e-politik.de - Artikel  ( Artikel-Nr: 512 )


Das Politische Buch - Sachbuch

Gabriele von Arnim, u.a. (Hrsg.): Jahrbuch der Menschenrechte 2000

Autor :  Philipp Nowack
E-mail: redaktion@e-politik.de

"Wir sind nun also frei, die Menschenrechte als Primärzweck einer internationalen Ordnung zu erkennen, und frei, jede Verletzung der Menschenrechte anzuklagen."


So heißt es in der Vorlesung des Innsbrucker Politikwissenschaftlers Anton Pelinka, die das "Jahrbuch Menschenrechte 2000" einleitet. Der Grund sei folgender: Mit dem Ende des Kalten Krieges muss das, was früher als "Low Politics" - darunter auch die Menschenrechte - abgetan wurde, nicht mehr um der Stabilität der Blöcke willen hinten angestellt werden. Die Verhaftung Pinochets und der Kosovo-Krieg zeigen, dass das Prinzip der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten und in dessen Folge auch die Souveränität als ehernes Prinzip des Völkerrechts zumindest teilweise ausgedient haben und es statt dessen legitim ist, im Dienste der Menschenrechte Krieg zu führen.

Aber: Quis judicabit? Während die NATO und einzelne Staaten das Recht in die Hand nehmen, stehen die Vereinten Nationen zahnlos da. Der Internationale Strafgerichtshof wurde zwar im letzten Jahr aus der Taufe gehoben, um unter anderem Kriegsverbrechen und schwere Verbrechen gegen die Menschlichkeit zeitlich und örtlich unbeschränkt zu ahnden. Er leidet aber wie jedes Völkervertragsrecht darunter, dass sich die Staaten seiner Jurisdiktion freiwillig unterwerfen müssen.

Globalisierung als Gefahr für die Menschenrechte

Gefahr droht den Menschenrechten auch von anderen Entwicklung auf internationaler Ebene. Die viel zitierte Globalisierung schließt möglicherweise die Armen und Schwachen von der Entwicklung der Weltwirtschaft aus und gefährdet soziale und wirtschaftliche Anspruchsrechte. Politische Integrationsräume wie die Europäische Union geben sich Behörden und Aufgaben aber (noch) keine Grundrechtscharta, die die Rechtmäßigkeit zum Beispiel der europäischen Verwaltung zweifelsfrei sichern würde.

Dies ist der weite, interdisziplinäre Rahmen, innerhalb dessen sich die Aufsätze des Jahrbuches bewegen. Dieser Rahmen macht es unmöglich, die in einem Aufsatz aufgeworfene Frage zu beantworten, ob das kommende Jahrhundert ein autoritäres (in Anlehnung an Ralf Dahrendorf) oder eines der Menschenrechte sein wird. Folglich sind auch die Themen der Aufsätze höchst vielfältig: Journalisten berichten darüber, wie weit (oder eben nicht weit) die rechtliche Aufarbeitung der Militärdiktatur in Argentinien gediehen ist. Ein Philosoph räsoniert am Beispiel der Wahrheitskommissionen (die berühmteste aber nicht die einzige ist die südafrikanische) darüber, wie nicht nur dem Recht, sondern auch der Gerechtigkeit der Weg gebahnt werden kann. Juristen und Praktiker aus den Menschenrechtsorganisationen schreiben über Funktion, konkrete Arbeit und Wirksamkeit von nationalen und internationalen Institutionen. Politologen analysieren die Rahmenbedingungen für die Durchsetzung von Menschenrechten. Auf die Bedeutung des Kosovo-Krieges für die internationale Durchsetzung von Menschenrechten konnte angesichts des Redaktionsschlusses im diesjährigen Band übrigens nicht mehr im Detail eingegangen werden.

Guter Überblick über das Thema

Diese Ausrichtung garantiert eine thematische und analytische Breite des Jahrbuches, jenseits von Leichen- und Folteropferzählerei und jenseits von bloßen Appellen, dass schon viel erreicht sei, aber noch viel mehr getan werden müsse.

Die Breite verhindert naturgemäß eine gewisse Tiefe. Darüber waren sich die Herausgeber - Wissenschaftler in Verbindung mit der deutschen Sektion von amnesty international - auch im Klaren. Hilfreich für den, der sich in ein Thema vertiefen möchte, sind deshalb der Anhang mit Quellentexten, Tabellen, (Internet-) Adressen und die Literaturangaben zu den Aufsätzen. Leider sind diese Angaben nicht immer ausführlich geraten, manchmal fehlen sie ganz.

Das "Jahrbuch Menschenrechte" erschien erstmals zum 50-jährigen Jubiläum der Allgemeinen Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen im Dezember '98. Die Reihe wird fortgesetzt.

Gabriele von Arnim, u.a. (Hrsg.) - "Jahrbuch Menschenrechte 2000"
suhrkamp taschenbuch, 1999, 419 Seiten
DM 19,80
ISBN 3-518-39565-3





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