missbrauchs. Eine Gefahr, die man auch mit noch so guten Formulierungen nur schwer ausschliessen kann.
Aber ist das Grund genug, die Augen vor der realen Welt zu verschliessen?
70% der deutschen Bürger sind für die Entscheidungsfreiheit, die unsere Demokratie auf ihre Fahnen geschrieben hat.

Im Zeitalter von Krebs, AIDS und anderen langwierigen, schmerzhaften Krankheiten wird das Leiden der Patienten dennoch lieber künstlich erhalten, als ihrem eigenen Wunsch Folge zu leisten. Weil es gegen das Gesetz verstößt. Aber wo ist das Gesetz, wenn ein Krebspatient oder ein Kriegsveteran jahrelang dahinsiechen? Wo ist das Gesetz, wenn jene einzig betroffene Person beschließt, das Leben lieber kurz und schmerzlos zu verlassen, als weiteres Leiden zu ertragen? Es hält die Moral aufrecht. Aber für wen?




Weiterführende Links:
   ´Euthanasie` - im Lexikon der Philosophie: http://www.phillex.de/euthanas.htm


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