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e-politik.de - Artikel
( Artikel-Nr: 1227 )Korsika - Eine mittelgroße Insel spaltet die Grande Nation Autor : Philipp Nowack Die französische Mittelmeerinsel Korsika bekommt in Zukunft mehr Rechte für ihre Selbstverwaltung. In Frankreich geht unterdessen die Angst vor dem Förderalismus um. Ein Dossier über das "problème corse" von Philipp Nowack.
Am 22. Mai hat ein erbitterter Streit über die Zukunft der Insel ein vorläufiges Ende genommen. Die Pariser Nationalversammlung billigte mit 287 gegen 217 Stimmen ein Gesetz, das Korsika mehr Selbständigkeit einräumt. Jospin hat darüber seinen Innenminister verloren. Teile der Presse fielen noch im vergangenen Jahr scharf über das Ansinnen her, Bomben mit zusätzlichen Rechten zu belohnen. Jospin bestritt damit in der Korsikapolitik nur eine gute Tradition und ging doch weiter als seine Vorgänger. Die Wogen haben sich mittlerweile etwas geglättet, Fragen über die Zukunft der Insel bleiben aber aktuell.
Die Tageszeitung "Liberation" sprach von nichts weniger als einer kulturellen Revolution, Ex-Innenminister Chevènement sieht ebenso wie sein rechtes Gegenstück Pasqua die Auflösung der Republik heraufdräuen. Im Parlament hingegen überstand ein Artikel des Gesetzentwurfes nach dem anderen die parlamentarische Beratung, nachdem zuvor bis in letzter Minute am Gesetzentwurf herumgedoktert worden war, der die Selbstverwaltung Korsikas stärkt. Der umstrittenste Artikel erlaubt der korsischen Regionalversammlung gar, in Bereichen, in denen sich die Insel selbst verwaltet, unter gewissen Bedingungen von der nationalen Gesetzgebung abzuweichen. Ein Novum in der Geschichte der Republik, deren Oberste Richter in guter jakobinistischer Tradition jedwede gesetzgeberische Tätigkeit (abgesehen von den Überseegebieten) stets Paris vorbehalten hatte.
20 Jahre Korsikapolitik: Schritt für Schritt auf der Stelle getreten Korsika stand nicht zum ersten Mal auf der Tagesordnung. Mitterand startete seine erste Amtszeit vor fast genau 20 Jahren mit einem großen Dezentralisierungsprojekt, bei dem Korsika eine gewisse Vorreiterrolle zukam. Zehn Jahre später wurde Korsika - wieder unter den Sozialisten - mit einem weiteren Sonderstatut bedacht, das nun nach dem Willen Jospins vollendet werden und Frieden in die wirtschaftlich hinterherhinkende und politisch zerfahrene Insel bringen soll. Angesichts der bisherigen Fehlschläge erinnerte der Gaullist Francois Fillon den Innenminister Vaillant (Sozialisten) an dessen Vorgänger Pierre Joxe, der vor elf Jahren dort gestanden und mit den gleichen Worten das damalige Sonderstatut angepriesen hätte. Die Tatsache, dass man sich wieder wegen der gleichen Sache treffe, beweise die Sinnlosigkeit des damaligen und heutigen Unterfangens. Mit immer neuen Statuten allein sei nichts zu lösen.
Tatsächlich stellt sich auf der Insel ein Gewirr an politischen, wirtschaftlichen und sozialen Problemen dar, die sich allenfalls beschreiben, nicht aber in Schuldige und Unschuldige aufteilen lässt. Um nicht näher differenzieren zu müssen, spricht man gern vom "problème corse". Deutlichstes Symptom dieses Problems sind die fortdauernden Attentate militanter Organisationen, die auf der Unabhängigkeit der Insel von Frankreich beharren. Zwar werden von offizieller Seite die "Terroristen" zumeist als Ursache des Problems angesehen und nicht als dessen Folge. Tatsächlich aber ließ sich die jeweilige Regierung von ihnen die politische Agenda diktieren und stieg oft genug in geheime Verhandlungen mit den Separatisten ein. Umgekehrt erklärten die Separatisten einen "Waffenstillstand".
Offiziell begründete man politische Schritte hin zu stärkerer Selbstverwaltung der Insel bislang mit der Insellage, die besondere wirtschaftliche Probleme mit sich bringe und deshalb besondere Maßnahmen erfordere, über die am besten vor Ort entschieden werden sollte. Freilich ging es dabei nie um das Recht, selbständig Gesetze zu verabschieden, sondern nur um eine weitgehend selbständige Raumordnungs- und Infrastrukturplanung, die Verwaltung des Straßennetzes und besondere - wenngleich recht limitierte - Befugnisse im Bereich von Tourismus, Umweltschutz, Transport, Bildung, Kultur und Sprache. Korsika wurde gemessen an den Kompetenzen eine Region de Luxe im nach wie vor zentralistischen Staatsaufbau. Als Defizit der ersten Dezentralisierungsmaßnahmen 1982 stellte sich bald heraus, dass die gewählte Regionalversammlung kaum funktionsfähig war. Mehrmals musste sie vorzeitig aufgelöst werden. In den Bereichen, in denen sie einmütig entschied, war sie ein zahnloser Tiger. Weiter zum zweiten Teil
E-mail: redaktion@e-politik.de
Das Korsika-Dossier
Essay "Korsika - Eine mittelgroße Insel spaltet die Grande Nation":
Teil Eins
Teil Zwei
Teil Drei (mit Diskussionsforum)
Hintergrund zu Korsika:
Korsische Kultur zwischen Diskriminierung und Symbolismus
Bomben für die Freiheit - Geschichte der Attentate
Korsische Wirtschaft: bescheidener Wohlstand in Abhängigkeit
Das politische System Korsikas und seine Geschichte
Rotes Tuch Föderalismus - Korsika als Testfall
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