e-politik.de - Artikel  ( Artikel-Nr: 485 )


Pop und Politik im Januar 2000

Consolidated

Im Interview - Adam Sherburne von Consolidated

Autor :  Katrin Hildebrand
E-mail: redaktion@e-politik.de

Pop und Politik, geht das zusammen? Consolidated beweisen es.


Sie gelten bis heute als die politischste US-Band im Musikgeschäft. Consolidated aus New York haben jüngst ihr sechstes Album "Tikkun (Surviver Demos)" veröffentlicht. e-politik.de sprach mit Adam Sherburne, Kopf von Consolidated.

Consolidated haben sich musikalisch gewandelt. Noch vor einiger Zeit klangen sie hart und krachig, mit Hardcore Raps und Noise Samples. Auf dem bei clearspot/EFA veröffentlichten aktuellen Album "Tikkun" (hebräisch für "Heilung") überwiegen Funk, Soul und ruhiger Hip Hop. Einige Songs sind hitverdächtig. Die Texte sind nicht mehr ganz so radikal, Consolidated bleibt aber doch sehr politisch. Es geht um Themen wie soziale Gerechtigkeit und Globalisierung. Vehement treten sie für die Rechte von Ausländern und Homosexuellen ein. Nicht selten wird während den Konzerten spontan mit dem Publikum über kontroverse politische Themen diskutiert. Adam Sherburne, Kopf von Consolidated, blickt in unserem Interview zurück und in die Zukunft.

e-politik.de: Eure Arbeit bei Consolidated ist eigentlich eine zweischneidige Angelegenheit. Auf der einen Seite begreift ihr Euch als politische Aktivisten, auf der anderen seid Ihr eine gewöhnliche Band. Welche Rolle spielt denn nun die Musik bei Consolidated?

Adam: Eindeutig die primäre Rolle. Die Musik hat für mich damals den Ausschlag gegeben, überhaupt in einer Band zu spielen, und sie ist nach wie vor meine Inspirationsquelle. Ich bin Musiker. Da ich in meinem gesellschaftlichen Umfeld jedoch häufig auf Gewalt und gestörtes Sozialverhalten stoße, liegt es mir näher, über Eskapismus und Pornografie zu schreiben als übers Geldverdienen und happy Partypeople. Text und Musik sollten sich dabei auf demselben Niveau bewegen. Aber ob Du's glaubst oder nicht: Musik ist für mich immer noch das Wichtigste an Consolidated.

e-politik.de: Bist Du der Ansicht, dass in den Tagen von Konsumgesellschaft und Orientierungslosigkeit der politische Aktivismus noch einen Effekt hat? Gerade in der Musik sieht es doch eher düster aus. Man denke bloß an all die Bands, die nur auf kommerziellen Erfolg abzielen?

Adam: Es ist nicht meine Aufgabe, andere Bands dafür zu kritisieren, dass sie sich darum bemühen, einen Auftritt zu bekommen. Dennoch glaube ich, dass die Musikindustrie dafür geschaffen wurde, Künstler aufzusaugen, zu vermarkten und schließlich wieder auszuspucken. Daher haben wir uns nie als Band im traditionellen Sinn verstanden. Auf der anderen Seite trägt natürlich auch die politische Arbeit ihre eigenen Widersprüche in sich. Dennoch habe ich oft erlebt, wie Aktivismus Menschen positiv verändert hat. Er zwingt sie, sich den eigenen Schattenseiten zu widmen, gegen sich selbst anzukämpfen. Mir ging es dabei nicht anders. Indem man sich selbst verändert, verändert man vielleicht auch einen kleinen Teil der Welt. Und dafür lohnt sich der Aufwand.

e-politik.de: Du sprichst von Deiner eigenen Veränderung. Eure Songs reflektieren häufig das Grauen einer männlich dominierten Welt. Hat die Auseinandersetzung mit dem Thema Dir selbst dabei geholfen, Dich als Mann neu zu definieren?

Adam: Auf jeden Fall. Ich hatte lange Zeit keine Ahnung, was für ein Arschloch ich früher war. Was nicht heißen soll, dass ich heute ein Heiliger bin. Es vergeht kaum ein Tag, an dem ich nicht irgendeinen Blödsinn treibe. Nur habe ich nicht mehr die Ausrede, von nichts zu wissen. Gerade was männliche Brutalität anbelangt, habe ich unbeschreibliche Dinge gehört und gesehen. Doch ich glaube, dass gerade solche Männer unter dem harten Panzer ihre Verzweiflung verbergen. Sie müssen erst herausfinden, dass Gewalt nicht das ist, was sie eigentlich wollen.

e-politik.de: Wahrscheinlich wirft man Dir oft vor, das perfekte Klischee eines politisch aktiven Musikers zu erfüllen: jemand, der viel über Probleme redet, damit letztlich aber nichts ändert. Wie gehst Du mit solchen Anfeindungen um?

Adam: Mit solchen Angriffen muß ich mich nicht abgeben. Allein die Tatsache, dass es sie gibt, spricht für sich selbst. Wer so etwas sagt, ist ein Zyniker und zutiefst negativer Mensch. Für derlei kindisches Gehabe bin ich mittlerweile einfach zu alt.

e-politik.de: Ein Lied auf Eurem letzten Album "Tikkun" fiel mir besonders auf. "Sex Work" behandelt das Thema Cybersex mit einem Sarkasmus, der seinesgleichen sucht. Zählt Provokation nach wie vor zu Euren wichtigsten Stilmitteln?

Adam: Unsere beiden letzten Alben lassen sich als Soundtrack zu einem Drehbuch des amerikanischen Künstlers John Stoltenberg begreifen. Darin geht es um sexuelle Gewalt. "Sex Work", der letzte Song dieses Zyklus, ist eine Art Klimax, ein letzter Aufschrei. Doch nicht alle unsere Songs leben von der Provokation. In der Vergangenheit haben wir diesen Aspekt sicherlich überreizt. Bis wir irgendwann gemerkt haben, dass der Schuss genauso gut nach hinten los gehen kann. Unsere neuen Tracks sind dynamischer, wir schöpfen aus einem größeren künstlerischen Repertoire.

e-politik.de: Sie sind nicht nur dynamischer, sondern auch weicher und verspielter. Gibt es besondere Gründe für diese Stiländerung?

Adam: Die wichtigsten Punkte unseres Stils haben wir nie geändert. Allerdings ist uns aufgefallen, dass es mittlerweile zu viele Bands gibt, die sich in dem Graubereich zwischen Industrial und HipHop bewegen. Das Ganze hat sich zu einem Trend entwickelt, der sich immer mehr dem Massengeschmack anbiedert. Genauso uninspiriert wie die Musik dieser Bands erscheint mir auch ihre politische Haltung. Die Szene ist zu einem Witz verkommen. Die Fans verhalten sich mittlerweile ebenso aggressiv wie ihre politischen Gegner. Frauen werden belästigt, es kommt zu Schlägereien. Mit einem Mal fühlte ich mich wie ein Außenseiter, der die Entwicklung nicht mehr nachvollziehen kann. Das spiegelt sich natürlich auch in der Musik.

e-politik.de: Du lamentierst viel über die Schwachpunkte der Unterhaltungsindustrie. Aber als Musiker musst Du auch damit umgehen.

Adam: Auf der einen Seite wird mir schlecht, wenn ich höre, was sich bei meinen Kindern auf den Plattentellern dreht. Andererseits ist Consolidated natürlich auch ein Teil des Business. Bevor das, was wir von uns geben, zum Publikum durchdringt, muss es erst einmal durch den Filter der Musikindustrie. Dabei besteht natürlich die Gefahr, dass am Ende etwas völlig anderes heraus kommt. Daher versuchen wir, den Kontakt zum großen Geschäft auf das Nötigste zu beschränken. Wir wollen ja genau das Gegenteil. Consolidated zielt darauf ab, die zerstörerischen Tendenzen der Kulturindustrie aufzudecken, nicht, sie zu verschleiern.

e-politik.de: Hast Du zum Schluss noch einen Rat an alle, die sich politisch engagieren wollen. Gibt es für Dich eine Idealvorstellung von einem politisch aktiven Menschen?

Adam: Um Himmels willen, nein. Jeder soll so sein, wie er möchte. Von der viel gepredigten Political Correctness habe ich die Schnauze voll. Ich kenne anarchistische Veganer, die emotional verkrüppelter sind als mancher Yuppie. Der einzige Spruch, der mir dazu jetzt einfällt, ist: Arbeite an Dir selbst. Genau. Das ist die zentrale Maxime des politischen Aktivismus. (lacht)

Foto: Copyright liegt bei clearspot/EFA





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