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( Artikel-Nr: 932 )Dicke Bretter bohren Autor : Lisa Hammerl Was machen unsere Abgeordneten eigentlich den ganzen Tag? Einblicke in das Politikerleben im Bayerischen Landtag. "Dicke Bretter bohren." Max Webers Zitat scheint für viele Abgeordnete immer noch genau das auszudrücken, was ihr Politikerleben ausmacht. Warum sonst würde es von so vielen als Bild gebraucht, wenn es darum geht, die eigene Arbeit zu erklären.
Trotz gigantischer Medienpräsenz der Spitzenpolitiker bleibt die Arbeit des einzelnen Abgeordneten seltsam unwirklich. Was macht er nun eigentlich den ganzen Tag? Und hat das überhaupt eine politische Wirkung?
Nah dran am Bürger "Die meisten Leute denken, die Abgeordneten sitzen die ganze Zeit im Landtag in irgend welchen Sitzungen," sagt Josef Hasler, stellvertretender Pressesprecher des Bayerischen Landtags und seit 1979 im Landtag. "Aber ganz wichtig ist der Kontakt zu den Stimm- oder Wahlkreisen. Das schafft Nähe und hält die Politik lebendig und volksnah." Viele Abgeordnete sind auch Bürgermeister, Gemeinde- oder Stadträte in ihren Stimmkreisen. "Wenn in der Politik überhaupt von schnellen Erfolgen gesprochen werden kann, dann im Kommunalbereich, wo der Abgeordnete tatsächlich noch in kurzer Zeit konkrete Ergebnisse erzielen kann." Wie für viele seiner Kollegen ist auch für den jüngsten MdL, Bernd Sibler (CSU) das Engagement in Plattling, seinem Wahlkreis, "draußen bei den Leuten" genau so wichtig wie die Arbeit im Parlament. Der Abend im Vereinslokal, der örtliche Feuerwehrball, die Bürgersprechstunde, das ist für ihn kein überflüssiger politischer Dekor, sondern Basisarbeit – "gewählt wird schließlich auch zu Hause." Das bedeutet ständiges Pendeln zwischen Landeshauptstadt und Wahlkreis, Wochenendarbeit, "und viel, viel Zuhören", so Sibler. Es erfordert aber auch ständiges Umdenken von den kleinen Nöten des Bürgers, der "seinen" Abgeordneten meist eher um Hilfe in lebenspraktischen Fragen bittet wie bei Renten- oder Wohnungsproblemen, hin zu den großen landes- oder bundespolitischen Themen im Parlament. Sitzfleisch im Debattenkarussell Die Sitzungstermine vieler Abgeordneter im Landtag sind mehrfach belegt. Das heißt, der einzelne Abgeordnete ist in mehreren Sitzungen gleichzeitig.Theoretisch. Oder zumindest häufig gerade auf dem Weg von einer Sitzung zur anderen. Jedenfalls ist die Arbeit in den zahlreichen Ausschüssen, Plenar-, Arbeitskreis- und Fraktionssitzungen kaum anders zu schaffen. Dabei kosten nicht die – medienwirksamen – Rededebatten im Plenum die meiste Zeit, sondern die Kernarbeit in den Ausschüssen. Hier gilt es, in kurzer Zeit hoch komplexe Sachzusammenhänge zu verstehen. Und anderen zu vermitteln. Das funktioniert nur in einem fein abgestimmten arbeitsteiligen System innerhalb der Fraktionen und mit einem Netzwerk an zuverlässigen Mitarbeitern. "Unabhängig, welche Qualifikation der einzelne Abgeordnete mitbringt. Er muss sich ständig auf neue Wissensinhalte einstellen. Das ist heute wichtiger denn je", erklärt Ministerialrat Hasler. Wer etwas durchsetzen will, braucht Argumente – und ein gutes Zeitmanagement. "Wann haben wir eigentlich noch Zeit", fragt Gustav Starzmann (SPD), MdL seit 1982, und lacht kurz auf, "über diejenigen Fragen nachzudenken, auf die wir von morgens bis abends antworten?" Vom langwierigen Entstehen politischer Entscheidungen sieht man häufig nur das Ende: Spitzenpolitiker, die das Ergebnis der Beratungen auf Pressekonferenzen kundtun. Und nicht in jeder Sitzung wird über Schicksalsfragen der Nation oder der Menschheit debattiert. Wohl eher über grundlegende politische Leitlinien und politische Einzelfragen, die in der Summe die Bedürfnisse und Probleme der Menschen im Land widerspiegeln. Frust wegstecken "Wer wie ich seit fast 19 Jahren auf der Oppositionsbank sitzt," resümiert Gustav Starzmann (SPD), "versucht nicht mehr, die politischen Ziele im unmittelbaren Nahbereich zu setzen oder auf direktem Wege zu erreichen." Oppositionsarbeit heißt Ansatzarbeit, nicht Nachlassen im beständigen Bemühen um kleine Erfolge. "Unsere Anträge kommen nicht selten in einem gewissen zeitlichen Abstand und leicht abgeändert wieder auf den Tisch." Man muss eben warten können. Auch wenn das, wie in der aktuellen BSE-Misere, wohl ein Höchstmaß an Langmut und Beharrlichkeit erfordert. Bereits vor fünf Jahren hat Starzmann, stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, mit großer Vehemenz das Verbot von Tiermehlfutter eingeklagt. Starzmann trocken: "Da musste erstmal was passieren. Da braucht man nichts mehr zu sagen." Oder doch: Die Bretter sind manchmal einfach wirklich unheimlich dick.
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