e-politik.de - Artikel  ( Artikel-Nr: 1644 )


Französische Präsidentschaftswahlen 2002

Montage: Timour Chafik

Überbleibsel Parlament

Autor :  Timour Chafik
E-mail: redaktion@e-politik.de

Rationalisierter Parlamentarismus - so lässt sich eine radikale Beschneidung parlamentarischer Befugnisse höflich ausdrücken. Ein Schuss De Gaulle und ein Schuss egoistischer Machtanspruch - Timour Chafik über die Anfänge der Fünften Republik.


Werfen wir einen Blick zurück ins Jahr 1958. Der 28. September des Jahres ist ein heißer Tag in den Straßen der französischen Hauptstadt, denn Frankreich stimmt für de Gaulle und seinen Verfassungsentwurf. Für den General ein Erfolg: Artikel 92, vom Volk just legitimiert, erlaubt der Regierung das Erlassen von Ordonnances, Verordnungen mit Gesetzeskraft, wodurch die Befugnisse der einzelnen Verfassungsorgane en détail geregelt werden. Frankreichs neue Verfassung ist alles, nur nicht parlamentarischen Ursprungs.

De Gaulles Darwinismus

Der Ausgangspunkt für diese radikale Abkehr von der Theorie der unumschränkten Parlamentsherrschaft findet sich in der Begriffsinterpretation de Gaulles zur Nation. Für den General ist der Begriff geschichtspolitische Abstraktion und politisches Ideal zugleich, denn ähnlich wie Unkraut wird auch Frankreich nicht vergehen, "La France ne passera pas".

Im Gegenteil: um Frankreichs Rang unter den Nationen erfolgreich zu behaupten, bedarf es eines machtvollen französischen Staates. Nicht verwunderlich, dass sich de Gaulles an der in seinen Augen außen- und verteidigungspolitisch unfähigen III. und IV. Republik des ancien régime festbiss. "Parlamentarische Versammlungen", befand er, "sind ihrer Natur nach außerstande, die für das Überleben der Nation erforderlichen Entscheidungen rasch und wirksam zu treffen". Eine starke Autorität braucht das Volk, sonst nichts.

Der Rest kann weg

Die wichtigste Rolle in der Verfassungsreform Charles de Gaulles fiel damit unweigerlich dem Staatsoberhaupt zu. Von ihm, nicht vom Parlament soll die Exekutivgewalt ihre Autorität ableiten, so dass dem Staatschef entsprechende Befugnisse einzuräumen sind: Ernennung des Premiers und der übrigen Kabinettsmitglieder, Verkündung der Gesetze und der Erlass von Rechtsverordnungen, Vorsitz im Ministerrat.

Der Staatschef wurde als Inkarnation staatlicher Autorität dem Parlament gegenübergestellt. Im Falle einer Bedrohung sollte er die erforderlichen Maßnahmen selbst ergreifen. Letzte politische Instanz ist somit der Staatspräsident. Das Parlament - "welch Forum des Parteienstreits, welch Element politischer Instabilität" (De Gaulle) - ein Überbleibsel des Frühparlamentarismus.

Zurück zu Dossier und Forum

Fotomontage: Timour Chafik





© 2003 - e-politik.de - Der Artikel ist ausschließlich zur persönlichen Information bestimmt. Weitergabe an Dritte nur nach schriftlicher Genehmigung.