e-politik.de - Artikel  ( Artikel-Nr: 1158 )


Programm-Kritik

Andreas Rebers

Andreas Rebers: Ziemlich dicht. Eine Reise zum Mittelpunkt des Irrsinns

Autor :  Claus von Wagner
E-mail: redaktion@e-politik.de

Andreas Rebers war bei seiner Premiere ziemlich dicht. In der Münchner Lach- und Schieß als schreibendes Ensemblemitglied aufgefallen, ist er mal wieder solo. Claus von Wagner über einen eigenwilligen Kabarettisten.


Andreas Rebers. Irgendwie muss man ihn mögen: Wie er so die Beine auf sein Akkordeon legt, den wirren Haarschopf aus dem Gesicht streicht und seinen typischen Rebersblick aufsetzt. Und der Anzug - wunderbar zerknittert: Schlabberlook, die Hose viel zu weit. Andauernd zieht Rebers sie wieder nach oben. Wozu Hosenträger, wenn man Hände hat? Der Titel Ziemlich dicht lässt so ziemlich alle Assoziationen zu, die man sich vorstellen kann. Querdenken ist erlaubt. Rebers selbst spielt in der Querdenkliga sicher ganz weit oben, oder unten links - wie es sich für einen Querdenker gehört.

Schwere Geburt: Von der Doppelhelix nach Braunschweig

Er erzählt von sich. Seiner echten Geburt, seiner wirklichen Heimat und seiner realen Wohnung in München. Nur: alles einen Tick neben der Wahrheit. In unaufgeregtem, fast kafkaesken Plauderton berichtet er davon, wie der kleine Rebers erst mal seine eigene DNA entschlüsseln muss, bevor er auf die Welt darf. Die ganze Doppelhelix! Die Entschlüsselung gelingt, doch dann pocht die Mutter auf Eigenbedarf. Rebers geht freiwillig, packt seine Aktentasche und sucht den Ort für seine Niederkunft. Er findet ihn bei Braunschweig.

So kommt Andreas als Sohn auf die Welt, macht Musik auf dem Akkordeon, heiratet, lässt sich scheiden und fängt an zu saufen. Dazwischen liegen ein paar Episoden mit Käfern im Parkett, Pollenflug, Ehekrise, Lärmschutzwand und Doppelhaushälften mit Partykeller. Immer wieder singt Rebers dazwischen ein Lied, oder zwei. Immer wieder schaut der bauernschlaue Wilhelm aus der Heimat vorbei und bringt Weisheiten mit: Lieber sich einen "Bollerwagen" ausleihen, als selbst einen zu haben - "Sonst muss man den ja die ganze Zeit ausleihen." Nachdenkliches Schmunzeln auf den Gesichtern der Zuschauer.

Verschrobene Gedankensprünge

Rebers erzählt seine Geschichten versetzt, beinahe unbemerkt, andeutungsweise - dauernd steigt er aus dem Zusammenhang aus - um Minuten später mühelos den Anschluss wiederzufinden. Gedankensprünge sind Rebers Spezialität. Herrlich verschroben. Noch herrlicher und noch verschrobener wird es nur, wenn er sich ans Klavier setzt, oder sich das Akkordeon vor den Bauch bindet: Hat er ja auch gelernt. Vier Jahre lang hat er Akkordeon studiert, wurde dann Leiter der Schauspielmusik am Staatstheater Braunschweig. Seine Engagements führten ihn über Hannover nach Kassel, von Zürich bis nach München, wo er schließlich ins Ensemble der Münchner Lach- und Schießgesellschaft berufen wurde. Dort textete und komponierte er zwei ganze Programme, bevor er wieder solo wurde.

Politisch? Ne, obwohl die Themen manchmal das Zeug dazu hätten. Rebers ist viel lieber poetisch, eigenwillig philosophisch und verdammt musikalisch. Ein einfühlsames Lied von der Kuckucksuhr betrachtet das Leben der Familie Rebers in der Nachkriegszeit. Das hat was von Wolfgang Borchert, ist aber Rebers - außerdem war's bei Borchert die Küchenuhr. Das Lied vom LKW Fahrer dagegen handelt von der romantischen Idylle "auf dem Bock": Fahrtenschreiber fälschen, zu wenig Lohn kassieren und dann irgendwo am Irschenberg einen Unfall bauen. Ziemlich dicht aufgefahren?

Völkerkunde auf Akkordeon

Das Akkordeon ist für Rebers gleichzeitig musikalischer Begleiter, Bühnenpartner, Requisit und Beinablage. Es spuckt Töne aus, die man dem Ding eigentlich gar nicht zugetraut hätte. Eine bulgarische Polka(krise), das Hupen eines LKWs, afrikanische Rhythmen, oder gar eine kleine Oper. Doch immer lugt unter Rebers Ausflügen in die Welt, die Schwere seiner Heimat hervor: Es geht um Stolz, um Gründlichkeit und deutsche Tugenden: "Die auf dem Balkan können keine Ordnung halten. Das hört man doch." Richtige Ordnung klingt eben - nach Deutschland.
Immer wieder das Motiv der Ordnung: Wenn schon im Leben der Hauptfigur alles den Bach runter geht, muss wenigstens die Wohnung ordentlich sein. "Eine anständige Wohnung gehört gefliest." Dann hat man auch keine Käfer im Parkett und keine Probleme mit den Pollen.

Fazit: Rebers will dem Tempo unserer Zeit mit Langsamkeit begegnen. Sein Kabarett kommt leise daher: Ein paar kleine Bewegungen reichen da manchmal. Kurzes Polieren des Flügels ersetzt ein Referat über Ordnungswahn. In der Kunst des Wiederkehrenlassens hat es Rebers zur Perfektion gebracht: Symbole, Gesten, Personen, Eigenarten wiederholen sich ständig und verdichten sich unmerklich zu einem poetischen Gesamtkunstwerk. Das Ende treibt diese Entwicklung auf die Spitze. Der Protagonist blickt zu tief ins Glas und eröffnet damit eine der längsten Assoziationsketten im deutschen Kabarett. Eine Reise zum Mittelpunkt des Irrsinns. Von einem Punkt im Glas zur indischen Putzfrau, über den Partykeller bis zum Ende.

Das Programm in einem Wort? Philosokomisch. Ja, das trifft es! Leichte Melancholie schwebt lauernd über sanften Melodien. Im Nebel von fast philosophischer Verschrobenheit und Genialität blitzt Satire. Ein letzter irrer Blick, dann flattert die Hose von Rebers im Wind. Das Licht geht an - der Rebers geht. Aber er bleibt irgendwie. Begeisterung.


Tourneedaten - Ziemlich dicht:

April 2001:
24.- 28.04. München, Lach- und Schiessgesellschaft

Mai 2001:
02.05. München, Lach- und Schiessgesellschaft
20.05. München, Lach- und Schiessgesellschaft
27.05. München, Lach- und Schiessgesellschaft

Weitere Termine werden noch bekannt gegeben




Weiterführende Links:
   Homepage der Münchner Lach- und Schießgesellschaft: http://www.lachundschiess.de
   Programmbeschreibung von Ziemlich dicht: http://www.lachundschiess.de/spielpl/htmprog/fsreb.htm


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