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e-politik.de - Artikel
( Artikel-Nr: 1710 )Im Zentrum der Macht Autor : e-politik.de Gastautor Schockierend, überraschend - aber auf jeden Fall eine wichtige Erfahrung. Elisabeth Falgner, Politikstudentin aus München, hat ein Praktikum im Bundestag absolviert. Ein persönlicher Bericht über Leben und Arbeiten im Zentrum der deutschen Politik. Während meiner ersten Arbeitstage war ich noch baff, als Herta Däubler-Gmelin "meiner" Abgeordneten Erika Reinhardt (CDU) freundlich zuwinkend über eine der Schwindel erregenden Hängebrücken im Abgeordneten-Haus an uns vorbeirauschte. Doch mit der Zeit gewöhnt man sich an alles. Kaum eine Woche vergeht und ich habe mit Merz diskutiert, Kohl umarmt, dem usbekischen Botschafter die Hand geschüttelt und dem ruandischen den Bundestag gezeigt.
Im Rahmen des Praktikantenprogramms traf ich zudem wichtige Leute der CDU/CSU-Fraktion zu gemeinsamen Gesprächen - unter anderem Wolfgang Schäuble, Peter Ramsauer oder Hartmut Koschyk. Diese Runden von etwa 40 Leuten waren die ideale Gelegenheit, den Politikern mal auf den Zahn zu fühlen. Auch wenn einige nur um den heißen Brei herumredeten und mich nach den Gesprächen das seltsam leere Gefühl beschlich, nicht mehr zu wissen als vorher. Keine Chance für PDS-Gesetzesanträge Bedauerlicherweise sind ähnliche Runden mit Politikern von SPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen oder der PDS nicht vorgesehen. Denn die CDU/CSU-Fraktion will mit den "roten Socken" nichts zu tun haben. Ich habe diese daraufhin heimlich aufgesucht. Von einem SPDler erfahre ich von einem unausgesprochenen Pakt aller Abgeordneten gegen die PDS. Selbst hochwertige PDS-Gesetzentwürfe werden so grundsätzlich abgelehnt. Ein Schock für mich, dass das Bürgerwohl derart ignoriert wird. Ist Sitzungswoche, bedeutet das viel Arbeit für unser kleines Dreiraum-Büro, bestehend aus Referent, Sekretärin und mir. Alle Abgeordneten kommen aus ihrem Heimatwahlkreis zurück, um über Gesetzesvorlagen im Plenum abzustimmen. Tatsächlich beginnt eine Sitzungswoche bereits am Sonntag. Wichtige Entscheidungen fallen dann informell in Telefonaten und auf der Fraktionsvorsitzenden-Versammlung am Montag. Alles Unwichtige kommt in der Früh Die inhaltliche Arbeit leisten die jeweiligen Arbeitsgruppen, die themen- und fraktionsgebunden besetzt sind. In meinem Fall die CDU/CSU-Arbeitsgruppe "Entwicklungszusammenarbeit". Sie kommt immer am Dienstag Morgen um acht Uhr zusammen. Böse Zungen behaupten ja, dass alles Unwichtige in der Früh stattfindet... Vor allem die Arbeitsgruppe, aber auch den Ausschuss am nächsten Tag, habe ich als eine einzige deftige Schlemmerei erlebt. Ohne Rücksicht auf Krümel, Schmatzgeräusche und Glasgeklapper sowie den gerade Vortragenden verzehren die Abgeordneten dort ihr Frühstück in Form von belegten Semmeln und Kaffee. Gearbeitet wird dabei natürlich auch. Im Entwicklungspolitischen Ausschuss kommen die Abgeordneten dieses Arbeitsschwerpunkts zusammen. Sie hören Experten zu entwicklungspolitischen Themen und entscheiden über Anträge der einzelnen Arbeitsgruppen. Das kann dauern, was mir manchmal einiges an Ausdauer abverlangt hat. Kindergarten In der nicht öffentlichen Fraktionssitzung wird die Linie zu Anträgen festgelegt, über die gemeinsam im Plenum am Donnerstag oder Freitag abgestimmt wird. Bei miefiger Luft und ohrenbetäubendem Geräuschpegel ein kleines Wunder. Insbesondere im Plenum kann ich beobachten, wie Abgeordneten ungeniert Zeitung lesen, ihre Stühle herum drehen, quatschen, hin und her laufen und in die Rede anderer hinein schreien. Kindergarten pur! Kein Wunder, dass die meisten manchmal gar nicht wissen, wie sie eigentlich stimmen sollen. Deshalb steht vor den Wahlurnen auch immer ein Abgeordneter der eigenen Fraktion. Er reckt deutlich die richtige Kartenfarbe - also weiß, rot oder blau - in die Höhe. Mir als Besucher ist es hingegen noch nicht mal erlaubt Zeitung zu lesen. Ich habe leise zu sein und gerade zu sitzen! Als ich mir einen Blick in die Reichstagskuppel von Norman Foster über mir genehmigte, hatte ich sofort eine aufblondierte Türsteherin am Hals, die mich in vorwurfsvollem Ton ermahnte, ich solle gerade sitzen. Es sähe aus, als ob ich schliefe. Sklave der Abgeordneten Dafür hatte ich definitiv das gemütlichste Abgeordnetenbüro des ganzen Bundestages. Wir frühstückten regelmäßig zusammen und im Schlepptau meiner Abgeordneten nahm ich an vielen Terminen, Gesprächen und Veranstaltungen teil. Das ist nicht selbstverständlich. Andere Praktikanten bekamen ihren Abgeordneten nie zu Gesicht. Über die übliche Arbeit wie kopieren und Post holen hinaus, durfte ich auch interessantere Aufgaben übernehmen. Also einen Hintergrund und Fragen für Expertengespräche erarbeiten, Konzepte entwickeln, Kontakt halten zu Wählern und Briefanfragen beantworten. Dabei waren Arbeitszeiten von acht Uhr morgens bis Mitternacht allerdings keine Seltenheit. Und der Job eines Referenten, ist der eines "Sklaven". So hat man es mir in der CDU-Führungsebene erklärt und so war es auch meistens: Erika Reinhardt bestimmte, was wie gemacht werden sollte. An Widerrede brauchte der Referent dann nicht zu denken. Gelohnt hat sich mein Praktikum in Berlin hundertprozentig. Allein schon, weil ich Politik und Politiker hautnah erleben durfte, nicht nur theoretisch aus irgendwelchen Büchern. Und wer Kohl wegen Spendenaffäre oder Leibesumfang lieber nicht umarmt - keine Panik: Das gehört nicht zum Pflichtprogramm. Foto: privat Wie komme ich in den Bundestag? Einfach bewerben! Am einfachsten ist der Weg ins Zentrum der Macht über parteinahe Stiftungen. Allerdings landet man dann zwangsläufig bei der entsprechend politisch orientierten Fraktion. Einige Praktikanten haben sich auch erfolgreich direkt bei einer Fraktion oder einem Abgeordneten beworben.
E-mail: redaktion@e-politik.de
Dass die Bedeutung von Entwicklungshilfe verkannt wird, zeigt sich auch darin, dass die Mittel seit Jahren stetig gekürzt werden.
Das Praktikum dauert in der Regel sechs Wochen oder länger. Tipp: Wer parteipolitisch nicht aktiv ist, wende sich an seinen Abgeordneten im Heimatwahlkreis.
Weiterführende Links:
Die Abgeordnete Erika Reinhardt: http://www.erika-reinhardt.de
CDU/CSU-Bundestagsfraktion: http://www.cducsu.de
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