e-politik.de - Artikel  ( Artikel-Nr: 1550 )


38. Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik

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Huch, da ist ein Loch

Autor :  Philip Alexander Hiersemenzel
E-mail: redaktion@e-politik.de

Die wachsende Technologie-Lücke zwischen den USA und Europa droht die NATO zu spalten. Philip Hiersemenzel berichtet.


Angesichts der begrenzten Rolle des Bündnisses im Krieg gegen den Terror, war in den vergangenen Wochen die Bedeutung der NATO zunehmend in Frage gestellt worden. Einige europäische Teilnehmer äußerten sich frustriert über die mangelnde Beteiligung der Europäer. So beschwerte sich der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Karl Lamers, nach Ausrufung des Bündnisfalls habe "die NATO nicht mehr stattgefunden". Besonders in der amerikanischen Öffentlichkeit war in letzter Zeit der Sinn der Allianz in Frage gestellt worden. NATO-Generalsekretär George Robertson wiedersprach dagegen energisch der Auffassung, das Bündnis sei irrelevant. Die NATO-Kritiker hätten unrecht, die NATO sei nicht nur Teil des Kampfes gegen den Terror, sie sei sogar ein wesentlicher Teil.

"Capability Gap"

Konservative Kritiker in den USA werfen der NATO vor, inzwischen handlungsunfähig zu sein. Im Zentrum dieser Kritik steht der als "Capability Gap" beizeichnete wachsende militärisch-technologischer Abstand zwischen Amerika und seinen europäischen Alliierten. Über die Existenz dieses Abstand und den hiermit verbunden Problemen waren sich alle Teilnehmer der Konferenz einig. Die Technologielücke gefährde mittlerweile die "Interoperabilität" zwischen amerikanischen und europäischen Einheiten. Schon heute gäbe es bei der praktischen Durchführung gemeinsamer militärischer Operationen erhebliche Probleme.

Bereits im Vorfeld des Treffens in München hatte Robertson in Interviews geklagt, die Europäer täten nicht genug, um ihre selbst gesetzten Ziele zu erreichen. Europa könne zur Zeit seinen Verpflichtungen kaum gerecht werden. "Trotz aller europäischer Rhetorik und jährlichen Investitionen in Höhe von 140 Milliarden Dollar durch die europäischen NATO-Staaten, brauchen wir immer noch die Hilfe der USA, um große Operationen zu bewegen, zu befehlen und zu verpflegen", so Robertson. Die Europäer hätten auf dem Papier durchaus beeindruckende Armeen, hinter denen aber oft nicht allzu viel stecke.

Eine Einschätzung, die viele der Konferenzteilnehmer, besonders aber die Amerikaner teilen. So beklagte auch der als bedacht und liberale geltende US-Senator Joseph Lieberman die wachsende Lücke. An die Europäer gewand erklärte Lieberman, ein Fortbestehen dieser Lücke "gefährdet Ihre Sicherheit, belastetet uns überproportional und schafft eine unangenehme Unausgewogenheit in unserer Allianz". Schon in seiner Grußrede am Samstag hatte der Kanzlerkandidat der Union, Edmund Stoiber, dieses Problem thematisiert. Stoiber forderte, Europa dürfe sich nicht auf die USA verlassen. Auch wenn in Europa Erhöhungen der Verteidigungshaushalte in einer Größenordnung wie gerade in den USA geschehen undenkbar seien, so müsse man "selbst viel mehr für unsere eigene Sicherheit und den Weltfrieden tun".

Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik

Auch Robertson forderte die Modernisierung der europäischen die Streitkräfte, um den Abstand zu den USA aufzuholen. Wolle man sicherstellen, dass die Politik der USA sich nicht in Richtung Unilateralismus oder Isolationismus entwickle, müssten alle europäischen Staaten neue Bereitschaft zeigen, effektive Krisenmanagement-Fähigkeiten zu entwickeln. Gelänge dies nicht, so warnten sowohl europäische als auch amerikanische Teilnehmer, drohe die transatlantische Allianz langfristig zu zerbrechen. Nur wer etwas leiste, könne damit rechnen auch Einfluss auf die politische Gestaltung zu nehmen. Die Europäer beschwerten sich immer, sie seien "immer nur bei der Landung, nicht aber beim Start dabei", bemerkte der stellvertretende US-Verteidigungsminister Wolfowitz hierzu. Wer aber starten wolle, so Wolfowitz weiter, müsse auch in der Lage sein zu fliegen.

Die Diskussion bezog sich hierbei auf die Pläne der EU durch den Aufbau einer eigenständigen Eingreiftruppe von 50.000 bis 60.000 Mann eine aktivere Rolle in der Krisenbewältigung übernehmen. Aus der US-Delegation war zu hören, Amerika unterstütze dieses Vorhaben zwar weiterhin, aber es gelte sicherzustellen, dass dies nicht auf Kosten der NATO geschehe. Ohne eine deutliche Erhöhung der Verteidigungshaushalte sei dies nicht möglich.

Engagement auch der Amerikaner

Europäische Politiker, wie auch Bundesverteidigungsminister Scharping, wiesen derlei Kritik zurück und verwiesen auf die Weigerung der Amerikaner, technologische Entwicklungen mit den Europäern zu teilen. Eine Forderung, die auch Robertson unterstützte. Die USA müssten den Prozess der Modernisierung der europäischen Verteidigung unterstützen. Durch Aufhebung unnötiger Beschränkungen auf dem Gebiet des Technologietransfers und der industriellen Zusammenarbeit könne Washington die Qualität der vorhanden europäischen Fähigkeiten verbessern und die Probleme in der Zusammenarbeit der Streitkräfte verringern. Dies sei auch im Interesse der USA. Denn ohne einen solchen Transfer, so warnte Robertson, werde angesichts der hohen zusätzlichen amerikanischen Investitionen "praktische Interoperabilität mit Verbündeten, sei es innerhalb der NATO, oder in Koalitionen unmöglich" werden. Washington hätte dann "die Wahl alleine oder gar nicht zu handeln, und das ist keine echte Wahl".

Bild: Copyright liegt bei der NATO



Zur Dossierübersicht: Die 38. Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik




Weiterführende Links:
   Die Rede Robertsons: http://www.securityconference.de/konferenzen/reden/rede.asp?id=81&sprache=eng
   GASP im Internet: http://ue.eu.int/pesc/home.asp?lang=de


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