e-politik.de - Artikel  ( Artikel-Nr: 1880 )


Bundestagswahl 2002

Mobilcom

Lizenz zum Löhnen

Autor :  e-politik.de Gastautor
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Mit MobilCom steht ein weiterer Stern der deutschen Wirtschaft vor dem Abgrund. Nur eine Finanzspritze des Bundes rettete in letzer Sekunde die Solvenz. Christian Peters über diese "Hexerei" im Wahlkampf.


Im Mittelalter wäre die Koalition wahrscheinlich der Hexerei angeklagt worden, angesichts immer neuer Hiobsbotschaften, die in der Endphase des Wahlkampfes zur rechten Zeit von der bescheidenen Regierungsbilanz abzulenken helfen: Erst die Flutkatastrophe, die Schröder zum Prophet einer neuen deutschen Solidargemeinschaft mutieren ließ; dann die Irak-Krise, in der der Kanzler einmal mehr den richtigen Riecher für die Stimmungslage im Volk bewies und die Amerikaner mit beispielloser Kaltschnäuzigkeit abblitzen ließ - und nun die MobilCom-Pleite.

Schützenhilfe gegen den Insolvenzverwalter

Kaum war bekannt geworden, dass nach dem Rückzug von France Télécom für das Büdelsdorfer Unternehmen der Gang zum Insolvenzverwalter unmittelbar bevorstand, nutzte die Bundesregierung die Chance, in einer öffentlichkeitswirksamen Aktion den drohenden Zusammenbruch vorerst zu verhindern. Dabei hat sie durch die Entscheidung, die UMTS-Lizenzen zu versteigern, maßgeblichen Anteil am Niedergang des einstigen Senkrechtstarters am Neuen Markt. Nur so könne Transparenz und Marktkonformität gewährleistet werden, lautete im August 2000 das zentrale Argument für die Auktion.
Die 400 Millionen Euro, die nun die Fortführung der Geschäfte bei MobilCom einstweilen sicherstellen sollen, betrachtet die Regierung dagegen offenbar nicht als Wettbewerbsverzerrung.
Wenn es Popularitätspunkte verspricht, ist die Koalition gerne bereit, Bedenken gegenüber dem Eingreifen der Politik in das freie Spiel der Marktkräfte über Bord zu werfen - die Lehren aus der Holzmann-Pleite sind in Wahlzeiten schnell vergessen.

In den Augen Euro-Zeichen

Natürlich verhalf im Sommer 2000 vor allen Dingen die Verheißung von etlichen Milliarden Euro Sondereinnahmen durch die UMTS-Auktion Schröder & Co. zu einer so konsequent marktwirtschaftlichen Sichtweise. Dabei glaubten schon damals viele, dass die Rechnung so nicht aufgehen könnte. Ein Einwand lautete, dass infolge der Wertminderung des Telekom-Aktienpaketes des Bundes den Sondersteuereinnahmen durch die Lizenzversteigerung Verluste in ähnlicher Größenordnung gegenüberständen. Dazu kämen Millarden an Steuerverlusten durch den drastischen Rückgang der Unternehmensgewinne.

Beauty Contest

Andere Länder, allen voran Frankreich und Spanien, gingen bei der Vergabe der Frequenzen einen anderen Weg. Dieser ließ zwar den Sondergewinn für den Staat wesentlich kleiner ausfallen, verhalf aber den heimischen Unternehmen zu einem Wettbewerbsvorsprung gegenüber der ausländischen Konkurrenz. In einem so genannten "Beauty Contest" wurden die Lizenzen nicht dem Meistbietenden zugeschlagen, sondern nach bestimmten Kriterien vom Staat vergeben. Dass dabei vorzugsweise die heimischen Netzbetreiber bedacht wurden, führte zu allerlei Polemik, konnte aber niemanden überraschen.

Fehler bei der UMTS-Vergabe

Die Bundesregierung muss sich angesichts der erschreckenden Bilanz des UMTS-Abenteuers den Vorwurf gefallen lassen, bei der Gestaltung des Telekommunikationsmarktes ungeschickt, wenn nicht dilettantisch vorgegangen zu sein. Statt der ruinösen Auktion wäre eine Vergabepraxis mit langfristiger Perspektive für den Markt und die Kunden wichtig gewesen.
Die ad-hoc-Rettungsaktion von MobilCom, einem der Opfer dieser verfehlten Politik, verdeutlicht indes, dass die Bundesregierung keine strategischen Konzepte vorzuweisen hat.

Selbst konsequenter Protektionismus wie in Frankreich scheint da noch marktgerechter zu sein. Dort ist es ein wichtiger Teil der Wirtschaftsdoktrin, durch gezielte Maßnahmen die heimische Industrie in der globalen Wirtschaft vorteilhaft zu positionieren. Deshalb kam France Télécom bei dem "Schönheitswettbewerb" in Frankreich für die vergleichsweise geringe Summe von 4,95 Milliarden Euro zum Zuge und konnte finanziell relativ unbelastet über seinen Mobilfunkanbieter Orange beim Bieten um die deutschen Lizenzen erfolgreich sein.
Die Deutsche Telekom mit T-Online hingegen hatte nach der kostspieligen Auktion in der Heimat keine Mittel mehr, um sich in den französischen Markt einzukaufen.

Machtkalkül vor Nachhaltigkeit

Aber das Machtkalkül wiegt den Regierungsparteien noch immer schwerer als nachhaltige Wirtschaftspolitik. Wenn das Urteil der EU-Kommission zur Vergabe der MobilCom-Kredite negativ ausfällt, bleibt diese Maßnahme ohnehin nur eine Fußnote zum Wahlkampf 2002. Dann wird die Bilanz des UMTS-Abenteuers den Verlust einiger tausend weiterer Arbeitsplätze aufweisen - zusätzlich zu dem Ron Sommers. Der ehemalige Telekom-Chef wäre ohne die 8,5 Millarden Euro UMTS-Miese in der Konzernbilanz wohl weiter im Amt.
Kanzler Schröder, der noch Mitte Mai den Vorstandsvorsitzenden in einem Interview mit dem "Stern" verteidigt hatte, ließ ihn im Wahlkampf fallen wie eine heiße Kartoffel - verärgerte Kleinaktionäre sind eben auch potenzielle Wähler. Die Koalition braucht gar keine Hexerei, um in Krisenzeiten als Retter zu punkten. Manchmal reicht es eben, die Früchte der eigenen Fehler zu ernten.

Copyright des Bildes liegt bei der MobilCom AG




Weiterführende Links:
   Homepage der Mobicom AG: http://www.mobilcom.de
   Die Bundesregierung zur Rettung von MobilCom: http://www.bundesregierung.de/index-,413.439164/Bundesregierung-wendet-Insolve.htm


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