e-politik.de - Artikel  ( Artikel-Nr: 1258 )


Programm-Kritik

Thomas Reis

Thomas Reis: So wahr ich Gott helfe

Autor :  Claus von Wagner
E-mail: redaktion@e-politik.de

Jeder Preis sucht unerbittlich seinen Träger. Der Kabarettist Thomas Reis wurde schon des öfteren gefunden. Hält das neue Programm "So wahr ich Gott helfe" was die Laudatoren versprechen? Claus von Wagner über ein zwiespältiges Vergnügen.


Thomas Reis macht seine Sache gut. Professionelles Auftreten, Bühnenpräsenz und Spontaneität. Jeder - wirklich jeder - der vielen Publikumskommentare wird umgehend returniert. Volley zurück zum Ursprung. Dieser Ursprung befindet sich oft in der Mitte einer Gruppe von jungen Arbeitnehmern. Betriebsausflug ins Kabarett, da wird schon das Erwähnen des Wortes "Mallorca" zum Quell lauten Frohsinns. Spiel, Satz und Sieg für Reis?

Alles ist zu wenig

"So wahr ich Gott helfe" ist ein Programm über - "alles". Reis kommentiert sich einfach durch das gesamte Themenspektrum, welches die Republik derzeit zu bieten hat. Von Hannelore Kohls Selbstmord, über Otto Schilys Ausweisepraktiken bis hin zur Gendebatte. Vom Unterschied zwischen Mann und Frau über die Chat-Kids bis hin zum bösen Fernsehen.
Des weiteren: Anspielungen auf Philosophie, Seitenhiebe auf die Religionen, Überlegungen zu Tod, Evolution, Umwelt und Ehe. Begriffe fallen: Moral, Mazedonien, Werte, Jerusalem, Mallorca und, klar: Sex. "Schuhspanner? Wen interessieren vögelnde Schuhe?" Reis will viel und am Ende ist es doch zu wenig für ein wirklich fesselndes Kabarett-Programm.

Man hat über den Freiburger geschrieben, aus dem Inhalt eines seiner Programme würden andere Satiriker fünf Programme machen. Das ist nicht ganz richtig. Nicht für dieses Programm. Denn hier hat Reis dazu allenfalls das Material, allein es fehlt die Seele. Wo andere Kabarettisten versuchen, Dingen auf den Grund zu gehen, wischt Reis mit einem Wortspiel großzügig drüber hinweg. Wo andere sich Zeit nehmen, rast er wie der Teufel durch ein "göttliches" Programm. Wo andere übers Kabarett hinausgehen, bleibt er im Rahmen stecken. Nach Ende des Pointenfeuerwerks hat man die Teile in der Hand - fehlt leider nur das geistige Band.

L'art pour l'art

Im Sekundetakt fallen - zugegeben: intelligent ausgedachte - Pointen. Meist als Wortspiele verpackt, manchmal einfach nur als Kalauer. Doch nach der zwanzigsten feingedrechselten Wortverdrehung kann man sich des Verdachtes nicht erwehren, dass hier etwas zum reinen Selbstzweck geworden ist. Kunst um der Kunst willen. Die Worthaarspaltereinen und Verbalhornungen transportieren nicht mehr - sie sind die Botschaft. Statt zu entlarven wird aufgezählt. Jedes Thema wird gestreift, doch statt neuer Sichtweisen gibt es hübsch verpackte Witze - hübsch harmlos.

Ebenso die Parodien: Erich Honecker, Franz Beckenbauer, Hans Moser, Marcel Reich-Ranicki. Immer wieder zieht Reis die altgedienten Kabaretthaudegen aus der Klamottenkiste. Man ist geneigt zu fragen: Warum? Einem Rainer Kröhnert, Thomas Freitag, oder auch Stephan Wald kann Reis qualitativ nicht das Wasser reichen. Blieben inhaltliche Argumente. Doch was soll wohl mit den Parodien erreicht werden? Eine Kritik der Parodierten? Eine Demaskierung von Hans Moser und Erich Honecker? Nein. Bleibt die Vermutung, dass das wohl einfach nur lustig sein soll. Schade.

Fazit: Reis beherrscht das Spiel mit Stereotypen und Klischees. Doch der Zauber, die Überraschung, die Andersartigkeit der Gedanken, also all das, was wirklich faszinierendes Kabarett ausmacht, kommt im Bombardement der Wortspiele und Gags zu kurz. Reis ist ein Pointenproduzent. Jemand der weiß, was von ihm erwartet wird. Und jemand, der das auch professionell und niveauvoll erfüllen kann.

Damit hier kein falscher Eindruck entsteht. Reis ist ein intelligenter Kabarettist. Man kann über ihn lachen - nur inspiriert wird man leider nicht. Dafür ist der Mann zu schnell. Im Urteil wie in der Ausführung. Die Themenübergänge rasen an einem vorbei. Man wird nicht angesprochen, man wird überfahren. Man wird nicht mitgenommen, man wird stehen gelassen. Da wo man ist. Es rauscht, es tönt - ein Windstoß. Was war das? - "Ich weiß es nicht. So wahr mir Gott helfe." Aber dann: Vielleicht wollte Thomas Reis es ja so. Dann ist es ihm geglückt.

Foto: Copyright liegt bei http://www.theatertransfer.de


Tourdaten von "So wahr ich Gott helfe"

Juli 2001:
23. - 28.07. München, Lach- und Schiessgesellschaft

September 2001:
21. - 22.09 Binz/Rügen, Haus des Gastes
28.09. Erftstadt, Gymnasium Liblar
29.09. Mönchengladbach, Spindel

Oktober 2001:
02.10. Aschaffenburg, Hofgarten
03.10. Würzburg, Bockshorn
04. - 06.10. Köln, Theater am Sachsenring
13.10. Aschaffenburg, Hofgarten
17. - 21.10. Regensburg, Statt-Theater
26.10. Stuttgart, Laboratorium
27.10. Bad Wurzach, Adler Livebühne
28.10. Kirchzarten, Tarodunum-Schule

November 2001:
01.11. - 03.11 Köln, Theater am Sachsenring
10.11. Lüdenscheid, Kulturhaus
14. - 17.11. Wiesbaden, Pariser Hoftheater
23.11. Köln, Klüngelpütz
24.11. Monheim, Sojus 7
30.11. Swisttal, Krea-Schule

Dezember 2001:
01.12. Mönchengladbach, Spindel
08.12. Geislingen, Rätschenmühle
11. - 14.12. Berlin, Mehringhoftheater
17.12. Dresden, Herkuleskeule
18. - 22.12. Berlin, Mehringhoftheater




Weiterführende Links:
   Zur Person und zum Programm: http://www.theatertransfer.de/theatertransfer/html/thomasintro.htm


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