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( Artikel-Nr: 1575 )Das Who is Who des Terrorismus - zur Typenbildung in der Terrorismus-Forschung Autor : Antje Helmerich Terrorismus ist seit vielen Jahren, lange bevor er in der Gestalt der Attentäter
des 11. Septembers 2001 die Bühne der Öffentlichkeit betrat, ein weltweites Phänomen. Antje Helmerich über Strömungen und Zielrichtungen. Auf allen Kontinenten gibt es terroristische Gewalt, ob in Nordirland und im
spanischen Baskenland direkt vor unserer europäischen "Haustür", ob im Nahen und
Mittleren Osten, in Sri Lanka, auf den Philippinen, im kolumbianischen Urwald
oder in den peruanischen Anden.
Von Haschischessern und Gotteskriegern Religiösen Terrorismus gab es bereits im 11. Jahrhundert, als die Assassinen,
auch Haschischesser genannt, in Persien ihr Unwesen trieben. Religiöser
Terrorismus erscheint auch heute noch unberechenbar, für Außenstehende schlicht
unverständlich. Indem er sich durch eine übergeordnete Mystik legitimiert,
erlangt die Gewalt einen besonders hohen, sich "weltlichen" Argumenten
entziehenden Stellenwert: Aktionen scheinen besonders skrupellos, rücksichtslos
auch dem eigenen Leben gegenüber. Aber: nicht alles, was religiös erscheint, ist es auch. Nach der klassischen
Definition strebt der religiöse Terrorismus nach der Errichtung eines
Gottesstaates. Doch welche der heute noch aktiven Gruppierungen will das
wirklich? Die schiitische Hisbollah im Libanon, die sich zunächst gegen die
allgegenwärtige PLO, später gegen die israelischen Invasoren wandte? Die
islamische Abu Sayyaf auf den mehrheitlich katholischen Philippinen, die seit
Jahren für die Einrichtung eines eigenen Staates kämpft? Selbst die Hamas,
deutsch "Bewegung des islamischen Widerstands", nennt längst die Einrichtung
einer islamischen Gesellschaft nur noch nebulös als Fernziel. Stadtguerilla im Industriestaat? Ein weiterer Typ ist der linksrevolutionäre Terrorismus. Ihm ist es gelungen,
über Jahre hinweg hochindustrialisierte, liberale Rechtsstaaten wie Deutschland
oder Italien in Atem zu halten. Man denke zurück an den deutschen "Heißen
Herbst" 1977, als sich die "Stammheimer" Inhaftierten umbrachten und
Arbeitgeberpräsident Schleyer ermordet wurde, als der Rechtsstaat unter Druck
geriet und manch polizeiliche Maßnahme ersonnen wurde, die nach dem 11.
September wieder aus der Schublade geholt worden ist. Doch die von der "Stadtguerilla" geforderte revolutionäre Umgestaltung der
bestehenden Ordnung erwies sich als nicht durchsetzbar. "Befreiung aller
Unterdrückten dieser Erde" - damit konnten letztlich die meisten Deutschen oder
Italiener nichts anfangen. So verlor der linksrevolutionäre Terrorismus nach
seiner "Sternstunde" in den siebziger Jahren schnell die überlebensnotwendige
Unterstützung in der Bevölkerung. Schon die abstrakten, intellektuellen
Botschaften blieben für den Großteil der Gesellschaft ein Rätsel. Söhne des Volkes Wesentlich erfolgreicher, langlebiger und tiefer verwurzelt ist hingegen der
ethnische, meist separatistische Terrorismus. Er entstand in den fünfziger
Jahren im Zuge der weltweiten Entkolonisierung. Und er hatte schnell Erfolg:
Israel, Zypern und Algerien verdanken ihre staatliche Unabhängigkeit nicht
zuletzt den Aktivitäten terroristischer Gruppierungen. Heute denken wir vor
allem an die ETA im Baskenland, die IRA in Nord-Irland, die verschiedenen
Gruppen in Korsika, wenn wir an ethnischen Terrorismus denken. Die meisten dieser Organisationen können bereits auf eine jahrzehntelange
Existenz zurückblicken. Ihre Langlebigkeit kommt nicht von ungefähr, denn sie
haben das, was den Linksterroristen fehlte: enge Verbindung zu jenem Teil der
Bevölkerung, deren Interessen sie zu vertreten vorgeben. Sie fühlen sich als
Wortführer einer eingekesselten Ethnie, ihre Toten werden verehrt als "Märtyrer
einer unterdrückten Nation", als "Söhne eines leidenden Volkes". Die Botschaft,
das simple "wir gegen euch", basierend auf einem nationalistischen
Freund-Feind-Schema, wird allerorts verstanden, erzeugt Gruppendruck und
Solidarität. Weniger klar sind oftmals die tatsächlichen Ziele. Wollen ethnische
Terroristen wirklich immer Unabhängigkeit? Gerade im Westeuropa des 21.
Jahrhunderts erscheint dies mehr als fraglich. So geht es meist wohl eher darum,
einen Staat dauerhaft zu bedrängen, das gesellschaftliche Klima zu vergiften,
Institutionen zu destabilisieren und allerlei Zugeständnisse für die vertretene
Volksgruppe zu erpressen.
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Terroristen sind sie allesamt - doch wie unterscheiden sie sich? Welche Typen
von Terrorismus gibt es?
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