e-politik.de - Artikel  ( Artikel-Nr: 2057 )


Tagebuch einer Magisterkandidatin

Tagebuch ein einer Magisterkandidatin

Tagebuch eines Magisterkandidaten Folge 23

Autor :  e-politik.de Gastautor
E-mail: redaktion@e-politik.de

Das Studium ist abgeschlossen, die Suche nach einer neuen Identität beginnt erst. Mit den Betrachtungen über ein Leben nach der Immatrikulation endet das "Tagebuch eines Magisterkandidaten"


Was bin ich?

Geneigte, hochgeschätzte Leser! Ich weiß nicht, wie oft ich Entwürfe dieser Folge des "Tagebuchs" umgestellt, gelöscht, neu geschrieben und wieder gelöscht habe. Denn ich wusste, es würde die letzte Folge sein. Und die sollte besonders werden. Besonders genial, besonders witzig, besonders besonders eben. Denn meine Abenteuer mit dem Uni-Alltag sind jetzt vorbei; ich bin jetzt keine Magisterkandidatin mehr; was meine Identität jetzt ausmacht, muss ich erst noch herausfinden.

An dieser Stelle möchte ich erstmal allen danken, die mich das letzte Jahr über am Schreiben gehalten haben; allen voran dem e-politik-Team. Aber auch all den Cafeteria-Bekanntschaften, die mir den Eindruck gaben, einen gewissen Berühmtheitsgrad erlangt zu haben. Warum? Nun ja, es ist einfach cool, wenn jemand gedehnt fragt, der meinen zugegeben etwas seltsamen Namen zum ersten Mal hört, ob ich die Joyce bin, die immer so lustige Kolumnen schreibt. Ja, das bin ich, und ich hab nur eine Kolumne mit verschiedenen Folgen geschrieben, Schätzchen. Also halten wir fest: Ich bin jemand, der seit mittlerweile einem Jahr im Internet ein bisschen über sein eigenes Leben erzählt.

Joyce Mariel, M.A.

Tatsache zwei: Seit dem 14. Februar diesen Jahres habe ich einen akademischen Titel. Nun gehöre ich nicht wirklich zu der Sorte Zeitgenossen, die allzu bescheiden sind. Und deswegen versuche ich auch, diesen neu erworbenen Namenszusatz so oft wie möglich anzubringen. Die Kassiererin im Supermarkt ist schon völlig genervt, weil ich nur noch mit EC-Karte bezahle, um "Joyce Mariel, M.A.," so oft wie möglich auf Papier zu bannen. Wie von Zauberhand eröffnen sich neue Welten. Man hat für den Rest seines Lebens das Recht, 15 Minuten zu spät zu kommen - ein Akademiker kann sich die akademische Viertelstunde erst recht herausnehmen. Man steigt die nächste Stufe auf dem Weg in die finanzielle Glücksseligkeit hinauf, weil man ganz einfach schon ein abgeschlossenes Studium zu bieten hat. Und ich habe endlich die Möglichkeit, dem Sozialkundelehrer aus meiner alten Schule im Internet-Gästebuch so richtig die Meinung zu geigen.

Kurz bevor ich Abiturprüfungen hatte sagte er gehässig vor den versammelten Colloquiumsprüflingen, es seien Leute im Klassenzimmer, die besser von einem Politikstudium absehen sollten. Ich weiß bis heute, dass er mich meinte, weil ich die einzige war, die in seiner Blickrichtung saß. Und so einen Abschluss anzuführen, besitzt einfach mehr Nachdruck, als wenn ich "ätsch, ich studiere doch Politik!" geschrieben hätte. Nicht zu vergessen meine Durchschnittsnote, die mich erst recht überheblich machen könnte. Erwähnt werden muss auch dieser eine Satz, der im Gutachten zu meiner Magisterarbeit stand: "Die Verfasserin beweist mit der vorliegenden Arbeit zweifellos schriftstellerisches Talent." Also, schreiten wir nun zur zweiten Zusammenfassung. Ich hab' im letzten Jahr im Internet ein bisschen von mir erzählt, hab' jetzt einen Abschluss und bin kurz davor, überzuschnappen.

"Ihre Mitarbeiterkennnummer, bitte!"

Und weil so viel Größenwahn erstmal ein bisschen Geld braucht, wurde ich wieder mal zur Angestellten. Ich arbeite jetzt bis August diesen Jahres für eine Stiftung, die von einer weltweit bekannten Firma finanziell unterstützt wird. Gleichzeitig zur Akademikerin bin ich also Arbeitnehmerin. Nun bringen vor allem große Firmen einige nette Eigenheiten mit sich. Es gibt schmale, enge Räume, in denen viel Kaffee gekocht wird, obwohl auf der Eingangstür "Teeküche" steht. Einmal in der Woche ist man in einem Meeting und die Kollegen rufen an, anstatt kurz den Gang hinunter in dein Büro zu gehen. Sowohl Personal- als auch EDV-Abteilung teilen einzelnen Mitarbeitern verschiedene Kennnummern zu. Demnach bin ich jetzt also eine siebenstellige Kombination aus Zahlen und Buchstaben, die einen akademischen Titel hat und auf eine Festanstellung hofft, obwohl die Chancen dafür eher schlecht stehen. Sollte ich jemals zum Binärcode werden, lasse ich es euch wissen.





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