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( Artikel-Nr: 1109 )Düsseldorfer Kom(m)ödchen: Amok in Erkrath Autor : Claus von Wagner Ende März hatte das neue Programm "BIG NEWS" des Ensembles der Kabarettbühne Düsseldorfer Kom(m)ödchen Premiere. Auf der CD "Amok in Erkrath" hat Claus von Wagner sich die beiden alten Programme noch einmal angehört. Eine Kommode ist laut Definition ein niedriger Schrank mit Schubladen und seit etwa 1700 in Gebrauch. Das Düsseldorfer Kom(m)ödchen gibt es erst seit 1947 und doch ist es unter Kabarettfreunden fast so bekannt wie sein Namensgeber. Lange Zeit war die Kleinkunstbühne Heimat von Kabarettlegenden wie Lore Lorentz oder Ursula Herking. Aber auch männliche Komödianten begannen hier ihre Laufbahn: Etwa Thomas Freitag oder ein gewisser Harald Schmidt. Doch längst hat die Zeit den Ruhm der alten Tage weggewischt, einstige Ensemblekünstler haben ihren Job gewechselt, an den Nagel gehängt oder schauen nur noch mit eigenen Solo-Programmen ab und zu in Düsseldorf vorbei. Zeit für neue Gesichter. Seit 1998 bilden Nicole Ankenbrand, Volker Diefes und Christian Ehring das neue Ensemble des Düsseldorfer Kom(m)ödchens. Während die beiden Herren sich bereits als Kabarettduo Die Scheingheiligen auf den Brettern, die die Zeit bedeuten bewegt haben, kommt Nicole Ankenbrand mehr aus Richtung Tanz, Gesang und Schauspiel. Amok in Erkrath heißt die erste Platte des Trios. Die im März 2000 aufgenommene CD setzt sich zusammen aus ihrem ersten Programm Die letzen Tage von Erkrath (1998) und dem Stück Amok (1999). Sylvester 2000: Dem kleinen Dorf Erkrath - irgendwo in Deutschland - droht die Apokalypse. Ein Komet wird einschlagen. Mitten in die Fußgängerzone. So steht es jedenfalls geschrieben - auf einem Bierdeckel. Die Zeit steht still. Die einzigen politischen Entscheidungsträger die das Unglück verhindern können sind drei junge verkrachte Lokalpolitiker: Stadtarchivar Henning (SPD), Lehrerin Anne (Grüne) und CDU-Politiker Jürgen. Sie bilden im Ratssaal der Kleinstadt einen improvisierten Krisenstab. Doch was jetzt? Über den Dienstweg ist der Apokalypse nicht beizukommen. Die drei jungen Kömmödler spielen sich leichtfüßig durch die Ängstlichkeit der Deutschen. Und so ist auch das Resümee. Beängstigend: "Wie gewinnt man einen Krieg gegen Deutschland? - Licht ausmachen und Buh sagen." Die ganze Republik ist eine Versammlung von Hasenfüßen: Die Lokalpolitiker haben Angst vor der Apokalypse, die Bürger vor der Kriminalität, die Krisenmanager fürchten sich vorm Stromausfall und die Unternehmer vor den Lohnnebenkosten. Die wenigen Ausschnitte lassen das Potenzial der jungen Truppe erahnen. Vom Programm Die letzten Tage in Erkrath blieb jedoch in dieser Kürze nur mehr ein Hauch übrig. Schade eigentlich.
"Amok"
Ein wenig mehr Glück hat man beim zweiten Teil der CD. Lassen sie sich gefangennehmen, ist in diesem Falle keine hilflose Journalistenfloskel, sondern ein ganz dringender Rat. Ist doch die Rahmenhandlung von Amok eine Geiselnahme des Publikums. Almut Güffler-Klotz (Nicole Ankenbrand), Wilfried Güffler (Volker Diefes) und Klaus Fritt (Christian Ehring) haben die Schnauze voll. Sie haben genug von einem Land in dem "die Mafia bekämpft, aber die CDU zugelassen wird" und die "Zahnärzte leben müssen wie Apotheker". Die drei wollen denjenigen sprechen, der für diese Misere verantwortlich ist: Gerhard Schröder. Sofort, sonst kracht's! Der angekündigte Kabarettabend muss dabei natürlich ausfallen. Das ist auch ganz richtig so, schließlich sitzen im Publikum genau die Leute, die Schröder gewählt haben: Die neue Mitte. "Wir machen hier kein Theater. Wir sind Profis", lautet die Drohung der "anonymen" Geiselnehmer. Profis? Wilfried entpuppt sich als verklemmter, von seiner Frau Almut unterdrückter Neoarbeitsloser, der sich seinen Job einst selbst wegrationalisiert hat, und Klaus als Lehrer in der Sinnkrise, der der modernen Lehrsituation trotz Schulpsychologie nicht mehr gewachsen scheint: "Ich hab nichts dagegen, dass Du in der Pause knutschst. Ich hab nur was dagegen, dass du Geld dafür nimmst."
So kommt es wie es kommen muss. Nach einem kurzweiligen Amoklauf durch deutsche Befindlichkeiten endet das Stück im Chaos. Während Klaus zum Helden wird, weil er sich und die anderen vor der eigenen Beschränktheit rettet, Almut sich augenblicklich in den Retter verliebt und draußen die Polizei in Stellung geht, wird einem klar: Der einzige, gegen den wir Amoklaufen müssen, sind wir selber Fazit: Das junge Dreigespann will den Beweis antreten, wie witzig, schnell und boshaft Ensemblekabarett sein kann. Ein vollständiges Urteil darüber anhand einer CD muss vorsichtig gefällt werden. Fehlen einem dabei doch nicht nur die Atmosphäre eines Brettlabends, oder die verstohlenen Gesten der Akteure auf der Bühne, sondern auch jede Menge Text: Zwei Programme auf einer handelsüblichen CD. Da fällt so manche Nummer unter den Schneidetisch - und der Gesamtzusammenhang gleich mit. Eine Doppel-CD wäre hier wohl angebrachter gewesen.
Trotzdem: Die Pointen kommen frisch und schnell daher. Feines und vor allem junges literarisch-politisches Kabarett tönt einem da entgegen. In dieser Reihenfolge! Die Freude am Spielen, am poetischen Pointenreißen hat die Oberhand und überwiegt die präzise beobachtende politische Analyse. Lustvolles Spiel mit menschlichen Unzulänglichkeiten, statt Politsatire. Intelligent unterhaltsam. Anzumerken noch, dass sich die Rolle von Nicole Ankenbrand - zumindest in dieser Aufnahme - in den Wortpassagen ein wenig zu sehr aufs Stichwortgeben beschränkt. Dafür singt sie um so besser: Ob lassziv oder rotzig-frech, ob mit sich überschlagender Stimme oder leicht schwebend, mühelos wechselt sie vom süßen zum bösen Mädchen und bläst so kraftvoll den Staub von der Kommode.
Düsseldorfer Kom(m)ödchen: "Amok in Erkrath". Zusammenschnitt aus zwei Ensemble-Programmen CD-Cover: Copyright liegt bei Con Anima Verlag Weiterführender Link:
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Regie: Horst-Gottfried Wagner
Recorded live im Düsseldorfer Kom(m)ödchen im März 2000
ConAnima Verlag/ Eichborn Verlag
ISBN 3-931265-25-0
Heimat des Ensembles: Das Düsseldorfer Kommödchen