e-politik.de - Artikel  ( Artikel-Nr: 1646 )


Ochsentour - die Kolumne zur Bundestagswahl 2002

Ochsentour, die 7.: Damit hier endlich was passiert (24. April 2002)

Autor :  Alexander Wriedt
E-mail: redaktion@e-politik.de

Nach der Niederlage bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt übt sich die SPD im Aussitzen. In der CSU sucht man weiter nach der zündenden Idee meint Alexander Wriedt.


Berlin, 24. April 2002 - Vor kurzem hing der Patient noch an den Beatmungsschläuchen. Diagnose: Lebensbedrohliche Schwäche wegen politischer Bedeutungslosigkeit. Vor etwa zwei Jahren wurde der FDP ihr Ende vorausgesagt. Und nun ist sie wieder da. Dynamisch und selbstsicher wie ihr jugendlicher Parteivorsitzende Guido Westerwelle, der am Abend der Wahl in Sachsen-Anhalt den "größten Sieg der FDP seit der Wiedervereinigung" feierte. 13,3 Prozent errang seine Spitzenkandidatin im ärmsten Bundesland der Republik, bei dessen Bewohnern man eine Vorliebe für Wirtschaftsliberalismus eigentlich so sehr vermutet hätte, wie Che-Guevara-Plakate im Amtszimmer von Günther Beckstein.

Doch da sich der Liberalismus der FDP auf die griffigen Formeln "Damit hier endlich was passiert" (auf Plakaten) und "Machen, machen, machen" (im Internet) reduziert, wird selbst dem letzten Ossi klar: Nie ist der Klassenfeind so harmlos gewesen wie heute. Und vielleicht schafft der fröhliche Pragmatismus von Cornelia Pieper am Ende doch noch ein paar Arbeitsplätze, bevor die letzten Beschäftigten in Sachsen-Anhalt unter Artenschutz gestellt werden.

Vielleicht, vielleicht auch nicht. Eigentlich würde das niemanden so richtig interessieren, wenn die Wahl nicht von Journalisten zur Testwahl für die Bundestagswahl erklärt worden wäre. Zwar spricht alles gegen eine Testwahl: Der Ministerpräsident war schwach, gab sich mehr weinerlich als zupackend und brachte selbst nach der rot-roten Koalition in Mecklenburg-Vorpommern keine eigene Koalition zustande, die allein eine solide Arbeitsgrundlage gewesen wäre. Zudem lassen sich massenhafte Wanderbewegungen der Wähler ebenso wenig auf gesamtdeutsche Verhältnisse übertragen, wie die geringe Wahlbeteiligung oder der einschläfernde Wahlkampf.

Nur zählt das wenig, wenn am nächsten Tag die Zeitungen titeln: "Schlimmster SPD-Absturz aller Zeiten" (Bild) und über das Fernsehen die Bilder von den Verlieren zu sehen sind: versteinerte Gesichter der SPD-Funktionäre, die deplazierte muntere Erleichterung des scheidenden Ministerpräsidenten Reinhard Höppner und der gequälte Versuch des SPD-Generalsekretärs Franz Müntefering, die Niederlage souverän herunterzuspielen.

All das hat Gerhard Schröder bereits gesehen und gelesen, als er Montag Morgen ins Willy-Brandt-Haus eilte. Wie sollte er reagieren? Was soll er auf die Fragen der Journalisten antworten, um nicht selbst als Verlierer dazustehen? Er entschied sich, den Sturm an sich vorbeiziehen zu lassen und gar nichts zu sagen. Denn anders als etwa die Abstimmung über den Afghanistan-Einsatz oder das Problem der Arbeitslosigkeit, lässt sich dieses Ereignis aussitzen.

Schlechte Nachrichten müssen andere überbringen

"Rot-Grün wird zusammenrücken und solide durchregieren", sagte Schröder ein paar Fernsehjournalisten, die ihn zufällig am Eingang abfangen konnten. Die schlechten Nachrichten sollen die anderen überbringen. Er konzentriert sich jetzt auf die "Zuspitzung im Personellen", wie es sein Generalsekretär ausdrückt. Und da liegt er immer noch vorne. Die lockeren Sprüche, die spontanen Einschübe in seine Reden und die Fähigkeit, Sachverhalte auf den Punkt genau vorzutragen, gehen seinem Herausforderer Edmund Stoiber ab.

Dabei sammelt Schröder gleichzeitig auf einem anderen Feld wertvolle Punkte, das den Menschen am Herzen liegt: der Bekämpfung des Terrorismus. Statt seinen Außenminister agieren zu lassen, begreift er den Anschlag auf die Synagoge auf Djerba als innenpolitisches Ereignis. Er schickt Beamte des Bundeskriminalamtes, seinen Innenminister Otto Schily und den Generalsbundesanwalt Kay Nehm zum Unglücksort. Er äußert sich gezielt zur Bestrafung der Täter und den Ängsten der Bürger. Immer wieder beobachten enge Mitarbeiter im Bundeskanzleramt, wie ihr Dienstherr instinktsicher sich einzelne Probleme herauspickt und zur Chefsache macht.

Doch genau auf diesem Gebiet kann Edmund Stoiber seinem Konkurrenten das Wasser reichen. Er weiß genau, dass sich die Katastrophenstimmung um die verlorene Wahl schnell verzieht und der Bundeskanzler mit staatsmännischen Aktionen, wie den Ermittlungen auf Djerba, immer wieder sein Ansehen steigern kann. Auch er hat seinen Instinkt bereits mehrmals unter Beweis gestellt: Er hat, etwa mit einem inszenierten Volksaufstand gegen das Kruzifix-Urteil und seiner Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, bewiesen, dass er blitzschnell Themen besetzen und für sich ausnutzen kann. Davon war in diesem Wahlkampf noch nichts zu spüren. Vielleicht fehlte ihm bisher die zündende Idee oder das passende Thema. Doch das kann sich schnell ändern. Und dann wird Stoiber wieder die Schärfe zurückbekommen, die ihm in Bayern so viel Respekt eingebracht hat.


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