e-politik.de - Artikel  ( Artikel-Nr: 1682 )


Bush in Berlin

Collage George W. Bush

Netzreportage - Cowgirls reiten gegen Bush (18.05.02)

Autor :  Redaktion e-politik.de
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US-Präsident George W. Bush kommt zu seinem ersten Deutschlandbesuch nach Berlin. Im Internet mobilisieren seine Gegner zum Protest. Eine Netzreportage von Alexander Wriedt, Alexander Lahl und Florian Wachter.


Berlins Mitte wird zum hermetisch abgeriegelten Sperrgebiet. Zwischen Bundeskanzleramt, Reichstag, Schloss Bellevue und Hotel Adlon wird sich George W. Bush 19 Stunden lang bewegen - abgeschirmt von 10.000 Polizisten, LKA-Beamten und Secret Service Agenten. Für den Präsidenten ein friedliches Berlin.
Denn draußen bleiben die Kritiker. Ein bunter Haufen aus Globalisierungsgegnern, Friedensbewegten und Autonomen will dem mächtigsten Mann der Welt auf drei Großdemonstrationen die rote Karte zeigen. Von ernsthaftem Protest gegen die US-Außenpolitik bis diffusem Geschrei gegen Kapitalismus, Staat, Polizei, Umweltverschmutzung, Fleischesser und andere Dinge - George W. Bush mobilisiert eine bunte Kritikerschar. Und die mobilisiert ihre Anhänger im Internet.

Demo-Weltreise. Nächster Halt: Berlin

Wichtigstes Internetportal für den linken Protest ist das unabhängige Netzwerk Indymedia. Mit Hilfe der Website "Global Resistance" lässt sich eine Demo-Weltreise organisieren.
Für die Berliner Szene ist die Seite "Stressfaktor" nicht ganz unbedeutend: Sie versteht sich als "Berliner Terminkalender für linke Subkultur und Politik" und verweist auf zahlreiche Aktionen und Bündnisse während des Bush-Besuchs.
Multimediale Drehscheibe des Protestes ist die Webseite "Bush in Berlin". Hier gibt es Infos zu allen bundesweiten Demos und Aktionen, Schlafplätze werden verteilt und Mitfahrgelegenheiten organisiert.
Veranstalter der größten Berliner Demo "Wir wollen Ihre Kriege nicht, Herr Präsident..." ist das Aktionsbündnis Achse des Friedens, getragen von verschiedenen Friedensbündnissen und der Anti-Globalisierungsinitiative ATTAC und unterstützt von Gewerkschaften, Kirchenverbänden, Schriftstellern und Wissenschaftlern.

Wild-West in Berlin

"Kuhtreiber statt Kriegstreiber - Cowboys und Cowgirls gegen den Krieg" wollen George W. Bush mit den eigenen Waffen schlagen. Im "Großen Treck" zu Berlin schwingen die Lassos, wiehern die selbstgebastelten Pferde und Kühe und erklingen die Yippie-Yeah-Rufe.

Der "dezentrale Widerstand"

Neben den Großdemos soll es die sogenannte "dezentrale Mobilisierung" geben, um dem "Widerstand" ein Gesicht der Vielfalt zu geben. So erklärt es zumindest der "Gipfelsturm - antikapitalistische Mobilisierungs- und Informationsseite" und listet ein paar dieser Aktionen auf, wie Straßentheater, Bush-Trommeln und Brezelaktionen.
Und wer glaubte, dass die linken Jungens und Mädchens keinen Sinn für nationales Kulturgut haben, wird mit dem Aufruf zum "Volxsport" überrascht. Beim "Volxsport" bilden sich Mannschaften, die ohne Treffpunkt und Konzept da "antreten, wo es ihnen gefällt und sinnvoll erscheint, die bestehenden Regeln zu brechen, (...) Strassen verschönern und bemalen, sie blockieren und sabotieren, (...) Brezeln backen, Bush helfen seine Koffer zu packen, Torten werfen - unsere Meinung sagen, und Bush aus der Stadt verjagen, an brennenden Staatsflaggen erwärmen, viel und überall lärmen ..."

Schluss mit lustig

Nicht witzig finden diesen sportlichen Wettstreit die Sicherheitsbehörden.
"Es könnte sich ein zweites Genua entwickeln", sagen Polizeiexperten. Die BILD-Zeitung veröffentlichte ein internes Dokument der Polizei, dass vor schwersten Ausschreitungen warnt.

In der Hauptstadt werden die Erinnerungen wach an die vier Tage im Juni 1987, als tagsüber viele Berliner gegen den Besuch des damaligen Präsidenten Ronald Reagan demonstrierten und nachts in Kreuzberg die Straßenschlachten tobten.
Am 11. Juni 1987 zogen 50 000 Demonstranten durch die West-Berliner Innenstadt, zerschlugen ein paar Scheiben des Nobelkaufhauses KaDeWe, bis die Veranstaltung am Nollendorfplatz, nicht weit entfernt von der wichtigsten westberliner Einkaufsmeile, dem Kurfürstendamm, in einer wilden Schlägerei mit der Polizei endet. Tränengas, Gummiknüppel, brennende Müllcontainer, Platzwunden und geplünderte Geschäfte - für ein paar Stunden herrschte die von vielen herbei gesehnte Anarchie.

Diesen Zustand will der Regierende Bürgermeister Berlins Klaus Wowereit (SPD) und sein Innensenator Erhart Körting (SPD) auf jeden Fall verhindern.
Sinnlose Gewaltausbrüche ohne politischen Hintergrund sollen von der Berliner Polizei, unterstützt von 38 Hundertschaften aus anderen Bundesländern, sofort unterbunden werden.
Deshalb gibt es auch keine Deeskalationsstrategie. "An brennenden Autos werden wir nicht einfach vorbeigehen", warnt Körting.

Der rot-rote Senat Berlins steht unter Druck. Die PDS-Bundespartei unterstützt die friedlichen Demonstrationen gegen Bushs Außen- und Militärpolitik, auch einige grüne und sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete wie Hans-Christian Ströbele (Bündnis90/Die Grünen) und Andrea Nahles (SPD) sprachen sich für die Protestkundgebungen aus.
Aber keine Senatoren aus Berlin. Wirtschaftssenator Gregor Gysi will während des Bush-Besuches den Grundstein für ein amerikanisches Joint Venture legen. Das wird die US-Handelskammer in Deutschland (AmCham Germany) freuen, hatte sie doch vor antiamerikanischen Krawallen und einem Imageverlust des Wirtschaftsstandortes Berlin gewarnt.

Protest gegen den Protest

Während die Junge Union Berlin zu einem Protest gegen den Protest unter dem Motto "Willkommen in Berlin, Mr. President!" aufruft, unterstützt die rechtsextreme NPD die linken Demonstrationen gegen Bush, sehr zum Ärger der Friedensbewegung und der Antifa: "Wir lassen uns unseren legitimen Protest gegen kapitalistische Globalisierung, Krieg und Umweltzerstörung nicht von Nazis diskretieren - verpisst euch!"

Diese Netzreportage erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.


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