e-politik.de - Artikel  ( Artikel-Nr: 2146 )


Israel und Palästina - (Alb)Traum vom Frieden?

Ruth Lapidoth

'Wäre ich keine Optimistin, müsste ich mich aufhängen'

Autor :  Markus Kink
E-mail: redaktion@e-politik.de

Der Frieden zwischen Israel und den Palästinensern ist in greifbarer Nähe. Markus Kink sprach mit Nahost Expertin Dr. Ruth Lapidoth über Chancen und Probleme des Friedensprozesses.


Es scheint voran zu gehen im Nahen Osten. Doch hat der Frieden wirklich eine Chance? Nahostexpertin Dr. Ruth Lapidoth ist optimistisch. Die 73-jährige Wissenschaftlerin war von 1979 bis 1981 Rechtsberaterin des damaligen israelischen Außenministers. Ihr Forschungsprojekt zur Lösung des Jerusalem-Problems am "Jerusalem Institute for Israel Studies" hat sie für die Dauer ihres Aufenthalts in Deutschland unterbrochen.

e-politik.de: Der Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis scheint sich zu entspannen. Nach einer blutigen und grausamen Phase der Auseinandersetzungen hat Israels Premier Sharon eingewilligt, sich auf den Friedensplan der USA einzulassen. Was könnte der Grund für diesen überraschenden Schritt gewesen sein?

Dr. Ruth Lapidoth: Ich persönlich glaube, dass Sharon gemerkt hat, dass die Mehrheit der Bevölkerung diese so genannte Road Map, den Friedensplan also, favorisiert.

e-politik.de: Die Hardliner lehnen die Road Map konsequent ab. Sie argumentieren mit Sicherheitsfragen. Aber nach den tausenden von Toten der zweiten Intifada scheint es, dass der Status Quo viel gefährlicher ist.

Lapidoth: Die Hardliner haben verschiedene Gründe: Zunächst sieht die Road Map vor, einen Palästinensischen Staat zu errichten - der wiederum würde das Ende der Siedlungspolitik bedeuten. Hinzu kommt, dass in Israel große Unsicherheit herrscht, ob die palästinensische Führung dem Terrorismus Einhalt gebieten kann. Das dürften die wesentlichen Gründe für ihre Ablehnung sein.

e-politik.de: Glauben Sie, dass die neue Führung der Palästinenser es schafft, auf Friedenskurs zu gehen?

Lapidoth: Ich kann nicht genau sagen, wie stark die neue Regierung von Mahmud Abbas ist, aber ich habe das Gefühl, dass er guten Willens ist. Und das allein ist schon sehr wichtig, denn Arafat war das nicht. Ob er es schafft, hängt aber nicht allein von ihm ab. All die Terrororganisationen gedeihen auch deshalb, weil sie mit Geldern aus dem Ausland finanziert werden. Erst wenn die Geldquellen ausgetrocknet werden, wird Abbas in der Lage sein, diese Organisationen überwältigen zu können.

e-politik.de: Wie realistisch ist das?

Lapidoth: Ich gebe mich da keinen Illusionen hin. Selbst wenn es zum Frieden kommen sollte, selbst wenn es einen Staat Palästina geben sollte, sind Anschläge keineswegs auszuschließen. Vielleicht nicht so viele und wahrscheinlich nicht in einem solchen Ausmaß. Aber wenn Mahmud Abbas diesen ersten Schritt zu Verhandlungen schafft, ist bereits vieles gewonnen.

e-politik.de: Israel hat es geschafft, Frieden mit den Nachbarn Ägypten und Jordanien zu schließen. Das waren keineswegs leichte Aufgaben. Weshalb ist der Konflikt mit den Palästinensern so ungleich schwerer zu lösen?

Lapidoth: Die Einstellung der Palästinenser hat sich über die Jahre geändert. Bis ins Jahr 1993 hatten sie sich auf ihre politischen Fahnen geschrieben, den Staat Israel auszulöschen. Schaut man sich die palästinensische Charta von 1968 an, so findet man dort die Zielsetzung, einen Staat auf dem gesamten ehemalig britischen Mandatsgebietes zu errichten. Dieses Ziel sollte durch Waffengewalt und nicht in Verhandlungen erreicht werden. Die Juden sollten vertrieben werden. Ihre Einstellung war also viel extremer, als die von Ägypten oder Jordanien.

e-politik.de: Was hat sich geändert?

Lapidoth: Seit 1993 ist der Konflikt kein Nullsummenspiel mehr. In dem berühmten Briefaustausch zwischen den beiden politischen Führungsspitzen haben die Palästinenser das Existenzrecht Israels anerkannt, die Israelis im Gegenzug die Repräsentanten des palästinensischen Volkes.

e-politik.de: Aber seit 1993 hat es viele Versuche gegeben, den Friedensprozess voranzubringen. Sie alle sind gescheitert. Findet der Konflikt in Wahrheit in den Köpfen der Menschen statt?

Lapidoth: Ich glaube nicht, dass es sich um unüberwindbare Ideologien oder dergleichen handelt. Jedenfalls nicht, das letzten Endes keine vernünftigen Kompromisse zulassen würde.

e-politik.de: Dann wollen beide Volker Frieden?

Lapidoth: Ich denke schon, spreche aber nicht für seine Führer. Sharon ist ein Politiker, der ein Gespür für den Willen der Mehrheiten hat.

e-politik.de Kann die Road Map dem Mehrheitswillen genüge tun?

Lapidoth: Die Road Map ist zunächst sehr kompliziert. Sie hat eine lange Einleitung und besteht aus drei Teilen. Zuletzt legt sie fest, wie die Parteien sich zu verhalten haben. Das ist ein bisschen kompliziert und in manchen Teilen nicht ganz klar. Sie spricht die zentralen Probleme, die gelöst werden müssen nicht an: Jerusalem, Grenzen, Siedlungen, Sicherheitsarrangements und das Flüchtlingsproblem. Mit allen diesen wichtigen Fragen beschäftigt sich die Road Map nicht.

e-politik.de: Was kann sie dann bewirken?

Lapidoth: Diese Probleme zu lösen ist nicht der Anspruch dieses Douments. Die Road Map soll lediglich den Weg aufzeigen, den Beginn von Verhandlungen bis 2004 ermöglichen, um die ausgeklammerten Fragen zu behandeln. Sie soll die Beziehungen glaubhaft verbessern.

Die Vorschläge von Ex-Präsident Clinton vom Dezember 2000 behandelten all diese schwierigen Themen.

e-politik.de: War Clinton da seiner Zeit voraus?

Lapidoth: Sicherlich. Im Dezember 2000 war die zweite Intifada erst acht Wochen alt und die Palästinenser glaubten mit Waffengewalt etwas erreichen zu können. Ich glaube, dass beide Konfliktparteien inzwischen zu dem Schluss gekommen sind, dass nur Verhandlungen sie vorwärts bringen können.

e-politik.de: Haben also die Terroristen die Parteien gleichsam an den Verhandlungstisch gebombt?

Lapidoth: Die Israelis wollten schon in Camp David Frieden schließen. Ich glaube das Problem war Arafat. Es scheint als wolle er als Freiheitskämpfer in die Geschichte eingehen und nicht als Präsident eines kleinen und schwachen Staates. Ehud Barak kam damals mit einem guten Vorschlag, aber Arafat lehnte ab, ohne einen Gegenvorschlag auf den Tisch zu legen. Ich hoffe sehr, dass Arafat der neuen Führung bei den Verhandlungen keine Steine in den Weg legen wird.

e-politik.de: Verschiedene Medien, unter anderem die Süddeutsche Zeitung, haben berichtet, Bush hätte die Road Map lange vor dem Irak-Krieg in der Schublade liegen gehabt. Was glauben sie, weshalb er so lange gewartet hat sie auf den Tisch zu legen?

Lapidoth: Ich weiß nicht, ob die Journlaisten in diesem Punkt recht haben. Die Road Map basiert auf einer Rede Bushs vom Juni 2002. Im Oktober lag ein erster Presse-Entwurf vor, der später noch ein wenig geändert wurde. Ich selbst habe eine Kopie vom Januar. Ich glaube daher nicht, dass der Zeitpunkt etwas mit dem Krieg zu tun hat. Was Bush letzten Endes tat, war, sich zu weigern, mit Arafat zu verhandeln. Die Road Map musste auch mit den Partnern im Friedensprozess, Russland, der EU und den Vereinten Nationen abgestimmt werden. All das brauchte Zeit. Der Irak Krieg hat ihn vielleicht sogar veranlasst, schneller und bestimmter zu handeln.

e-politik.de: Ist Frieden innerhalb der nächsten zehn Jahre möglich?

Lapidoth: Ich bin Optimistin. Wäre ich es nicht könnte ich mich auf der Stelle erhängen. Das Problem sind die Nachbarstaaten: Werden Iran oder Syrien Schwierigkeiten machen? Immerhin unterstützen sie die Terroristen und stehen einem Friedensprozess negativ gegenüber. Wenn das Quartett (USA, UN, EU und Russland, Anm. d. Red.) es schafft, diese Staaten außen vor zu halten, haben wir eine reelle Chance.

e-politik.de: Weshalb diese Ablehnung gegen Frieden? Immerhin könnte Frieden in der Region doch wirtschaftlichen Aufschwung für alle Staaten dort bedeuten.

Lapidoth: Der Iran hat eine komplett anti-israelische Haltung, hauptsächlich aus religiösen Gründen. Das Land hat eine extrem islamische Führung, die es nicht gern sieht, dass Juden nahe einiger ihrer heiligen Stätten leben. Syrien hat Angst vor einer Demokratie in einem Palästinenser-Staat. Sie fürchten wohl, dass ein demokratischer arabischer Nachbarstaat einen Umbruch heraufbeschwören könnte. Wollen wir das beste hoffen, dass der Friedensprozess dennoch in Gang kommt.

e-politik.de: Vielen Dank für das Gespräch.

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