e-politik.de - Artikel  ( Artikel-Nr: 1222 )


Korsika - Der Hintergrund

Die korsische Wirtschaft: bescheidener Wohlstand in Abhängigkeit

Autor :  Philipp Nowack
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Die kleinste französische Region wird überwiegend durch den Staat alimentiert. Das kaschiert die ungünstige Wirtschaftsstruktur. Ein Hintergrund-Bericht von Philipp Nowack.


Zu sagen, Korsika wäre arm, ist nur zum Teil richtig. Zwar beträgt das korsische Pro-Kopf-Bruttoinlandprodukt gerade mal 77% des nationalen Durchschnitts (Stand 1998); die Insel liegt damit jedoch vor den italienischen Nachbarn Sardinien und Sizilien; unter den 196 europäischen Regionen liegt die Insel an 143. Stelle. Die Arbeitslosigkeit ist mit 12% relativ hoch, der französische Durchschnitt ist aber nicht viel besser. Die Arbeitslosenquote wäre noch höher, arbeiteten nicht viele in so genannten prekären Niedriglohnverhältnissen und gäbe es nicht so viele Rentner. Auch bei den Sozialtransfers stellt Korsika die unrühmliche Spitze in Frankreich dar. Günstig wirkt sich auf die Statistik aus, dass ein Drittel der Beschäftigten im Öffentlichen Sektor arbeiten, die Öffentliche Hand also der wichtigste Arbeitgeber ist. Letztlich lassen sich 60% des Inseleinkommens auf den Staat zurückführen.

Die Inselwirtschaft ist nicht nur wenig leistungsfähig, ihre Struktur ist auch denkbar unausgewogen. Verarbeitendes Gewerbe oder gar Industrie gibt es kaum. Lediglich 90 Betriebe haben mehr als 50 Beschäftigte, umgekehrt beschäftigen 95% der Unternehmen weniger als 10 Leute. Die Landwirtschaft hat nicht zuletzt durch den qualitätsorientierten Rückbau der Weinberge eine Schrumpfkur mitgemacht. Der Tourismus beschränkt sich auf wenige Wochen im Sommer, zeigt nach Jahren der Stagnation nun wieder steigende Tendenz. Bemerkenswert ist die Dominanz des Tertiären Sektors: 78% aller Beschäftigten sind in diesem Bereich tätig. Sei es, wie erwähnt, bei der Öffentlichen Hand, oder zum Beispiel im Handel. Bezeichnenderweise tummeln sich unter den größten privaten Arbeitgebern hauptsächlich Einkaufszentren.

Das Herz am Rande

Größtes Manko ist die geringe Investitionstätigkeit. Premier Jospins Vorgänger Alain Juppé wollte die Wirtschaft mit massiven Steuererleichterungen ankurbeln. Seither werden Betrieben bis zu einer gewissen Größe von Unternehmenssteuern und Sozialabgaben befreit. Das erhoffte Investitionsklima wurde dadurch offenbar nicht geschaffen. Die korsischen Nationalisten befürchten, dass diese Steuergeschenke eher die Zersiedelung der Küste fördern als dass sie dem brach liegenden Inselinnern zugute kommen. Sie träumen von einer "économie identitaire" und verlangen einen besonderen institutionellen Rahmen, der der Insel eine möglichst selbstbestimmte nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung im Herzen des Mittelmeers sichert. Kritiker werfen diesem an der korsischen Universität in Corte erdachten Konzept Realitätsferne vor. Von den vielfältigen Beziehungen zu den umliegenden Mittelmeeranrainern und Inseln existiert bisher nichts. Korsika liegt bislang nicht im Herzen des Mittelmeers sondern am Rande Frankreichs - in jeder Hinsicht.




Das Korsika-Dossier

Essay "Korsika - Eine mittelgroße Insel spaltet die Grande Nation":

Teil Eins
Teil Zwei
Teil Drei (mit Diskussionsforum)

Hintergrund zu Korsika:

Korsische Kultur zwischen Diskriminierung und Symbolismus
Bomben für die Freiheit - Geschichte der Attentate
Korsische Wirtschaft: bescheidener Wohlstand in Abhängigkeit
Das politische System Korsikas und seine Geschichte
Rotes Tuch Föderalismus - Korsika als Testfall





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