e-politik.de - Artikel  ( Artikel-Nr: 1598 )


Irak

Dr. Andreas Paulus

Der Terror, der Krieg und das Recht - Teil 2

Autor :  Redaktion e-politik.de
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Die Ereignisse des 11. September und der Krieg gegen den Terror haben das Völkerrecht wieder stärker in den Mittelpunkt gerückt. e-politik.de sprach mit dem Völkerrechtsexperten Dr. Andreas Paulus von der Ludwig-Maximilians-Universität München.


Drohender Rückschritt bei der "Terrorismus"-Definition?

e-politik.de: Es gibt ja nun schon seit Jahren Bemühungen für den Terminus "Terrorismus" eine einheitliche Definition zu finden. Diese Bemühungen haben jüngst einen erheblichen Rückschlag erlitten. Ist, angesichts der verschiedenen Interessen, eine Einigung auf diesem Gebiet überhaupt vorstellbar?

Paulus: Es gehört zu den klassischen Problemen der Terrorismus-Diskussion, dass die einen als Terroristen und die anderen als Freiheitskämpfer dargestellt werden. Dennoch sind erhebliche Fortschritte gemacht worden. Man sollte nicht jeden Tag den Puls der Verhandlungen fühlen. Das ist ein langer Prozess, der auch schon lange vor dem 11. September angefangen hat. Die Tagesform ist sicherlich nicht entscheidend. Ich kann mir aber schon vorstellen, dass es am Ende eine übergreifende Terrorismus-Konvention geben wird. Im übrigen gibt es schon zahlreiche Einzelkonventionen, die die wesentlichen Aspekte des Terrorismus umfassen.

e-politik.de: Glauben Sie, dass es innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre zu einer Verständigung darüber kommt, wer ein Terrorist ist?

Paulus: Wichtig ist, und dass wäre wohl auch das Wesentliche einer solchen Terrorismusdefinition, dass man bestimmte Mittel einer politischen Auseinandersetzung in keinem Fall gut heißt. Genauso muss gelten, dass, wie gerecht auch immer die Sache sein mag, für die der eine oder andere sich als Freiheitskämpfer einsetzt, bestimmte Dinge nicht akzeptabel sind: beispielsweise Attacken gegen die Zivilbevölkerung, in der Art, wie sie auch Israel andauernd erleidet, aber auch zum Teil selbst durchführt.

UN-Sicherheitsrat erkennt Argumentation der USA an

e-politik.de: Mit der Klassifizierung des Terrorismus als Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit wagte sich der Sicherheitsrat auf völkerrechtliches Neuland vor. Durch die Resolution 1368 des Sicherheitsrates werden terroristische Anschläge des Ausmaßes vom 11. September einem widerrechtlichen Angriff auf einen Staat gleichgestellt. Welchen Spielraum gibt dies den USA?

Paulus: Diese Resolution erweitert den Spielraum theoretisch nicht. Was sie aber tut ist folgendes: Dadurch, dass sie in der Präambel das Recht auf Selbstverteidigung erwähnt, ist doch eine gewisse Bereitschaft des Sicherheitsrates erkennbar, die Argumentation der Vereinigten Staaten zu akzeptieren, dass die USA also berechtigt sind, sich bei einen Angriff, der nicht von einem Staat ausgeht, mit militärischen Mitteln zu verteidigen und den Krieg sozusagen - wie das der stellvertretende Verteidigungsminister Wolfowitz gerne ausdrückt - in das Land zu tragen, dem Terroristen angehören.

Kriterien für ein Militärtribunal

e-politik.de: Nach Vorstellung der USA sollten die Guantanamo-Häftlinge vor ein Militärtribunal gestellt werden. Wie müssen die Kriterien für ein solches Tribunal aussehen?

Paulus: Die Genfer Konventionen legen sich hier nicht fest. Für formale Kriegsgefangene gilt die Zuständigkeit eines Gerichts, welches den ordentlichen Truppen-/ Militärgerichten für die eigenen Soldaten entspräche. Hier gibt es in Amerika eine sehr ausgeprägte und funktionierende Militärjustiz. Diese wäre auch dafür zuständig. Bush wollte allerdings auf die Kriegsgefangenen eine Sonderstruktur anwenden, Sondertribunale, deren richterliche Unabhängigkeit problematisch gewesen wäre, weil sich Bush die Letztentscheidung über jeden einzelnen Fall vorbehalten wollte. Was daraus wird, weiß man noch nicht, weil die Verfahrensordnung noch nicht vorliegt. Solche Tribunale wären in jedem Fall - unabhängig vom Status der Gefangenen - ein Verstoß gegen sowohl das humanitäre Völkerrecht, wie es in den Genfer Konventionen kodifiziert ist, als auch gegen allgemeine Rechtsgrundsätze.

e-politik.de: Aber ein reguläres amerikanisches Militärtribunal wäre durchaus vertretbar?

Paulus: Ein reguläres amerikanisches Militärtribunal wäre vertretbar, ebenso wie eine Zuständigkeit der gewöhnlichen Zivil- oder Strafgerichtsbarkeit.

e-politik.de: Ein Blick in die Zukunft. Falls die USA auf ihrer Position verharren, wie könnten die Gefangenen in Guantanamo eine andere Behandlung durchsetzen?

Paulus: Eine gewisse Durchsetzung hat man ja bereits gesehen: Es gab die Besuche des Internationalen Kommittees vom Roten Kreuz, es gab Besuche von Kongressabgeordneten, es gab Interventionen von Regierungen, deren Staatsangehörige dort zum Teil festgehalten werden. Man kann wohl kaum sagen, dass diese Interventionen ohne Erfolg waren. Entscheidend für die jetzt gemäßigtere Position war aber wohl, dass nicht nur der Außenminister, sondern auch die Joint Chiefs of Staff - also die höchste Militärführung in den USA - daran interessiert sind, die Genfer Konventionen anzuwenden, um im umgekehrten Fall sicherzustellen, dass amerikanische Soldaten nicht ihres Schutzes beraubt werden.

Zwang im Sinne von Folter ist ausgeschlossen

e-politik.de: Eines der entscheidenden Rechte eines Kriegsgefangenen ist, dass sie nicht nach Informationen befragt werden dürfen, sondern nur Angaben zu Namen, Dienstgrad und Nummer geben müssen. Die USA sind aber an weiter reichenden Informationen interessiert, zum Beispiel im Hinblick auf zukünftige terroristische Anschläge. Sollte es nun bei der Bezeichnung der Gefangenen als "illegale Kombattanten" bleiben, wie weit dürften die USA bei ihrer Befragung gehen?

Paulus: Aus dieser Unterscheidung ist in der Öffentlichkeit zu viel herausgelesen worden. Auch ordentliche Kriegsgefangene dürfen befragt werden. Sie dürfen nur nicht gezwungen werden zu antworten, das heißt, sie dürfen keinen disziplinarischen Maßnahmen unterzogen werden. Auch für nicht-formale Kriegsgefangene, die den Mindestschutz unter den Genfer Konventionen genießen, gilt, dass sie in keiner Weise gefoltert werden dürfen. Wenn allerdings die eigene Sicherheit auf dem Spiel steht, dürfen natürlich härtere Maßnahmen ergriffen werden, aber ein Zwang im Sinne von Folter ist ausgeschlossen. Foltern ist in jedem Falle unstatthaft. Insofern ist die Unterscheidung von freiwilligen Aussagen von Kriegsgefangenen und unter schärferem Druck stehenden normalen Gefangenen kleiner, als das in der Öffentlichkeit dargestellt wird.

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